
Social TV:
"Wetten, dass...?" und der Second-Screen-Pilot
Wetten, dass das ZDF mit seinem Second-Screen-Konzept für Diskussionen sorgt? Markus Lanz' Premiere sorgte für viel Aufmerksamkeit im Netz. Gerade auch die Second-Screen-App, an die sich der Sender wagte. Ein Jungfernflug mit Startschwierigkeiten.
Für die altehrwürdige Familien-Show "Wetten, dass...?" war es ein wichtiger Moment und auch ein Wagnis, als Markus Lanz vergangenen Samstag seine Premiere feierte. Das Fragezeichen im Show-Titel hängten einige schließlich auch hinter Lanz, die Chancen eines veränderten Show-Konzepts und die Frage, ob diese Sendung überhaupt noch zum veränderten Mediennutzungsverhalten passt. Einschaltquote wie das Ausmaß der Netzdiskussionen haben gezeigt: Das Interesse am Format besteht. Fast 70.000 Nennungen allein auf Twitter verzeichnet eine Social-Media-Kurzanalyse von Volker Meise, Leiter Social Media Monitoring bei Altares Mediamonitoring.
Den Nährboden für die aus digitaler Sicht interessanteste Neuerung am Format, die begleitende Second-Screen-App zur Show existierte also. Und gerade über die wurde viel geschrieben und gepostet nach der Sendung. Videopunk Markus Hündgen etwa trieben die verpassten Chancen in der Verdrahtung zwischen TV- und Zweitbildschirm das Wasser in die Augen und auch das "Digitale Quartett" ermittelte ausführlich am Tatort "Wetten, dass...?" im Web. Für Lead-Digital.de sah Sabine Haas mehr Schaden als Nutzen im Second Screen, Guido Bülow skizzierte, wo das ZDF noch nachbessern sollte.
Über 1.000 Blog-Einträge, 2.500 Forentexte und 4.400 Artikeln verzeichnet Meises Auswertung. Einiges an der Kritik im Netz war konstruktiv, ermutigend. Anderes weniger. "Das, was an Kritik kam, war teilweise begründet und nachvollziehbar. Einiges war aber auch polemisch", sagt auch Jens Schmidt, Kreativdirektor bei Moccu, der für die Web-App verantwortlichen Agentur. Er - wie das ZDF - waren mit dem Auftakt durchaus zufrieden. Trotzdem gilt: "Es gab einige gute Anregungen, die wir aufgenommen haben."
Zu einem Kritikpunkt konnten Moccu wie das ZDF ohnehin nur zustimmend nicken: Die oft bemängelte Einbahnstraßennatur am Samstagabend, bei dem die App sich zwar auf Show-Inhalte bezog, selbst aber nicht im TV vorkam. "Wir hatten zur ersten Sendung mehr an Integration geplant, das musste aufgrund technischer Schwierigkeiten kurzfristig gekippt werden. Aber es wird kommen", sagt Alexander Pfeiffer, Redakteur in der zuständigen HR Neue Medien Zentralredaktion. Technische Schwierigkeiten vor Ort, wohlgemerkt, nicht seitens der App. Die sieht Dinge wie das Aufgreifen der Nutzer-Votings zu den Wetten durch das TV-Team durchaus vor, was das Publikum vor dem zweiten Bildschirm schon stärker einbinden würde.
"Die Verzahnung zwischen TV und Web-App ist das, was Second Screen ausmacht", sagt auch Nicole Fuhr, seitens Moccu zuständige Projektleiterin bei der App. "Diese Interaktion war in der ersten Ausgabe tatsächlich einseitig." Am Konzept habe das aber nicht gelegen - an Verzahnung war und ist mehr geplant.
Andere Verbesserungen werden das Balancing zwischen TV und Second Screen betreffen. "Das Timing der Botschaften, wann Sie Videobeiträge bringen können, wann kleinere Infos, lässt sich noch optimieren", sagt Schmidt. Denn sowohl im Neben- als auch im Miteinander der Kanäle muss sich nicht nur das ZDF in die richtige Verteilung einfinden. Es muss auch die breite Zielgruppe seiner Samstagabend-Show mitnehmen. "Das ist eine große Herausforderung, was den Second Screen angeht. Dazu müssen wir jetzt Erfahrungen sammeln", erklärt Pfeiffer. "Gute Second-Screen-Konzepte müssen für die Fans des Formats gemacht sein. Die ticken anders als diejenigen, die die ganze Zeit im Netz unterwegs sind." Das zeigt auch das Feedback, das das ZDF erhalten hat: Einigen geschah in der App zu wenig, anderen schon zu viel. Hier geht es für die Show- wie Online-Redaktion darum, eine Balance für das eigene Publikum zu finden. In Konkurrenz geraten sollen die beiden Bildschirme schließlich nicht - und welcher für das ZDF den Vorrang genießt, dürfte auch klar sein.
Das erste interne Fazit fällt jedenfalls positiv aus. "Wir sind gut gestartet. Jetzt bauen wir darauf auf", sagt Pfeiffer. Schmidt ergänzt: "Sie müssen die App als Pilot sehen, der jetzt verfeinert und verbessert wird." Gewisse Startschwierigkeiten kann man Piloten beim Jungfernflug schon einmal nachsehen. Es wird interessant sein zu beobachten, was an Verdrahtungen mit der nächsten Show hinzukommt. Und wann tatsächlich auch Nutzeräußerungen aus der App im Fernsehen auftauchen. "Wenn dann etwa Tweets in der Sendung aufgegriffen werden, erhöht das auch die Motivation der Zuschauer, mitzumachen", meint Schmidt. Das wiederum könnte als Feedback-Schleife auch die App stärken. Ganz generell liegen die Chancen einer gestärkten, integrativeren Second-Screen-Anwendung bei "Wetten, dass…?" für andere Medien auch darin, Erfahrungswerte zu sammeln. Bevor sie eigene Wetten darauf abschließen, welche Second-Screen-Konzepte für Mainstream-Formate funktionieren.