
"Ich erwarte vom Social Commerce erhebliche Umsatzpotenziale"
Der Online-Chef von Otto im W&V-Interview: Thomas Schnieders über die E-Commerce-Strategie des Versandhandelsmultis, mobile Angebote und die Bedeutung von Social Media.
Für den Otto-Konzern stellen die neuen digitalen Kommunikationskanäle auch neue Vertriebswege dar. E-Commerce-Chef Thomas Schnieders gibt die Marschrichtung vor.
W&V: Otto zählt zu den größten Versandhändlern in Europa. Kann das Internet in den kommenden fünf Jahren dem klassischen Versandhandel den Rang ablaufen? Oder lassen sich die Kanäle überhaupt noch trennen?
Thomas Schnieders: E-Commerce spielt schon jetzt die entscheidende Rolle. Als Multichannel-Unternehmen vernetzen die Handelsfirmen der Otto Group alle Kanäle vom Online- und Mobile-Shop über den Katalog bis zum Stationärgeschäft.
Lässt sich dies auch in Umsatzanteilen angeben?
Bereits heute setzen wir in der Otto Group jeden zweiten Euro im E-Commerce um – Tendenz steigend. Wenn Sie nur die Marke Otto betrachten, betragen die Online-Erlöse schon jetzt mehr als 60 Prozent.
Sie bauen eine Reihe weiterer Marken wie YourHome und Schlafwelt im Web auf. Welche Strategie steckt dahinter?
Die Idee dieser Angebotskonzepte ist, mit spezialisierten Websites gezielter auf die spezifischen Anforderungen einzelner Zielgruppen einzugehen. Das können wir heute mit Otto.de allein gar nicht leisten. Darüber hinaus möchten wir Erfahrungen sammeln, inwiefern wir mit diesen neuen Marken Zielgruppen erschließen, die wir mit Otto.de nicht erreichen. Um dies schnell und unter Nutzung von Synergien zu tun, haben wir auch infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen: Unter anderem wurde hierfür über unser Joint Venture Novomind iShop mit der Hamburger Softwarefirma Novomind eine State-of-the-art-Webshop-Technologie entwickelt, die wir auch Dritten anbieten.
Wie viele Submarken neben bereits etablierten Marken wie Bonprix und Sport Scheck kann sich Otto leisten? Und wie konkret sind die Pläne für einen Lebensmittelhandel im Web?
Der Spezialversandhandel war über Jahre ein Wachstumssegment. Und das dürfte so bleiben. Dafür spricht die Akzeptanz von Social Media und die damit einhergehende Renaissance der Communities. Daraus ergeben sich neue Chancen für spezialisierte Shop-Konzepte. Was den Lebensmittelhandel im Web angeht, wird hier der Markt sondiert wie in anderen E-Commerce-relevanten Handelssegmenten. Eine konkrete Entscheidung dazu wird also erst später getroffen.
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Parallel dürften sich die Marketingbudgets verschieben. Erhält Online künftig noch mehr Spendings aus der Klassik?
Wir sind ein Direktmarketing-Unternehmen. Daher setzen wir den Löwenanteil unserer Kommunikationsbudgets für Maßnahmen ein, deren Erfolg direkt messbar ist. Dies ist insbesondere die Online-Werbung, die inzwischen zum Motor der Neukundengewinnung geworden ist.
Inwiefern spielen dabei anfallende Daten eine Rolle?
Unsere Experten für Markenkommunikation und Mediastrategie nutzen die Targetingsysteme der Vermarkter und Agenturen zur optimalen Zielgruppenansprache. Das heißt, wir optimieren die Kontaktanzahl durch Retargeting. Solche Verfahren haben immer das Ziel, Kommunikationsbotschaften so relevant wie möglich zu gestalten – auch aus User-Sicht. Das ist dann eine Win-win-Situation, die solchen Verfahren eine attraktive Perspektive verspricht.
Lassen Sie uns über die neuen Kanäle sprechen. Welche Bedeutung haben die mobilen Vertriebswege – etwa Apps für Smartphones und für Tablet-PCs wie das iPad?
Der Ausbau der mobilen Kanäle hat für uns eine sehr hohe Priorität. Durch die fortlaufende Ausdehnung der Internet-Nutzung vom stationären auf den mobilen Bereich wird es immer wichtiger, mobile Formate zu berücksichtigen. Wir bieten seit dem Deutschlandstart des iPads quasi als erste Fingerübung eine Katalog-App an und haben jüngst im Rahmen unserer mobilen Offensive eine auf Smartphones optimierte Version des Mobile-Shops gelauncht.
Was erwarten Sie sich von Ihrer mobilen Offensive und dem kürzlich erneuerten Mobile-Shop (m.otto.de) konkret?
Zu allererst ist die mobile Offensive ein Signal. Wir zeigen damit, dass Mobile-Shopping für uns ein großes und sehr wichtiges Thema ist. Mit unserem Otto-Mobile-Shop wollen wir unseren Kunden konkret einen Shopping- und Service-Kanal anbieten, der ihren gestiegenen Anforderungen an mobiles Einkaufen entspricht.
Stichwort Social Media: Welche Strategie verfolgen Sie hier, zumal der Verkauf über Sites wie Facebook und Co. noch in den Kinderschuhen steckt?
Social Media entwickelt sich zu einer der bedeutendsten Informations-, Orientierungs- und Entscheidungsquellen für sehr viele Menschen. Vertriebliche Ziele sind hier erst einmal zweitrangig. Es geht vorrangig darum, die Bindung zum Kunden durch einen authentischen Dialog auszubauen. Mittelfristig erwarte ich jedoch vom Social Commerce auch erhebliche Umsatzpotenziale.
Thema Apps: Lohnt es sich für Sie, in diese Plattformen zu investieren?
Apps sind aus Kundensicht immer dann besonders interessant, wenn sie die medialen Möglichkeiten des Umfelds nutzbringend ausschöpfen. Für das iPhone oder das iPad sind dies beispielsweise der Multitouch-Bildschirm oder die Bewegungssensoren. Aktuell versuchen wir, über Themen und Trends zu dem Thema Mode und Lifestyle mit der jungen und Internet-affinen Zielgruppe ins Gespräch zu kommen, und loten Schritt für Schritt die Möglichkeiten aus. Klar ist: Die Digital Natives sind unsere Kunden von morgen. Neue Technologien wie Apps werden in absehbarer Zeit für diese Generation eine Selbstverständlichkeit sein. Wir müssen also heute beginnen, Erfahrungen zu sammeln, und vor allem lernen, wie die vielen neuen Kanäle im Kommunikationsmix verzahnt werden müssen.
Das Interview führten Kay Städele und Leif Pellikan.