
Leiser Ton, leise TV-Spots:
"Wenn sich Bürger nicht mehr aufregen, ist für die Werbung viel erreicht"
Volker Nickel vom ZAW hebt die Vorteile der neuen Tonnorm in TV und Werbung hervor. Zur IFA haben alle Sender leiser gedreht.
Seit 1. September gilt die neue Tonnorm der Europäischen Rundfunkunion (EBU R-128) – und Fernsehwerbung und -programm kommen seit der IFA senderübergreifend leiser daher. Den Wechsel hat der Zuschauer kaum bemerkt; nirgends wurde dafür getrommelt. Die Marktpartner indes zeigen sich zufrieden mit der Umstellung, die allzu große Sprünge zwischen den Lautstärken der einzelnen Sender beziehungsweise zwischen Programm und Werbeinseln ausräumen soll. Stellvertretend sagt Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der Werbewirtschaft (ZAW). "Die Umstellung wirkt sich positiv auf Fernseh-Spots aus: Wenn sich die Bürger nicht mehr aufregen, dann ist für die Werbung viel erreicht." Unter dem Dach des ZAW sei die Umstellung mit allen Partnern – Sender, Werbekunden, Agenturen, Produzenten – "sehr sorgfältig" vorbereitet und dementsprechend positiv über die Bühne gebracht worden, hebt Nickel hervor.
Im Nachgang zeigt sich auch der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA e.V. "sehr zufrieden" mit dem reibungslosen Übergang, wie Steffen Gentis betont. Vor allem, dass die Fernsehindustrie dem GWA-Ruf gefolgt sei, gleichzeitig umzustellen. "Wir waren sehr von den Privaten und Öffentlichen Sendern beindruckt, weil dieses Zusammenspiel so reibungslos funktioniert hat. Auch der ZAW spielte eine wichtige moderierende Rolle dabei", so Gentis. Er ist Vorsitzender des Forums Filmproduktion im GWA und Head of TV von BBDO Proximity.
Hintergrund: Der GWA hatte sich Ende 2011 in die Diskussion um die neue Tonnorm der Europäischen Rundfunkunion eingeschaltet. Das "Forum Filmproduktion" innerhalb des Agenturverbands wollte nämlich im Fall der Werbespots nicht, dass die ARD und ihre Werbetochter – wie geplant – Anfang 2012 vorpreschen, sondern dass alle öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sender gleichzeitig auf die neue Norm umstellen. So wollte der GWA Werbungtreibende vor einem Mehraufwand für zusätzliche Tonmischungen und Sendekopien für ihre Werbefilme bewahren – was jetzt mit dem einheitlichen Schwenk zur IFA gelungen ist.
Die EBU-Tonnorm berücksichtigt vermehrt die subjektiv wahrgenommene Lautstärke. Sie gilt für das gesamte Programm. Im absoluten Vergleich kommt Werbung allerdings deutlich leiser daher. Die ARD und ihre Werbetochter AS&S waren die ersten, die Kunden auf den Wechsel eingestimmt haben. Ausgangspunkt der gemeinsamen Vorgehensweise ist eine neue internationale Empfehlung der EBU zur Lautheitsmessung und -aussteuerung. Die neue Generation von Messgeräten ermöglicht nun die Aussteuerung nach "Lautheit" und löst damit die bisher bekannte Spitzenpegelmessung ab. Die Dramaturgie leider allerdings nicht: Gewisse Tonhöhen- und -tiefen bleiben in einem Beitrag oder Spot erhalten; ein Schrei wird nicht einem Flüstern angepasst.