
Bundestagswahlkampf 2017:
"Unentschiedene Wähler erreicht man nicht über Social Media"
Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider (Uni Hohenheim) erklärt, welche Funktion Wahlplakate auch in Zeiten von Social Media noch haben.

Foto: Uni Hohenheim
Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider (Uni Hohenheim) erklärt, welche Funktion Wahlplakate auch in Zeiten von Social Media noch haben.
Professor Brettschneider, sind Wahlplakate in Zeiten von digitalen Medien reine Geldverschwendung?
Nein, sind sie nicht. Wahlplakate sind allgegenwärtig, werden von fast allen Menschen wahrgenommen. Damit sie wirken, müssen sie aber gut gemacht sein. Das sind sie oft nicht. Die Kopfplakate von Direktkandidaten, die keine Botschaft transportieren, sind beispielsweise herausgeschmissenes Geld.
Welche Funktion haben Plakate, außer daran zu erinnern, dass Wahlen stattfinden?
Gute Plakate rufen das Thema in Erinnerung, bei dem eine Partei als kompetent angesehen wird. Am besten können das Bildplakate. Statt ein „Bildung“ zu schreiben ist es besser, Kinder in einer Schulklasse abzubilden. Das bleibt besser in Erinnerung. Die Grünen haben schon einmal besser für Klimaschutz geworben – mit dem blauen Planeten als Symbol. Der Magentaball ist dagegen ein Rückschritt.
Die Wahlkampfausgaben fokussieren sich nach wie vor auf die klassischen Maßnahmen. Führt Deutschland im Vergleich zu Frankreich oder den USA einen vormodernen Wahlkampf?
Das würde ich nicht sagen. Für Bundestagswahlen sind nach wie vor die klassischen Mittel ausschlaggebend: Medienberichterstattung, TV-Spots, Hausbesuche.
Die Möglichkeiten von Social Media werden kaum genutzt. Woran liegt das?
Social Media können intern mobilisieren und koordinieren. Menschen nutzen in sozialen Medien nur die Botschaften, die ohnehin zu Ihrer Meinung passen. Die Algorithmen spielen ihnen auch nur solche Informationen zu. Man wird in sozialen Netzwerken kaum mit anderen Meinungen konfrontiert, so entsteht eine „eigene“ Wirklichkeit. Unentschiedene Wähler erreichen sie auf diese Weise kaum.
Kann das in Zukunft so bleiben oder müssen sich Kommunikations-Mix und Budgets verändern?
Der Einsatz von Big Data wird für eine zielgruppengenaue Ansprache wichtiger werden. Das wird den klassischen Wahlkampf nicht ersetzen, ihn aber ergänzen. FDP und Grüne haben als kleinere Parteien mit klarem Profil mehr Möglichkeiten, über unentschiedene Teilzielgruppen zu erreichen, die FDP zum Beispiel Apotheker. Die Volksparteien müssen aufpassen, dass sich ihre Botschaften an verschiedene Zielgruppen zum gleichen Thema nicht wiedersprechen, einfach weil die Vielfalt der Wählergruppen größer ist.
Seine Meinung zu aktuellen Wahlplakaten können Sie auch hier nachlesen.