
Interview zur Ausbildung:
"Irgendwas mit Medien": Gute Aussichten für Spezialisten
Lieber zu den "Bullen" als zu Bertelsmann: Müssen Medien um den Nachwuchs bangen? W&V Online hat bei Andreas Schümchen von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nachgehakt.
Die Wunscharbeitgeber deutscher Schüler im Jahr 2014 sind Polizei und Bundeswehr. In die Medienbranche oder den Textilhandel wollen immer weniger. Dieses Ergebnis einer Studie vom August lässt aufhorchen. Müssen nun Medien um ihren Nachwuchs bangen? W&V Online hat bei Andreas Schümchen von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nachgehakt, der im Lauf seiner Karriere unter anderem als Medienjournalist (Chefredakteur "Medien Bulletin") und als Referatsleiter "Publizistik und Kommunikation" am Grimme Institut die Branche begleitet hat. Als Professor unterrichtet er heute an der Hochschule in Sankt Augustin Journalistik - insbesondere in den Bereichen Printmedien und Redaktionsmanagement.
Herr Schümchen, eine Umfrage unter 12.000 Jugendlichen kam kürzlich zu dem Schluss, dass "Irgendwas mit Medien" nicht mehr so recht zieht und Jobs in TV oder Print für den Nachwuchs immer weniger in Frage kommen. Spürt Ihr Fach Journalistik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg etwas von nachlassendem Interesse am Redakteursjob?
Ganz und gar nicht – das Interesse an Medienberufen ist nach unserer Erfahrung ungebrochen. Nun bieten wir ja einen sehr spezialisierten Studiengang an, Technikjournalismus und Technik-PR. Anders als in vielen anderen Medienberufen existieren für unsere Absolventen auch gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Leute, die professionell kommunizieren können und komplizierte technische Themen durchschauen, sind ausgesprochen gefragt. "Irgendwas mit Medien" ist vielleicht nicht mehr der Renner – aber spezialisierte Medienberufe bieten gute Aussichten.
Was wollen Ihre Studenten denn heutzutage so werden?
Bei unseren angehenden Technikjournalisten stehen natürlich Themen wie Smartphones und ganz allgemein IT, aber auch weiterhin Automobilthemen bis hin zum Rennsport sowie – recht aktuell – Umwelt und Energie im Fokus. Dabei wollen viele schon von Studienbeginn an in eine Agentur oder in die Unternehmenskommunikation. Obwohl auch klassische Medien vom Fernsehmagazin bis zur Special-Interest-Zeitschrift gute Perspektiven für Leute mit Technikverständnis bieten. Und technische Fachmedien suchen oft genauso händeringend wie erfolglos nach journalistischem Nachwuchs. Sie sind aber für unsere Studenten überraschend unattraktiv.
Spielt Print überhaupt noch eine Rolle bei Digitales Natives?
Auch wenn die Digital Natives nichts Gedrucktes mehr lesen – für das Machen von Printmedien können sie sich regelrecht begeistern. Sobald die Chance besteht, dass ein Artikel tatsächlich gedruckt wird, steigen die Leistungen automatisch. Bei Online-Beiträgen kann ich das nicht feststellen. Print hat offenbar doch noch einen Reiz ...
Immer schneller gehen die Veränderungen in den Medien vonstatten, Social Media folgt auf die Digitalisierung. Kann die Ausbildung mithalten – und wie?
Die Medienausbildung muss heute schnell auf die Veränderungen in der Branche reagieren können, ja im Idealfall bei neuen Entwicklungen gleich mit dabei sein. Wir haben recht früh Themen wie Crowdfunding, Webdocumentaries oder Mobile Reporting in experimentellen Projekten thematisiert und ausprobiert. Das setzt an einer Hochschule allerdings voraus, dass es keine starren Curricula gibt, die für Jahre im Voraus feststehen. Das Aufgreifen aktueller Trends muss zum Ausbildungsprogramm gehören.
Was würden Sie den an Medien interessierten Jugendlichen raten?
Es gab noch nie so viele Möglichkeiten wie heute, sich kreativ mit Medien zu beschäftigen, ohne dass man einen Verlag oder einen Sender dafür benötigt. Wer heute "was mit Medien" machen möchte, kann einfach loslegen – mit dem Smartphone und dem Notebook im Internet. Von unseren Studienanfängern machen das leider viel zu wenige aus eigenem Antrieb. Deshalb ist mein Tipp: Selbst herumexperimentieren, eigene Ideen entwickeln und sich dann das Profi-Know-how im Studium holen.
Update: Gerade eben ist zum dritten Mal der Nachwuchspreis "dpa news talent 2014" verliehen worden. Ausgezeichnet hat die Nachrichtenagentur insgesamt vier Journalistinnen und Journalisten im Alter unter 28 Jahren für allerhand Multimediales, darunter das Geschichtsprojekt @9Nov38 auf Twitter oder eine multimediale Arbeit mit Videoschwerpunkt namens "Im Tal der Puppen".