
Werbekennzeichung für Influencer:
"Nicht jede Produktnennung ist Werbung"
Christina Kiel, Anwältin bei der Wettbewerbszentrale, ordnet die Urteile über Influencer ein. Gerichte könnten zukünftig auch anders entscheiden.

Foto: Wettbewerbszentrale
Deutschlands Influencer sind durch Abmahnwellen und Schleichwerbevorwürfe verunsichert. Seit dem Urteil des Landgerichts Berlin gegen Bloggerin Vreni Frost (neverever.me) wissen sie nicht mehr, ob sie sich noch über Produkte äußern dürfen, ohne sie generell als Werbung kennzeichnen zu müssen - obwohl sie nicht von Unternehmen bezahlt wurden und die Produkte selbst gekauft haben.
Spielerfrau und Bloggerin Cathy Hummels hatte eigentlich angekündigt, in ihrem Fall durch die Instanzen gehen zu wollen. Inzwischen hat sie ihren Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung des Landgerichts München aber zurückgenommen. Es hatte sich herausgestellt, dass sie für eine von 15 strittigen Verlinkungen zu Produktherstellern doch bezahlt worden war.
Ob es nun zu einem von viele Bloggern erhofften Hauptsacheverfahren kommt ist offen. Rechtsanwältin Christina Kiel, Mitglied der Geschäftsführung bei der Bad Homburger Wettbewerbszentrale, ordnet für W&V die aktuellen Gerichtsverfahren gegen Influencer ein.
Spielerfrau und Influencerin Cathy Hummels wehrt sich dagegen, für Produktnennungen auf ihrem Account abgemahnt zu werden, für die sie gar nicht bezahlt wurde. Zu Recht?
Die konkreten Posts kann ich ohne deren Kenntnis leider nicht bewerten. Knackpunkt ist aber die Frage: Wann ist ein Beitrag Werbung? Auf jeden Fall dann, wenn der Influencer für den Beitrag eine Gegenleistung erhält. Grundsätzlich müssen werbliche Produktnennungen als Werbung erkennbar sein.
Wir als Wettbewerbszentrale werten aber nicht jede Produktnennung als Werbung, zum Beispiel dann nicht, wenn es nur um eine neutrale Produktnennung geht oder der Post lediglich eine Meinung zu einem Produkt darstellt. Das muss im Einzelfall geprüft werden.
Welche Grundlagen werden für die Rechtsprechung über die Kennzeichnung von Blogeinträgen über Produkte überhaupt herangezogen?
Gesetzliche Regelungen zum Influencer Marketing enthalten sowohl das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG), als auch das Telemediengesetz (TMG) und der Rundfunkstaatsvertrag. Verkürzt besagen sie, dass "kommerzielle Kommunikation" oder "der kommerzielle Zweck" von geschäftlichen Handlungen erkennbar sein muss.
Liegt ein kommerzieller Zweck beim Veröffentlichen von Beiträgen über Produkte vor, die selbst gekauft wurden? Je nach Gestaltung der Beiträge lässt sich darüber streiten. Zu Unsicherheiten führen vor allem Fälle, wo Blogger über Produkte berichten, ohne dass ein Unternehmen das Produkt gestellt oder dafür bezahlt hätte.
Gerichte entschieden bislang in solchen Fällen immer gegen die Blogger. Ist die Kennzeichnungspflicht nicht klar genug geregelt?
Die Frage, ob ein Influencer für einen Beitrag bezahlt wurde, war für die Gerichte bislang wenig relevant. Nach dem UWG kommt es darauf an, ob ein objektiver Zusammenhang zwischen dem Post und der Absatzförderung von Waren besteht. So hat auch das Landgericht Berlin kürzlich entschieden: Die Influencerin (d.Red: Vreni Frost/neverever.me) fördert mit ihren Beiträgen über Kosmetikartikel den Absatz des von ihr vertaggten Unternehmens.
Es kam den Richtern nicht darauf an, ob sie dafür bezahlt wurde, oder ob das ihre Absicht war oder nicht. Allerdings könnte ein Gericht in Zukunft durchaus auch anders urteilen. Es gibt noch keine höchstrichterliche Klärung für diese Fragen.
Wo sehen Sie Klärungsbedarf?
Das Urteil des LG Berlin hat nach unserer Wahrnehmung zu Unsicherheiten geführt. Ist es Influencern nun nicht mehr ohne Kennzeichnung "erlaubt", Accounts von Unternehmen zu vertaggen, mit denen sie keine Kooperation haben? Wie sieht es mit dem Vertaggen anderer Influencer aus?
Und vor allem haben Influencer mir diese Frage gestellt: "Darf man gar nicht mehr einfach begeistert über ein Produkt schreiben, das man selbst gekauft oder getestet hat, ohne den Beitrag 'Werbung' zu nennen?" Hier wäre weitere Rechtsprechung wünschenswert, die ganz konkret Blogger-Beiträge ohne finanzielle Gegenleistung beurteilt.
Aus Unsicherheit kennzeichnen viele Blogger gezeigte Produkte jetzt generell als Werbung, auch wenn es keine ist. Ist das nicht eine Ungleichbehandlung gegenüber Frauenzeitschriften, die redaktionell ausgewählte Produkte vorstellen, ohne sie als Werbung zu kennzeichnen?
Das Verhalten der Blogger nach dem Berliner Urteil ist verständlich, gerade wenn sie sehr positiv über ein Produkt sprechen. Letztlich kommt es immer auf die Gestaltung des Posts an: Wertet ein Gericht im Streitfall den Beitrag als redaktionellen, unabhängigen Inhalt oder Werbung?
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gilt der Inhalt eines Medienunternehmens dann als "redaktionell", wenn der Beitrag seiner Gestaltung nach als objektive, neutrale Berichterstattung erscheint. Diese Grundsätze gelten für Print und Social Media gleichermaßen.
Herstellernachweise und Produktschauen in Printmedien werden aber offenbar anders bewertet als Verlinkungen und Tags bei Influencern. Ist das nicht ungerecht?
Auch in Printmagazinen kommt es auf die Gestaltung des Beitrags an. Nehmen wir beispielsweise eine Frauenzeitschrift, die ein neues Parfum vorstellt: Besteht ein Aufklärungsbedürfnis der Zielgruppe über das jeweilige Produkt? Gibt es einen redaktionellen Anlass? Ist er so geschrieben, dass er der Information für Leser oder in erster Linie zur Werbung für ein Unternehmen dient? Gegen nicht gekennzeichnete, redaktionell gestaltete Werbung im Printbereich gehen wir schon seit Jahren vor.
Hinter der Abmahnwelle gegen Influencer steckt auch der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW), dem offenbar auch Verlage angehören. Wie bewerten Sie das Vorgehen des Vereins aus wettbewerbsrechtlicher Sicht?
Uns sind bislang nur die öffentlich gewordenen Gerichtsentscheidungen des Verbandes bekannt. Kenntnis von den konkreten Inhalten außergerichtlicher Verfahren haben wir nicht. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir die Vorgehensweise des VSW nicht bewerten können.