Wir als Wettbewerbszentrale werten aber nicht jede Produktnennung als Werbung, zum Beispiel dann nicht, wenn es nur um eine neutrale Produktnennung geht oder der Post lediglich eine Meinung zu einem Produkt darstellt. Das muss im Einzelfall geprüft werden.

Welche Grundlagen werden für die Rechtsprechung über die Kennzeichnung von Blogeinträgen über Produkte überhaupt herangezogen?

Gesetzliche Regelungen zum Influencer Marketing enthalten sowohl das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG), als auch das Telemediengesetz (TMG) und der Rundfunkstaatsvertrag. Verkürzt besagen sie, dass "kommerzielle Kommunikation" oder "der kommerzielle Zweck" von geschäftlichen Handlungen erkennbar sein muss.

Liegt ein kommerzieller Zweck beim Veröffentlichen von Beiträgen über Produkte vor, die selbst gekauft wurden? Je nach Gestaltung der Beiträge lässt sich darüber streiten. Zu Unsicherheiten führen vor allem Fälle, wo Blogger über Produkte berichten, ohne dass ein Unternehmen das Produkt gestellt oder dafür bezahlt hätte.

Gerichte entschieden bislang in solchen Fällen immer gegen die Blogger. Ist die Kennzeichnungspflicht nicht klar genug geregelt?

Die Frage, ob ein Influencer für einen Beitrag bezahlt wurde, war für die Gerichte bislang wenig relevant. Nach dem UWG kommt es darauf an, ob ein objektiver Zusammenhang zwischen dem Post und der Absatzförderung von Waren besteht. So hat auch das Landgericht Berlin kürzlich entschieden: Die Influencerin (d.Red: Vreni Frost/neverever.me) fördert mit ihren Beiträgen über Kosmetikartikel den Absatz des von ihr vertaggten Unternehmens.

Es kam den Richtern nicht darauf an, ob sie dafür bezahlt wurde, oder ob das ihre Absicht war oder nicht. Allerdings könnte ein Gericht in Zukunft durchaus auch anders urteilen. Es gibt noch keine höchstrichterliche Klärung für diese Fragen.

Wo sehen Sie Klärungsbedarf?

Das Urteil des LG Berlin hat nach unserer Wahrnehmung zu Unsicherheiten geführt. Ist es Influencern nun nicht mehr ohne Kennzeichnung "erlaubt", Accounts von Unternehmen zu vertaggen, mit denen sie keine Kooperation haben? Wie sieht es mit dem Vertaggen anderer Influencer aus?

Und vor allem haben Influencer mir diese Frage gestellt: "Darf man gar nicht mehr einfach begeistert über ein Produkt schreiben, das man selbst gekauft oder getestet hat, ohne den Beitrag 'Werbung' zu nennen?" Hier wäre weitere Rechtsprechung wünschenswert, die ganz konkret Blogger-Beiträge ohne finanzielle Gegenleistung beurteilt.

Aus Unsicherheit kennzeichnen viele Blogger gezeigte Produkte jetzt generell als Werbung, auch wenn es keine ist. Ist das nicht eine Ungleichbehandlung gegenüber Frauenzeitschriften, die redaktionell ausgewählte Produkte vorstellen, ohne sie als Werbung zu kennzeichnen?

Das Verhalten der Blogger nach dem Berliner Urteil ist verständlich, gerade wenn sie sehr positiv über ein Produkt sprechen. Letztlich kommt es immer auf die Gestaltung des Posts an: Wertet ein Gericht im Streitfall den Beitrag als redaktionellen, unabhängigen Inhalt oder Werbung?

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gilt der Inhalt eines Medienunternehmens dann als "redaktionell",  wenn der Beitrag  seiner Gestaltung nach als objektive, neutrale  Berichterstattung erscheint. Diese Grundsätze gelten für Print und Social Media gleichermaßen.

Herstellernachweise und Produktschauen in Printmedien werden aber offenbar anders bewertet als Verlinkungen und Tags bei Influencern. Ist das nicht ungerecht?

Auch in Printmagazinen kommt es auf die Gestaltung des Beitrags an. Nehmen wir beispielsweise eine Frauenzeitschrift, die ein neues Parfum vorstellt: Besteht ein Aufklärungsbedürfnis der Zielgruppe über das jeweilige Produkt? Gibt es einen redaktionellen Anlass? Ist er so geschrieben, dass er der Information für Leser oder in erster Linie zur Werbung für ein Unternehmen dient? Gegen nicht gekennzeichnete, redaktionell gestaltete Werbung im Printbereich gehen wir schon seit Jahren vor.

Hinter der Abmahnwelle gegen Influencer steckt auch der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW), dem offenbar auch Verlage angehören. Wie bewerten Sie das Vorgehen des Vereins aus wettbewerbsrechtlicher Sicht?

Uns sind bislang nur die öffentlich gewordenen Gerichtsentscheidungen des Verbandes bekannt. Kenntnis von den konkreten Inhalten außergerichtlicher Verfahren haben wir nicht. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir die Vorgehensweise des VSW nicht bewerten können. 


Autor: Judith Pfannenmüller

ist Korrespondentin für W&V in Berlin. Sie schaut gern hinter die Kulissen und stellt Zusammenhänge her. Sie liebt den ständigen Wandel, den rauhen Sound und die thematische Vielfalt in der Hauptstadt.