Neben der Finalisierung von "Pussy Diary" umfasste der Vertrag gleich ein zweites Buch. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet und schon gar nicht mit dem Timing. Der Erscheinungstermin von "Pussy Diary" wurde auf Mitte Juli festgelegt. Manuskript-Abgabe für das zweite Buch sollte schon Anfang Oktober sein. Ich hatte davon keine Zeile geschrieben, aber immerhin eine Idee, die zwar Suzette noch als Figur enthielt, aber auch eine erzählerische Weiterentwicklung sein sollte.

Die Storyline gefiel Eliane Wurzer. Aber wann um alles in der Welt sollte ich das zweite Buch schreiben? Langsam stieg mir die Doppelbelastung Beratungsjobs und Buchprojekt über den Kopf. Mein Gehirn ratterte ohne Pause, ich kränkelte ständig und konnte 18 Stunden am Stück schlafen. Ich musste eine Entscheidung treffen, auch wenn sie finanziell schmerzlich war. Wenn ich das mit den beiden Büchern durchziehen wollte, musste ich meine PR-Projekte runterfahren. Und genau das tat ich, auch wenn mein Steuerberater im Frühjahr die Hände über dem Kopf zusammen schlug.

Rund um Ostern mietete ich mir zehn Tage eine abgelegene Wohnung auf Sylt, um das zweite Buch zu beginnen. Was sich nach romantischem Autorendasein anhört, ist am Ende knallharte Schreibdisziplin. Jeden Morgen stand ich früh auf, ging eine Stunde am Strand spazieren, um meine Gedanken zu ordnen und zu überlegen, was ich als nächstes schreiben wollte. Spätestens um 10 Uhr saß ich am Laptop und schrieb – je nach Flow – bis abends durch. Erst dann spazierte ich nach List rein oder zur Buhne 16, um mich mit Essen und einem Glas Sauvignon Blanc zu belohnen. Spätestens um 23 Uhr lag ich im Bett, nicht ohne mir vorher noch Notizen für den nächsten Tag gemacht zu haben. Nur einen Tag gönnte ich mir eine Pause, um eine Ex-Kollegin von früher zu treffen, die auch auf der Insel war. Und über Ostern erlaubte ich mir mal mit Freunden zum Frühstücken und Abendessen zu gehen.

So ging das jeden Tag – früh aufstehen, sich beim Spaziergang sortieren, hinsetzen, schreiben - und ich liebte es. Ich hatte mich mittlerweile in einen wahren Rausch geschrieben. Mir nur wenigen Notizen und Grundideen für Charaktere war ich auf der Nordseeeinsel gelandet, nach zehn Tagen fuhr ich mit 90 Seiten Manuskript zurück nach Hamburg. Von den sich ändernden Wetterlagen inklusive Sturm kurz vor Ostern bekam ich kaum etwas mit.

Die Verhandlungen um den Vertrag liefen derweil immer noch. Um jeden Posten wie Hörbuchrechte, Mitspracherecht bei Covergestaltung, Printrechte wurde gerungen. Immer wieder musste mich meine Agentin beruhigen, dass das alles ein ganz normaler Prozess sei, denn mich beschlich mitunter die Angst, das Ganze könnte doch noch platzen. Daher hatte ich meiner Familie noch gar nichts von dem Buchprojekt erzählt.

Dann kam der erste Vorschlag für die Gestaltung des Buchtitels und ich todunglücklich. Da hatte wohl jemand daran gewerkelt, der das Buch nicht wirklich kannte und ihm unter anderem Schnörkelschrift verpasst. Heiner Rogge rettete mir und dem Cover den Arsch und alle waren happy. Inzwischen war der April fast vorbei und der Vertrag immer noch nicht unter Dach und Fach. Ich ging derweil mit einer Lektorin den Text von "Pussy Diary" nochmal auf Ungereimtheiten durch. Wir hatten lustiges Mail-Ping-Pong etwa um die Schlüssigkeit von Sex-Stellungen.

Anfang Mai trafen meine Agentin und ich das Verlags-Team erstmals persönlich in Berlin. Die Stimmung war gut. Liesa und Barbara, zwei moderne junge Verlagsfrauen, konnten ganze Abschnitte aus meinem Buch zitieren, die ich schon längst vergessen hatte. Ich war geflasht und hatte das Gefühl, das passt alles super. Dennoch hing zu diesem Zeitpunkt der Vertrag am seidenen Faden. Ein Vertragsbestandteil war über Wochen strittig geblieben, und es gab ein klares Signal, dass dieser Punkt ein Dealbreaker sei.

Verhandlungen sind am Ende ein Nehmen und Geben, keiner will sein Gesicht verlieren, beide Seiten haben unterschiedliche Interessen. Aber wenn man etwas zusammen machen will, macht man das auch und sortiert sich unter Erwachsenen. So war es am Ende, und ich unterschrieb meinen ersten richtigen Autorenvertrag über zwei Bücher im Juni 2015.

Eigentlich hätte ich jetzt mal den Champagner aufmachen können. Stattdessen saß mir das zweite Buch im Nacken. Seit meinem Aufenthalt auf Sylt hatte ich nicht mehr ins Manuskript geguckt. Und da alles so enthusiastisch auf "Pussy Diary" reagierten, fühlte ich mich immer unsicherer, ob das zweite Buch auf der Höhe des ersten war. Vielleicht hatte ich ja in meinem Schreib-Retreat über Ostern nur Mist produziert?

In der nächsten Folge: Auch Sex braucht Content Marketing - die Facebook-Strategie von Suzette Oh.

Bisher erschienen:

Folge 1: Wie wird man eigentlich Erotik-Autorin?

Folge 2: Ich brauche eine Agentur