
"Das DAB-Desaster darf nicht wieder passieren"
Die Radios im Privatfunkverband VPRT werden wohl Ende Juni den Neustart des terrestrischen Hörfunks absagen. Im Interview erklärt Hans-Dieter Hillmoth, Vizepräsident und Vorsitzender des Fachbereichs Radio, die Gründe.
Herr Hillmoth, ist es richtig, dass der VPRT gegen die geplante breite Einführung von DABplus stimmen wird?
Ich will nicht vorgreifen – aber wird es wohl ausgehen. Bei einem Mitglieder-Workshop des Fachbereichs Radio im VPRT Mitte Mai haben wir mehrere Varianten zur weiteren Entwicklung diskutiert und eine Probeabstimmung durchgeführt. Für den DABplus-Start jetzt sprach sich dabei keiner aus, gegen den digitalen Neustart war ein Großteil. Ganz wenige der anwesenden 30 Sender plädierten für ein Moratorium.
Was ist nun die Konsequenz daraus?
Am 25. Juni wird es eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Fachbereichs Hörfunk geben. Dort wollen wir mit möglichst klarer Stimme sagen, was wir wollen und was nicht. Das haben die Teilnehmer des Workshops einstimmig beschlossen.
Zieht der Verband aufgrund der Krise die Notbremse beim kostenintensiven Digitalradio?
Das spielt sicher eine Rolle. Derzeit kann keiner in eine unsichere Zukunft investieren. Vor zwei bis drei Jahren war es leichter, Kredite oder Investoren für neue Projekte zu bekommen. Doch im Vordergrund stehen andere Gründe. So haben wir uns immer klar gegen eine Wiederholung des DAB-Desasters ausgesprochen. Keiner entscheidet, alle experimentieren ins Blaue, keiner traut sich Nein zu sagen – das darf nicht wieder passieren. Zudem zeigte sich der VPRT stets skeptisch, was die Wirtschaftlichkeit von DAB und DAB­plus angeht; es gibt weiterhin kein vernünftiges Geschäftsmodell. Die Privaten können den Betrieb des digitalen Sendernetzes so nicht finanzieren. Ein weiterer Punkt ist, dass wir sehen, wie gut UKW zusammen mit Internet und Webradio und anderen Übertragungsformen funktioniert. Überdies ist Radio schon jetzt digital und wir investieren trotz Krise – im Kabel, über Satellit, im Internet. Allein das Stichwort „Digital“ ist kein Wert. Darüber hinaus sehe ich bei vielen Kollegen, dass die seit langem existierende Skepsis gegenüber terrestrischem Digitalradio zuletzt sehr gewachsen ist. Deshalb müssen wir jetzt zu einer klaren Aussage kommen.
Die da lauten wird?
Wahrscheinlich ein deutliches Nein der Privatsender im VPRT zu DABplus.Und das aus wie ich finde sehr guten Gründen. Alternativ ist denkbar, darum zu bitten, das Thema aufzuschieben und in zwei bis drei Jahren neu aufzurollen.
Haben Sie die Marktpartner auf Ihren Rückzug vorbereitet?
Die Medienanstalten wurden auf einer Veranstaltung zu Digitalradio in Frankfurt Anfang Juni über unser bevorstehendes Votum informiert. Sie werden nun beraten. Auch dort hatten wir den Eindruck, dass viel Uneinigkeit herrscht – bei Ländern, Medienanstalten – und hinter den Kulissen viele vom Scheitern des Projekts DABplus ausgehen. Doch keiner will den Schwarzen Peter ziehen.
Den Schwarzen Peter hat nun der VPRT. Steht DABplus mit Ihrem Rückzug vor dem Aus?
Ob unser Rückzug den Todesstoß für DABplus bedeutet, wissen wir nicht. Aber darauf können wir keine Rücksicht mehr nehmen. Wir investieren in Radio und Radiowege, die
Zukunft haben.
Die digitalen Kapazitäten sind angefordert, im Juli entscheidet die KEF über den Digital-Fonds für ARD-Wellen. Überlassen Sie nun das DAB-Feld den Öffentlich-Rechtlichen?
Damit kokettieren natürklich die ARD-Anstalten. Aber wir werden fordern, erneut alle Betroffenen an einem Runden Tisch zu versammeln. Dort muss geklärt werden, wie die digitalen Frequenzen sinnvoll verwendet werden können. Was auf keinen Fall geht, ist, dass die ARD einseitig vorprescht und mit zusätzlichen Frequenzen das Ungleichgewicht im Markt zementiert. Ich hoffe, dass die KEF das auch so sieht.
Wie sieht Plan B für die Radiozukunft aus?
Der Plan B läuft längst. Wir investieren ins Internet, wir schauen, was sich aus UKW noch rausholen läßt (Neuordnung), wir experimentieren mit den Smartphones. Des Weiteren denken wir über HD-Radio nach – mit digitalen Beibooten rechts und links neben dem UKW-Programm. Wir müssen da sein wo die Hörer sind oder ziemlich sicher sein werden – und können es uns nicht leisten Geld in vage Projekte zu investieren.