Nachdem man den langjährigen Medienchef Tobias Kaufmann vor die Türe setzte, der sich einklagte und man sich erst im November 2020 mit ihm einigte, installierte Präsident Werner Wolf den Kommunikationsberater Jürgen Homeyer als Interimslösung für die Medienabteilung. Homeyer betreibt eigentlich eine Agentur in Düsseldorf, doch seine Laufbahn ist geprägt von kurzzeitigem Einspringen. Wie er selbst auf seinem LinkedIn Profil skizziert, ist er der Mann für wenig Nachhaltigkeit: Mal acht Monate bei Ergo, vier Monate bei Siemens, dann sieben Monate FC. Ihm vertraute der Vorstand um den Präsidenten Werner Wolf blind, im wahrsten Sinne des Wortes.

Homeyer wurde unter anderem mit der Suche eines Nachfolgers für Kaufmann beauftragt. Über Monate hinweg lief das Auswahlverfahren und das Rennen machte ausgerechnet der Ex-Bild-Mann Fritz Esser. Alleine seine Vergangenheit hätte dem Vorstand zu denken geben müssen, denn dieser weiß: Bild und die Mitglieder des 1.FC Köln, das passt so gut zusammen wie Bodo Ramelow und Clubhouse. Es ist ein Candy Crush! Komplett blind vor Glück einen Kaufmann-Nachfolger gefunden zu haben, hatten weder Berater Homeyer noch der gesamte Vorstand einen Blick auf das geworfen, was Esser kommunikativ in der Vergangenheit von sich gegeben hat. Zu seiner Bild-Zeit positionierte er sich als Hardliner gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. In den sozialen Netzwerken beklatschte er die AfD (mindestens waren seine Posts so zu verstehen), zudem hatete er die Fans des 1.FC Köln hart ab, beschimpfte sie als Chaoten.

FC-Geschäftsführer Alex Wehrle jubelte am Montag in der Pressemitteilung: „Fritz Esser passt hervorragend zu uns. Er ist ein Profi als Journalist und als vielseitig erfahrener Kommunikationsexperte. Er bringt daher die besten Voraussetzungen mit, um unsere Medien-Aktivitäten erfolgreich auszubauen und weiterzuentwickeln“. Wenn es eine Karnevalssitzung gewesen wäre, und Wehrle hätte sich selbst auf die Schippe genommen, wäre es ein Lacher gewesen. Aber dieses Statement meinte er durchaus ernst. Aus Überzeugung. Das Auswahlverfahren muss unfassbar hart gewesen sein. So hart, dass weder Wehrle noch der Präsident, noch irgendein Vorstandsmitglied auf das ein Auge hatte, was der neue Medienchef medial so „kompetent“ von sich gab. Zudem hatte der gesamte Vorstand die Charta des 1.FC Köln nicht gelesen. Ein zentraler Punkt dieser Charta: „Unsere Werte: Wir wollen Toleranz, Fairness, Offenheit und Respekt“. 

Mike Kleiß ist Gründer und CEO der Kommunikationsagentur GOODWILLRUN.

Mike Kleiß

Die Hausaufgaben, die Berater Homeyer und der Vorstand nicht gemacht hatten, erledigten nun die FC-Mitglieder. Und sie wurden fündig. Überall. Der „Profi als Journalist und Kommunikationsexperte“ hatte öffentlich überall seine Spuren in Form von Meinung hinterlassen. Meinung kann man haben. Haltung auch. Nur muss man dann eben auch zu den Konsequenzen stehen. Ebenso musste Fritz Esser akzeptieren, dass die FC-Mitglieder eine andere Meinung hatten und haben. Und dass sie die Meinung klar vertraten: Bild, Esser und die FC-Charta, das passt nicht zusammen. Mit prominenter Hilfe von FC-Ikone Lukas Podolski, Comedian Caroline Kebekus und vielen anderen, machten die Mitglieder mobil. In kurzer Zeit wurden per Online Petition über 6000 Unterschriften gegen die Personalie gesammelt. Medial war es zuerst der Kölner Express, der mit FC-Reporter Alexander Haubrichs immer ein kritisches  Auge auf den Verein wirft, der nun die Mitglieder unterstützte. Die gesamte Kölner Presse zog nach, dann Kicker, 11Freunde und viele mehr.  Zuviel für Präsident Wolf und den Vorstand.

Nach kurzer Zeit gab der Verein bekannt, dass man den Vertrag mit Esser aufgelöst hatte. Auch Berater Homeyer war Geschichte. In nur zwei Tagen entstand ein Desaster auf allen Ebenen. Der sowieso schon schwache Vorstand schwächte sich derart selbst, dass er keine Berechtigung mehr hat. Ebenso beschädigte er einen neuen Mitarbeiter, bevor dieser überhaupt angefangen hatte. Er steht jetzt ohne Job da. Der Profi-Journalist und Kommunikationsexperte hätte vielleicht Nachhilfestunden in Kommunikation nehmen sollen. Auch eine Social-Media-Beratung ist überall für wenig Geld zu bekommen.

Ebenso wäre es gut gewesen, sich ausreichend über die Marke 1.FC Köln zu informieren. Meist ist es ja so: Man erkundigt sich über seinen neuen Arbeitgeber, bevor man anfängt. Die Markenarbeiter bei Bild und Chefredakteur Julian Reichelt sollten endlich darüber nachdenken, die Marke Bild dringend in die positive Marken-Transformation zu schicken. Das Image der Marke ist schlechter denn je. Wer als Journalist bei Bild gearbeitet hat, muss auch danach die Chance auf einen adäquaten Job haben. Es kann und darf grundsätzlich kein Problem sein, bei Bild zu arbeiten. Wenn man aber nach der Bild-Karriere um seine Zukunft bangen muss, dann stimmt etwas mit der Marke nicht. 

Die Posse um Fritz Esser macht jedoch auch Positives sichtbar: Der Markenkern des 1.FC Köln ist komplett gesund. Das Herzstück der Charta „Toleranz, Fairness, Offenheit, Respekt“ wird gelebt, auch wenn der Vorstand nur noch sterbliche Überreste einer professionellen Struktur und Führung zeigt.  Die Mitglieder haben demokratisch gehandelt und entschieden: Nicht der Vorstand macht die Marke, es sind die Fans als Grundpfeiler einer starken Marke. 

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Autor: Mike Kleiß

Mike Kleiß ist Gründer und CEO der Kommunikationsagentur GOODWILLRUN. Für Focus-Online schreibt der passionierte Läufer als Kolumnist, in seinen Podcasts spricht er über Hunde und Fussball. Als Kommunikations-Stratege berät er internationale Marken. Der gelernte Journalist lebt für Marken und Medien, und darüber schreibt er regelmäßig bei W&V.