
Köln-Berichterstattung:
"Focus", "SZ" und die Rassismus-Kritik
Die Angriffe der Silvesternacht dominieren die Berichterstattung. Die Illustrationen dazu gelingen nicht überall und lösen Empörung im Netz aus: "Focus" und "Süddeutsche" gehen sehr unterschiedlich mit den Rassismusvorwürfen um.
Eine schwarze Hand greift in den Schritt einer weißen Silhouette. Was grafisch geschickt gestaltet scheint, erweist sich dennoch als Fehlgriff. Die Angriffe der Silvesternacht dominieren die Berichterstattung. Die Illustrationen dazu gelingen nicht überall und lösen Empörung im Netz aus: "Focus" und "Süddeutsche" gehen sehr unterschiedlich mit den Rassismusvorwürfen um.
Mit dem eingangs geschilderten Bild (oben zu sehen) illustrierte die "Süddeutsche Zeitung" am Wochenende einen Artikel, der sich mit den Hintergründen zu den Angriffen in Köln auseinandersetzt. Darunter die Zeile: "Viele junge Muslime können nicht entspannt dem anderen Geschlecht begegnen." Zündstoff in der aktuellen Situation, in der sich die Vertreter unterschiedlicher Meinungen als ohnehin schon extrem dünnhäutig erweisen und sich der Ton zwischen Gegnern der deutschen Asylpolitik und den Befürwortern der Willkommenskultur verschärft. Vor allem letztere empört die "SZ"-Illustration. Erst recht, weil der zugehörige Facebook-Post den Zusammenhang nicht erkennen ließ.
Dieses Zitat stammt von Ahmad Mansour. Der palästinensisch-israelische Psychologe arbeitet in Berlin mit gefährdeten...
Posted by Süddeutsche Zeitung on Samstag, 9. Januar 2016
Der zitierte Satz stammte von dem palästinensisch-israelischen Psychologen Ahmad Mansour, der in Berlin mit gefährdeten Jugendlichen arbeitet und im Interview mehr zu den Hintergründen der sexuellen Angriffe auf Frauen klären sollte. "Brandstiftertum" warfen Facebook-Besucher der Zeitung vor, "reißerisch" sei die Darstellung, sie offenbare den "latenten Rassismus" der Redaktion. Auf Facebook hat sich die "SZ" daraufhin für die Verwirrung entschuldigt. Und die Gesatltung. "SZ"-Chefredakteur Wolfgang Krach: Die Grafik "bedient stereotype Bilder vom ,schwarzen Mann', der einen ,weißen Frauenkörper' bedrängt" und könne so verstanden werden, "als würden Frauen zum Körper verdinglicht und als habe sexuelle Gewalt mit Hautfarbe zu tun. Beides wollten wir nicht. Wir bedauern, wenn wir durch die Illustration die Gefühle von Leserinnen und Lesern verletzt haben."
Im Gegensatz dazu sieht sich die Chefredaktion des "Focus" nicht genötigt, sich für das aktuelle Titelbild des Magazins zu entschuldigen. Es zeigt eine nackte Frau, die übersät ist mit dunklen Handabdrücken (links). Auf Facebook löste das Empörung aus. Beate Wedekind, frühere Chefredakteurin der Burda-Titel "Bunte" und "Elle", rief gar zum Boykott des Magazins auf.
Liebe Freundinnen und Freunde, ich rufe Euch hiermit dringend und herzlich zum BOYKOTT von FOCUS auf: NIEMAND sollte...
Posted by Beate Wedekind on Freitag, 8. Januar 2016
Die Nutzer werfen "Focus" rassistischen Bildcode" und "rechtspopulistische Hetze" vor, obendrein sei das Titelfoto auch sexistisch, zeige es doch eine Frau "frisch vom Friseur", die lediglich "total ruhig ihre Scham abdeckt". Aus Sicht des "Focus" zeigt man, "stellvertretend für die vielen weiblichen Opfer, eine zum Sex-Objekt degradierte und entwürdigte Frau – die aber dennoch entschlossen ist, sich zu wehren." Das widerlege nicht den Vorwurf populistischer Effekthascherei, schreibt ein Nutzer. "Focus" via Facebook: "Wir sehen auch keinen Grund, uns für unser Cover zu rechtfertigen."
Auf Twitter wurde heute das Cover unserer aktuellen Ausgabe kritisiert. Wir hatten uns dazu entschieden, symbolisch...
Posted by FOCUS Magazin on Freitag, 8. Januar 2016
Chefredakteur Ulrich Reitz zum "Tagesspiegel": Wer behaupte, das Cover sei sexistisch und rassistisch, der habe Angst vor der Wahrheit. Es sei „albern“, sich an den schwarzen Händen auf weißer Haut abzuarbeiten. Weil es zu den Vorfällen in Köln keine Bilder gebe, habe man sich für diese Aufmachung entschieden.
Das Magazin "Der Spiegel", das ebenfalls mit den Übergriffen an Silvester titelt, zeigt eine randalierende Horde Männer.
Und hier ein paar Twitter-Reaktionen.
Der #Focus kämpft mit einer nackten Frau auf dem Titel gegen Sexismus.
Wenn Scheinheiligkeit stinken würde, wär Febreze grade ausverkauft.
— Markus Barth (@tweetbarth) 9. Januar 2016
Geht es noch banaler und mieser? @SZ, dieses Cover ist zum Fremdschämen! Quo vadis, Journalismus... :/ pic.twitter.com/uKd25fU5gU
— Nedad Memić (@NedadMemic) 9. Januar 2016
Bei manchen Themen ist Bebilderung schwierig. Der #SZ ist es gelungen: Hingucker, ästhetisch, aussagekräftig. #Köln pic.twitter.com/qCcUnyAlK0
— Dennis Beck (@DennisBeck_w) 9. Januar 2016
#Focus korrigiert nach Protesten sein Heftcover — Herausgeber Markwort: "Es ist Zeit für Klartext." pic.twitter.com/3VSTBUQJoD
— jensbest (@jensbest) 8. Januar 2016
Chapeau, lieber #Focus, einen Titel gegen Sexismus mit sexistischem Foto zu illustrieren, das schafft auch nur ihr! pic.twitter.com/tkYvbNT1EV
— Miriam Hollstein (@HollsteinM) 8. Januar 2016
Chapeau, lieber #Focus, einen Titel gegen Sexismus mit sexistischem Foto zu illustrieren, das schafft auch nur ihr! pic.twitter.com/tkYvbNT1EV
— Miriam Hollstein (@HollsteinM) 8. Januar 2016
weisse frau, betatscht von nem abfärbendem schwarzen - noch alle tassen im schrank der titelgrafik des #focus?
— Timm Klotzek (@TimmKlotzek) 8. Januar 2016
@quote_pro nackte Frau geht immer, bei jedem Thema, in Medien und in Werbung. #alterHut und #alltagssexismus
— eva hehemann (@EvaHehemann) 9. Januar 2016
Kalkül oder schlimmer geht immer? #focus pic.twitter.com/3zIpjdBRXg
— Pro Quote (@quote_pro) 8. Januar 2016