Neuerdings sind Sie auch Vorsitzender des BR-Hörfunkausschusses. Lautet Ihr Urteil in dieser Funktion genauso?

Aus Sicht des BR ist ein Jugendkanal eine wichtige strategische Maßnahme, um zukunftsfähig zu sein. Dabei sind die Ausstrahlung von Puls über UKW und das Angebot von BR Klassik via DAB+ voneinander unabhängig zu betrachten. Dem BR droht ein UKW-Mix unter Ausschluss der Jugend. Junges Publikum erreicht er jedenfalls nicht über Kurzwelle - und damit wird er seinem gesetzlichen Auftrag nicht gerecht. Für den Klassikkanal gilt es, das eigene Angebot zu erweitern, damit die treuen Fans der klassischen Musik in den Genuss der Vorteile der digitalen Radiowelt kommen können.

Zwei Lager stehen sich gegenüber: Das eine, das mit dem Wechsel von BR Klassik ins Netz fürchtet, dass der BR seinen Kultur- und Bildungsauftrag missachten und die Hörergruppe der über 50-Jährigen von der Grundversorgung ausschließen wird. Und das andere Lager, das anmahnt, dass der BR auch gegenüber jungen Hörer

n einen Bildungsauftrag habe und Puls endlich mehr Reichweite verdiene. Wer wird diesen gordischen Knoten lösen?

Ich bedaure sehr, dass einige Menschen und Medien sehr sorglos mit der Thematik umgehen und ein Generationenkonflikt heraufbeschworen wird, den ich so nicht sehe. Wahr ist, dass der BR mit seinen Programmen derzeit junge Menschen nicht erreicht. Vier von fünf UKW-Wellen sind deutlich im Altersdurchschnitt über 50 Jahre anzusiedeln, der "jüngste" Sender ist Bayern 3 mit einem Altersdurchschnitt von deutlich über 40 Jahren.
Der BR hat aber den gesetzlichen Auftrag, sein Angebot für alle Bevölkerungsgruppen zu konzipieren und alles zu unternehmen, diese auch zu erreichen. Bei Bayern 4 Klassik scheint es so zu sein, dass wir zwar einen einzigartigen UKW-Kanal vorhalten, der auch große Verdienste hat, wenn es darum geht, die Angebote der BR-eigenen Orchester darzustellen. Allerdings erreicht dieses Angebot eine überschaubare Anzahl von Menschen, und schon gar nicht ausschließlich über UKW. Ein Großteil der Zuhörer nutzt bereits jetzt Klassik über digitale Verbreitungswege.

Wenn man also künftig im Programmangebot auch junge Menschen integrieren und den Klassik-Kanal stärken und sichern will, ist eine stringente Lösung der Tausch von Bayern 4 Klassik mit Puls auf der UKW-Frequenz. Die von Ihnen angesprochene ältere Zielgruppe ist bereits jetzt mit dem Sender - Bayern plus – dem erfolgreichsten der fünf digitalen Kanäle - mit Digitalradio bestens vertraut. Analog oder digital: Das ist keine Frage des Alters, nach der man gerne unterstellt, junge Menschen hören als Digital Natives digital und ältere Menschen tun sich damit schwer, von UKW in die digitale Radiowelt zu wechseln. Ich finde, dass in der gesamten Diskussion etwas mehr Versachlichung Not tut. Einen Generationenkonflikt – aus dem Blickwinkel der jungen Generation – sehe ich jedenfalls nicht.

Was können Sie als Fürsprecher der Jungen der Online-Petition zum Erhalt von BR Klassik auf UKW entgegensetzen, die bereits knapp 50.000 Unterzeichner zählt?

Ein besseres Beispiel dafür, dass Bayern 4 Klassik bereits jetzt sein Publikum digital erreicht, gibt es ja gar nicht. Uns BR-Rundfunkräten muss es darum gehen, Entscheidungen zu fällen, die den BR gut für die Zukunft aufstellen gemäß den gesetzlichen Vorgaben und dem gesellschaftlichen Auftrag des BR. Wie schon gesagt, sehe ich in der Frage keinen Generationenkonflikt und bin auch kein Freund davon, jetzt in eine Protesthaltung zu verfallen und damit denen ein weiteres Argument an die Hand zu geben, die da meinen, es handele sich um einen Generationenkonflikt.

Die deutschen Jugendringe bedauerten kürzlich erst allgemein das Fehlen eines öffentlich-rechtlichen Jugendsenders im TV. Was erwarten Sie sich von einem solchen Angebot, das neben private Angebote wie Joiz treten würde?

Es geht darum, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender auch Programm für Jugendliche machen und ihnen einen notwendigen und unverzichtbaren medialen Raum öffnen, in dem sich junge Menschen genauso wie alle anderen Altersgruppen bewegen können. Einige Menschen meinen, das könne man in den vorhandenen Programmen unterbringen und damit sei allen Genüge getan. Das halte ich für falsch. Junge Menschen brauchen adäquate, für ihre Lebenswelten zugeschnittene Medienformate, die sich ausschließlich mit ihren Themen und Fragestellungen beschäftigen. Und da sollte es jenseits von Nutzer-und Interessengruppen vor allem um den gesetzlichen und gesamtgesellschaftlichen Auftrag gehen. Für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten bedeutet das, einem Auftrag nachzukommen, der von allen, auch von jungen Menschen, über die Rundfunkbeiträge bezahlt wird und der vor Kurzem erst eindeutig durch das Bundesverfassungsgericht gestärkt wurde.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.