
Interview:
"Pardon nimmt sich Typen vor, mit denen man nicht rechnet"
"Pardon" kommt am 6. Dezember als Jubiläumsausgabe zurück an den Kiosk. Was den Leser erwartet - das verraten die Chefredakteure Peter "Bulo" Böhling und Daniel Häuser im Interview mit W&V Online.
Das Satiremagazin "Pardon" kommt am Donnerstag wieder an den Kiosk – als Jubiläumsausgabe 50 Jahre nach Gründung in Frankfurt. Dahinter steht der frühere Chefredakteur von "Focus", "Cicero" und "Welt", Wolfram Weimer, als Verleger. Als Chefredakteure wirken Peter "Bulo" Böhling und Daniel Häuser, bekannt als Herausgeber des People-Magazins "Clap". Sie haben einst auch bei W&V gewirkt. Wer nun die spitze Feder für "Pardon“ schwingt, wie sich Satire im Jahr 2012 liest und wann es Bier gibt – das erzählen Bulo und Häuser im Interview mit W&V Online.
Satire sollte spitz und auch mal böse sein. Wem müsst Ihr mit der Geburtstags-Ausgabe ein "Pardon" zurufen?
Peter "Bulo" Böhling: Wenn man nicht mit dem Holzhammer draufhaut, sondern mit der spitzen Feder an Themen herangeht, kann man mitunter mehr Wirkung erzielen, ohne dass alles zu Matsch wird. Entschuldigen muss sich das "Pardon"-Team bei niemandem, obwohl der eine oder andere natürlich eine mitbekommt.
Daniel Häuser: Wir haben dafür gesorgt, dass sich "Pardon" ein paar Typen vornimmt, mit denen man nicht rechnet. Wir lassen Klaus Kinski als Karikatur zu Wort kommen; was würde er wohl zu dem einen oder anderen Politiker von heute sagen? Oder "Zeit"-Kolumnist Harald Martenstein: Im Ressort "Moneten" lässt er sich über die Geldgewohnheiten der Südeuropäer aus. Martenstein gibt ganz persönliche Eindrücke zum Besten, wie rätselhaft einige Südländer mit Geld umgehen. Schön zu lesen, nachvollziehbar und zugespitzt.
"Clap" lebt vom kessen Zeichenstrich, "Pardon" tat es auch. Gibt es im Jubiläums-Heft Karikaturen aus der Feder von Bulo?
Bulo: Ja, ich habe es tatsächlich geschafft, ein paar lieblos hingehuschte Zeichnungen an der "Pardon"-internen Qualitätskontrolle vorbeizumogeln (lacht)...Es stehen aber ganz andere im Vordergrund, die richtig gut karikieren können – darunter Jojo alias "Beetlebum", der die Ressort-Aufmacher gestaltet hat. Wichtig war uns, dass Text und Illustration immer genau aufeinander abgestimmt sind.
Wie habt Ihr Euch vorbereitet? Das alte "Pardon" gelesen?
Häuser: Wir haben hier stapelweise alte Ausgaben der "Pardon" liegen! Sind auch in Kontakt mit dem Gründer Hans A. Nikel, der heute über 80 Jahre alt und schon ganz gespannt ist, wie wir seine Idee fortführen. Aber keine Sorge: Wir haben ein zeitgemäßes Heft gemacht, das heute an den Kiosk passt.
Habt Ihr auch Autoren des Ur-"Pardon" gewinnen können?
Bulo: Zu ihnen gehört unter anderem Gerhard Zwerenz. Klassiker wie Woody Allen sind ebenfalls dabei. Insgesamt haben wir aber mehr Augenmerk auf aktuelle Autoren gelegt – dazu gehören die "Spiegel"-Bestseller-Autorin Katja Berlin ebenso wie Top- Blogger Christian Sickendieck oder "SZ"-Streiflicht-Mann Hilmar Klute.
Häuser: Die Mischung ist wichtig – nicht nur große Namen kommen vor, sondern auch die Menschen aus dem Netz, die Beachtung in gedruckter Form verdienen. Darüber hinaus beantwortet der Kommunarde Rainer Langhans, der aktuell für die Piraten unterwegs ist, auf erstaunlich konventionelle Weise wichtige Fragen des Lebens. Okay, er ist kein typischer Spaßvogel – dafür die Überraschung aber größer, dass ausgerechnet er in einem Satire-Magazin auftaucht.
Wie viel Satire steuert Satire-Liebhaber und "Pardon"-Herausgeber Wolfram Weimer bei?
Häuser: Er hat einen Einseiter gestaltet – konnten wir gerade so durchgehen lassen. Aber mal im Ernst: Viele Kontakte und manche Anregungen kamen in der Tat von ihm.
Bulo: Weimer geht zum Lachen übrigens auch nicht in den Keller.
Ihr wolltet Euch im Karikaturen-Museum Olaf Gulbransson am Tegernsee inspirieren lassen, wo Redaktionssitzungen des einstigen "Simplicissismus"-Magazins stattgefunden haben. Und Satiriker, Comedians oder Schriftsteller wie Dieter Nuhr, Eckart von Hirschhausen und Harald Schmidt sollten Euch zusätzlich beflügeln... Hat‘s funktioniert?
Bulo: Das Gulbransson-Museums hatte tatsächlich einen symbolischen Wert. Es kamen einige spannende Anregungen durch die Situation dort – also die ganzen Polts, Buschs oder Ducks, die da rumgeistern. Überwiegend haben wir aber in der Redaktion in München gearbeitet. Eckart von Hirschhausen kann auch ja nicht mal eben für ’ne Stunde an den See reisen. Die Arbeit hier zu zentralisieren war auch für uns gut: Wir mussten viel Zeit investieren und alles aufbauen – Layout, Typographie, Konzept. Dafür ist eine Struktur mit einem fixen Team wichtig. Ob es auch Bier gab? Immer erst ab zwölf!
Womit rechtfertigt Ihr den Anspruch auf den Titel "Pardon"?
Häuser: Es kann schon sein, dass der eine oder andere der früheren und mittlerweile ergrauten Leser von damals sagt: Oh, die "Pardon" erkenne ich auf den ersten Blick gar nicht wieder! Aber wir wollten ja auch ein Magazin an den Kiosk bringen, das zeitgemäß ist.
Bulo: In einer Zeit, in der CDU und Grüne mitunter das Gleiche im Parteiprogramm stehen haben, müssen Sie anders an die Dinge herangehen. Der Untertitel lautet: "Feinsinn. Unsinn. Hintersinn". Das spielt auf die spitze Feder an, die auch das Ur-"Pardon" schwang.
Satire in Deutschland ist so eine Sache, die "Titanic" hat den Vatikan und den Presserat gegen sich. Hat das Team einen guten Anwalt zur Seite?
Bulo: Ist ein Thema immer nur dann gut, wenn ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird? Provozieren ist leicht. Aber die Frage ist, ob so der gewünschte Effekt erzielt wird. Die Gratwanderung wird woanders oft nicht eingehalten. Bei "Pardon" bringen wir einen eigenen Stil ins Spiel. Einen Anwalt braucht es da nicht.
Was muss passieren, damit "Pardon" wieder regelmäßig auf den Markt kommt?
Häuser: Klar – es müssen viele Leser am Kiosk fünf Euro für das Heft auf den Tisch legen (lacht). Wir sind aber positiv gestimmt, dass viele der 70.000 Exemplare verkauft werden können. Wir wissen aber, dass das heute nicht mehr selbstverständlich ist.
Bulo: Wir freuen uns über jeden Leser, der Spaß am Heft hat. Was uns aber viel wichtiger ist: Wir durften bei "Pardon" ohne wirtschaftlichen Druck unsere journalistische Arbeit machen. In Zeiten, in denen so viele Printprodukte eingestellt werden, ist es schon geil, ein Magazin auf den Markt bringen zu können, weil man dazu einfach Lust hat!