
LSR:
"Eiertanz": Kauder distanziert sich vom Leistungsschutzrecht
Rückschlag für das geplante Leistungsschutzrecht. Anders als geplant, wird es nächste Woche doch nicht vom Bundestag beschlossen. Und auch im Regierungslager wächst der Widerstand. Rechtspolitiker Siegfried Kauder hält das Gesetz für verfassungsrechtlich bedenklich.
Die Gegner des umstrittenen Leistungsschutzrechts haben einen Etappensieg errungen. Eigentlich sollte der Gesetzentwurf nach den Plänen der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP bereits am 28. Februar im Bundestag beschlossen werden. Kurzfristig wurde der Punkt (BT-Drucksache 17/11470) am Freitag Morgen aber wieder von der Tagesordnung gestrichen. Damit bleibt offen, ob es den Befürworten gelingt, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
Die Wende hat vor allem mit einem Mann aus den Regierungs-Reihen zu tun: Siegfried Kauder, CDU-Abgeordneter aus dem schwäbischen Villingen-Schwenningen und Vorsitzender des Rechtsausschusses. Ausgerechnet das Oberhaupt des federführenden Ausschusses erklärte am Freitag Morgen in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, das geplante Gesetz sei möglicherweise nicht verfassungskonform.
Kauder, jüngerer Bruder des Unions-Fraktionschefs Volker Kauder, bezeichnete das Gesetzgebungsverfahren als „rechtspolitischen Eiertanz“. Man müsse die „Vereinbarkeit des Gesetzentwurfes mit dem Grundgesetz diskutieren“, erklärte der Unions-Politiker. Er kritisiert, dass unter den bislang angehörten Experten „kein einziger Verfassungsrechtler war“. Verfassungsrechtlicher Knackpunkt sei vor allem der „Eingriff“ in das Grundrecht „der Informationsfreiheit der Nutzer“. Denn das geplante Leistungsschutzrecht gebe Suchmaschinenbetreibern wie Google „Anlass, mit Informationsangeboten der Presseverleger ‚sparsamer‘ als bisher umzugehen“.
Kauder hatte sich schon in früheren Wortmeldungen kritisch bis skeptisch zum Leistungsschutzrecht geäußert. Nun gibt er sich endgültig als klarer Gegner zu erkennen. Er stellt den Anspruch der Verlage grundsätzlich in Frage: „Der Gesetzgeber muss auch die Frage beantworten, warum gerade für Presseverlage ein Leistungsschutzrecht eingeführt werden soll, nicht aber für gleichwertige Informationsanbieter. Wo ist die Rechtfertigung für die Priviligierung der Presseverlage?“
In die gleiche Kerbe wie Kauder schlägt zeitgleich der Der Verband der Internetwirtschaft (ECO). Er veröffentlichte heute in in Zusammenarbeit mit Google erstelltes Rechtsgutachten, das mit den gleichen Argumenten die Verfassungskonformität des Gesetzesvorhabens anzweifelt.
Der Vorstoß Kauders, der von seiner Partei für die kommenden Wahlen nicht mehr als Bundestagskandidat aufgestellt wurde, ist bemerkenswert. Denn Kauder sollte aus Sicht der Regierungsfraktionen als Vorsitzender des Rechtsausschusses eigentlich eine Schlüsselrolle für die Verabschiedung des geplanten Gesetzes einnehmen. Kurz auf der Schlussgraden schießt nun der als Querdenker bekannte Schwabe quer und fährt das größte denkbare Geschütz auf: Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens. Damit zwingt Kauder seine Parteifreunde möglicherweise, noch einmal weiteren Anhörungen in den Ausschüssen zuzustimmen. Das würde das Gesetzesvorhaben weiter verzögern. Doch je länger sich der Prozess hinzieht, desto unwahrscheinlicher wird eine Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode.
Die Streichung von der Tagesordnung des Bundestags am Donnerstag hat auch mit einem Formfehler zu tun, den die Opposition aus SPD, Grünen und Linken ausnutzen konnte. Da zwischen der geplanten zweiten Lesung im Parlament und der letzten Ausschussberatung keine 48 Stunden gelegen hätten, hätten alle Fraktionen zustimmen müssen. So konnten die Gegner den Gesetzentwurf wieder von der Tagesordnung kippen.
Um das Leistungsschutzrecht wird seit über vier Jahren gerungen. Die deutschen Verleger wollen, dass Suchmaschinen und andere Aggregatoren, die Artikelanrisse sammeln und bündeln, künftig eine Lizenz erwerben müssen. So könnte zum Beispiel der Axel-Springer-Verlag von Google Geld fordern, wenn in Google-News mehr als nur Link und Überschrift eines Welt-Artikels steht. Einen solchen Rechtsanspruch will vor allem Google unbedingt verhindern. Auch die Internetverbände und der Bundesverband der deutschen Industrie lehnen das Gesetz strikt ab.