
"Ermutigend, inspirierend und emotional berührend"
Die Rede ist von Frauengesellschaften: Dem Thema hat Eva Hehemann - Fotografin und Mitglied im W&V Frauen-Netzwerk - ein ganzes Buch gewidmet. Und herausgefunden, welche besondere Stimmungen auf Frauenfesten herrschen. Fazit: Gestärkt werden müssen nicht Frauen an sich, sondern weibliche Werte.
Die Rede ist von Frauengesellschaften: Dem Thema hat Eva Hehemann - Fotografin und Mitglied im W&V Frauen-Netzwerk - ein ganzes Buch gewidmet. Und herausgefunden, welche besondere Stimmungen auf Frauenfesten herrschen. Fazit: Gestärkt werden müssen nicht Frauen an sich, sondern weibliche Werte.
Frau Hehemann, Sie haben das Buch "Frauengesellschaft(en) in Deutschland" geschrieben – wie kamen Sie auf die Idee?
Viele Jahre habe ich regelmäßig Frauenfeste gefeiert, entweder als Gast oder als Gastgeberin. Nur in Gesellschaft meiner Freundinnen ein paar
entspannte Stunden zu verbringen, war mir nie als etwas Ungewöhnliches erschienen. Einer Freundin fiel auf, dass Frauen immer häufiger nur unter sich alle möglichen Feste feierten, von der privaten Geburtstagsparty bis hin zu großen offiziellen Veranstaltungen. So entstand die Idee, zu diesem Phänomen ein Bilderbuch zu machen, das die unglaubliche Vielfalt der Anlässe für rein weibliche Geselligkeit möglichst bunt und authentisch wiedergeben sollte. Es sollte eine Art Kompendium entstehen, das der Leserin die Möglichkeit gibt, sich zu orientieren. Das Buch soll zum Mitmachen einladen und enthält deshalb auch viele Anregungen, wie und wo frau das richtige Netzwerk für sich findet.
Was ist das Besondere an Frauengesellschaften?
Über ein Jahr war ich in ganz Deutschland unterwegs, um möglichst viele verschiedene Frauenfeste zu besuchen und fotografisch zu
dokumentieren. Je mehr ich sah, desto deutlicher ergaben sich die elf Kapitel, in die ich die Aktivitäten der Frauengruppen schließlich im Buch
unterteilt habe. Zu jedem Kapitel habe ich ein Interview mit einer Expertin geführt, die möglichst auch eine breite Erfahrung mit Frauenfeiern mitbringen sollte. Ich habe rein private Feiern besucht, war bei wohltätigen Aktionen dabei, habe offizielle Treffen von Berufsverbänden mitgemacht, habe an politischen Straßenaktionen teilgenommen, Verkaufsparties, sportliche oder kulturelle Veranstaltungen beobachtet und sogar auf Volksfesten die Frauengruppen aufgespürt – eine faszinierende Entdeckungsreise! Bei aller Unterschiedlichkeit der Gruppen, Netzwerke, Anlässe und Orte gab es doch auch einige Gemeinsamkeiten, die mir aufgefallen sind und die für mich das Besondere an diesen geselligen Treffen darstellen. Bemerkenswert ist vor allem die Homogenität der einzelnen Gruppen; manchmal habe ich den Eindruck, es handele sich bei den versammelten Frauen um lauter Schwestern, so ähnlich sind sie sich im Kleidungsstil, im Verhalten, ja sogar im Aussehen. Auffallend ist auch die Ausgelassenheit der meisten Treffen, die gute Stimmung, die Lebhaftigkeit – und Lautstärke – der Gespräche, zu denen sich Frauen ohne Scheu zusammenfinden, auch wenn sie sich zuvor noch nie begegnet sind. Schließlich erlebe ich immer wieder, wie ermutigend, inspirierend und emotional berührend diese Treffen sind – alle gehen gestärkt und beglückt von dannen, aufgetankt mit Energie und neuen Ideen.
Wie weit reicht diese Tradition zurück und wie hat sie sich entwickelt?
Die Wurzeln für die heutigen Frauenfeiern reichen weit in die Geschichte zurück und zwar in jeder Weltgegend. Natürlich hat die heutige Selbstverständlichkeit rein weiblicher Feiern auch durch die Frauenbewegung wichtige Impulse erhalten. Für mich ist weibliche Geselligkeit ein Ausdruck von gelungener Emanzipation. Genau wie die Männer das Zusammensein mit ihresgleichen suchen und genießen, so tun das eben
auch die Frauen. Das stellt nicht die Alternative zu gemischten Feiern dar, sondern eine unverzichtbare Ergänzung. Daher würde ich auch jeder
Frau empfehlen mitzumachen, es ist nicht nur stärkend, sondern macht vor allem sehr viel Spaß. Ausführliche Informationen über die Ursprünge von Frauenfeiern liefert in meinem Buch das erste Interview, in dem ich eine Historikerin befrage, die im Kasseler Archiv der Deutschen Frauenbewegung arbeitet. Denn auch mir hat sich die Frage nach den Ursprüngen gestellt. Trotz der deutlichen Bezüge zu vergangenen Zeiten, würde ich aber nur bedingt von Tradition sprechen, denn die Teilnehmerinnen der heute so beliebten Frauenfeiern sind sich der Geschichte solcher Veranstaltungen meistens gar nicht bewusst, sondern suchen nur das gemeinsame Vergnügen und folgen eher einem Trend. Etwas anderes sind Veranstaltungen von weiblichen Service-Clubs, Berufsverbänden oder politisch motivierten Frauengruppen. Hier ist die Geselligkeit nicht Selbstzweck, sondern dient quasi als Belohnung für die gemeinsame Arbeit. Wenn diese Frauen miteinander feiern, dient das vor allem dem Netzwerken für die gute Sache, egal ob es sich dabei um die Umsetzung caritativer, beruflicher oder politischer Pläne handelt. Es werden freundschaftliche Allianzen gegründet, die die gemeinsame Arbeit unterstützen sollen. In entspannten Gesprächen entwickeln Frauen ihre besten Ideen; viele der heute überall entstehenden, mehr oder weniger lockeren Netzwerke haben ihren Ursprung in einem als besonders fröhlich erinnerten Abendessen unter Freundinnen.
Frauen-Verbände arbeiten in der Regel dezent im Hintergrund ohne viel Aufsehens um sich zu machen - verbauen sie sich damit nicht die Aussicht auf Anerkennung und damit Erfolg?
Damit sprechen Sie einen noch wunden Punkt an. Es ist eines der wichtigsten Anliegen meines Buches, die Netzwerke der Frauen und ihre großartige und wichtige gesellschaftliche Arbeit zu zeigen und damit mehr Anerkennung für diese Arbeit zu fordern. Gleichzeitig kann mein Buch auch als Instrument dienen, um die Lobby-Arbeit der Frauenverbände zu unterstützen. Es gilt, mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für diese Netzwerke zu erreichen. Frauen und ihre Belange werden meistens defizitär dargestellt: Es werden die Mängel betont, nicht die Stärken. Deshalb müssen wir Frauen immer wieder ein Gegengewicht schaffen und so für Vorbilder sorgen, auf die wir stolz sein und denen wir nacheifern können. Und solche Vorbilder habe ich unzählige auf meiner Reise durch Deutschland getroffen: kluge, erfolgreiche und engagierte Frauen, von denen viel zu wenig öffentlich bekannt ist. Im Buch sind sie nun vertreten. Die Ergebnisse meiner Recherchen haben mich immer wieder erstaunt, denn bis dahin hatte ich keine Ahnung, wie viele weibliche Netzwerke es gibt. Und obwohl mein Buch ja sehr dick geraten ist, so zeigt es doch nur "die Spitze des Eisbergs". In jeder Großstadt, im ganzen Land und weltweit gibt es unzählige Frauen-Netzwerke; manche bestehen schon seit vielen Dekaden und jeden Tag kommen neue hinzu, auch virtuell im Internet. Es gibt in Deutschland auch einen Dachverband für circa 70 der gut etablierten Verbände: der deutsche Frauenrat. Ich habe erst über die Arbeit an meinem Buch von diesem Gremium erfahren, das ausgesprochen gut mit der deutschen und europäischen Politik vernetzt ist und dieser gegenüber die Interessen der Frauen vertritt. Dennoch finde ich, dass der Frauenrat noch viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhalten müsste. Dass dies noch nicht der Fall ist, hat ein ganzes Spektrum von Gründen – genügend Stoff für ein weiteres Interview.
Wie könnte sich das ändern?
Meiner Meinung nach sollten sich die Frauen-Verbände intensiver miteinander vernetzen. Über alle individuellen Unterschiede hinweg ist es notwendig, sich auf gemeinsame Ziele verbindlich zu einigen und diese dann solidarisch zu vertreten. Eine gesetzliche Quote für Aufsichtsgremien in den börsennotierten Unternehmen könnte solch ein gemeinsames Ziel sein, oder die Aufhebung der Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen, oder bessere und flächendeckende Kinderbetreuung spätestens ab dem ersten Geburtstag, oder der Ausbau der Vaterzeit – warum soll die kürzer sein als für die Mütter? Nur weil eines dieser Themen mich nicht persönlich berührt, kann ich es doch trotzdem vertreten, solidarisch mit und für die anderen Frauen; vielleicht für meine Tochter? Mittlerweile gibt es auch immer mehr Männer, die sich zum Feminismus bekennen, weil sie verstanden haben, dass auch sie davon profitieren, wenn auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gepocht wird oder flexiblere Arbeitsmodelle gefordert werden. Viele Männer engagieren sich in eigenen oder in gemischten Netzwerken für Ziele und Anliegen, die traditionell den Frauen vorbehalten sind und die als "weiblich" gelten. Für mich wird an solchen Beispielen deutlich, dass es heute gar nicht mehr so sehr darum geht, die Frauen zu stärken – die sind schon sehr stark –, sondern eher darum, weibliche Werte zu stärken. In diesem Sinne würde das vielfach propagierte Jahrhundert der Frauen auch nicht bedeuten, dass Männer keine Rolle mehr in der Gesellschaft spielen würden, sondern lediglich, dass eine neue, andere Art von Männlichkeit mehr Chancen hätte sich zu entwickeln. Es geht schließlich um Gleichberechtigung sowie um mehr Vielfalt und nicht um Machtübernahme.