
Luxlotusliner-Interview:
"Ein Design wie für ZDFkultur funktioniert in arabischen Ländern nicht"
Die Designagentur Luxlotusliner gab Arte und ZDFkultur ein neues Gesicht und hat mittlerweile auch zahlreiche internationale Kunden. Im Interview mit W&V Online berichten die Agenturchefinnen über ihre Erlebnisse mit arabischen Sendern, Sehgewohnheiten in Ägypten und die Bedeutung von Awards für ihr Business.
2007 gründeten Gabi Madracevic und Andrea Bednarz die Designagentur Luxlotusliner, die für Sender und Kunden in Deutschland und im Ausland tätig ist. Das Team entwarf 2008 das komplett neue Erscheinungsbild für Arte, 2009 folgte das Corporate Design für die drei größten staatlichen TV-Sender. Und Letztes Jahr verliehen die Münchener dem digitalen Spartensender ZDFkultur ein Gesicht, für dieses Projekt gab es zahlreiche Designpreise (u.a.Promax World, Eyes and Ears of Europe, D&AD London, ADC).
Im Interview mit W&V Online berichten die Agenturchefinnen über die Zusammenarbeit mit arabischen Sendern, Sehgewohnheiten in Ägypten und die Bedeutung von Awards für ihr Business.
Ihre Agentur hat schon für die unterschiedlichsten Sender (u.a. Arte, ZDFkultur, Aljazeera, Abu Dhabi TV), ein neues Erscheinungsbild entwickelt. Wie stellen Sie sich auf einen Sender ein, was ist der erste Schritt?
Gabi Madracevic: Falls das Briefing nur schriftlich kommt und wir den Sender noch nicht kennen, stellen wir einen Fragenkatalog zusammen: Welche Visionen verfolgt der Sender, welche Erwartungen und Ziele hat er? Wer sind die Konkurrenzsender? Wie sehen Programmgewichtung und –schema aus? Existieren Designvorbilder oder können die potentiellen Auftraggeber auf ein Commercial verweisen, das ihnen gefällt?
Manchmal werden wir aber auch zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, bei dem man sich kennen lernt. Dadurch können wir uns natürlich besser informieren. Geht es um Kunden im Ausland, recherchieren wir auch erstmal umfangreich über das Land, die Gesellschaft und die politische Gesamtsituation. Danach geht es erst ans Brainstorming, aus dem sich eine Idee herauskristallisiert, an der wir das Design orientieren können. Zum Schluss steht dann, hoffentlich, ein Erscheinungsbild, das den Sender charakterisiert, das einmalig ist und das die Emotionen der Zuschauer trifft.
Derzeit arbeiten Sie für einen kurdischen Sender. Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?
Andrea Bednarz: Da wir im arabischen Raum schon seit vielen Jahren arbeiten, sind wir in der Region bekannt. Unser erstes Projekt für den Sender Aljazeera in Qatar hat uns ein gewisses Renommee verschafft. Dadurch kam auch das Kurdistan-Projekt zustande. Für Al Rai in Kuwait und Abu Dhabi TV waren wir ebenfalls tätig.
Welche Vorgaben gibt es da für Ihr Team? Was ist die konkrete Aufgabe?
Madracevic: Die Vorgaben sind hier, die Kultur und die Tradition des Landes widerzuspiegeln, aber immer auch mit Blick auf eine Zukunftsvision. Die Verbindung von Tradition und Moderne - das soll das Design kommunizieren.
Inwiefern unterscheiden sich kurdische oder ägyptische Sehgewohnheiten von den deutschen? Worauf müssen Sie besonders achten? Was geht und was geht nicht?
Madracevic: Der Wunsch in der arabischen Medienlandschaft geht immer zu europäischem Design, das als "State of the Art" gilt. Und immer sollte es "rich" sein, also eindrucksvoll, opulent, nach dem Motto "mehr ist mehr". Ein Design und Konzept wie für ZDFkultur würde in arabischen Ländern wahrscheinlich nicht funktionieren.
Eine Agentur mit zwei Frauen an der Spitze – gibt es da auch manchmal Vorbehalte, wenn Sie mit Kunden in arabischen Ländern zu tun haben? Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Bednarz: Früher habe ich zu ersten Treffen bei arabischen Sendern meistens meinen Producer dabeigehabt, mit dem die Verhandlungspartner zuerst gesprochen haben, weil sie dachten, er sei der Chef. Das hat es mir am Anfang erleichtert, die Kunden zu beobachten und einzuschätzen. Es kam auch vor, dass mir als Frau nicht die Hand gegeben wurde. Letztlich hatten wir aber keine Probleme. Als Geschäftsführerinnen sind wir heute manchmal die einzigen Frauen in einer Männerrunde. Aber das passiert uns nicht nur in arabischen Ländern, sondern auch in Europa.
Gerne erinnern wir uns an unsere Arbeit in Ägypten zurück, wo wir für drei Sender mit einem riesigen Team gedreht haben, das manchmal aus bis zu 100 Mitarbeitern bestand. Für die Vorbereitungen und den Dreh waren wir fast zwei Monate vor Ort. Es hat trotz Stress sehr viel Spaß gemacht. Dabei haben wir sehr viel über die Menschen erfahren und sind auch von den einheimischen Männern mit Respekt behandelt worden.
Bei den Kreativagenturen gibt es aktuell eine Debatte um den Sinn von Awards. Agenturen wie Jung von Matt ziehen sich zum Teil zurück. Auch Luxlotusliner hat schon zahlreiche Preise eingeheimst. Bringen Sie Award-Gewinne geschäftlich weiter?
Bednarz: Ja und nein. ZDFkultur hat mit insgesamt 19 Awards schon Furore gemacht. Wenn wir Preise gewinnen, teilen wir das in Mailings unseren Geschäftspartnern und Kollegen mit. Generell betrachten wir Awards als schöne Anerkennung für unsere Arbeit und als Bestätigung für den Kunden, mit dessen Projekt die Auszeichnungen gewonnen wurden. Das Verhältnis zu den Auftraggebern kann dadurch gefestigt und ausgebaut werden. Ohne PR und auch Vorträge bei Konferenzen, die wir beispielsweise auf Veranstaltungen von PromaxBDA oder der EBU (European Broadcast Union) halten, geht es letztlich nicht. Allerdings kommen wir, obwohl wir viele angesehene Preise gewinnen, in klassischen Rankings oft nicht vor, weil TV-Design-Awards gar nicht erfasst werden.
Sie haben angekündigt, sich künftig mehr auf Industriekunden zu konzentrieren. Warum? Und wer gehört zu Ihren Kunden?
Madracevic: Wir sehen einen klaren Bedarf, da die Darstellungsformen selbst bei kleineren Unternehmen immer audiovisueller werden. Und hier verfügen wir über Wissen und Erfahrung, was Branding und Benutzerführung angeht. Kunden haben wir konkret noch nicht. Aber dieses Thema steht für uns für das nächste Jahr ganz oben an.