
Kolumne Markenlage:
Adidas und die Frage nach dem Image
Kolumnist Mike Kleiß ist sich als Krisen-Berater sicher: Der Fall Adidas hat eindeutig gezeigt, dass gerade bei den Love Brands am Ende einzig und alleine der Fan über die Zukunft der Marke entscheidet

Foto: Adidas
Egal ob klassische Medien oder soziale Netzwerke, der Shitstorm war groß. Als sich Adidas Ende März dazu entschloss, im Zuge der Corona-Krise Mieten von Filialen nicht mehr zahlen zu wollen, gab es kein Halten mehr. Kaum ein Medium, das die Love-Brand und den Star-CEO Kasper Rorsted nicht an den Pranger stellte. Der Hate in den sozialen Netzwerken schwappte über. Es passierte in der Folge das, was so oft geschieht: Es wurde zum Boykott gegen Adidas aufgerufen. Es rollte eine Medien-Hate-Kampagne an, die typisch für jede Krisen-Situation ist, vor der jedes Unternehmen Angst hat. Verständlicher Weise. Einer fängt an, viele ziehen nach. Ein wahrer Klick-Tsunami setzt ein, der nicht mehr zu kontrollieren ist, denn diese brutale Welle ist fast immer mit einer toxischen Mischung aus Emotionen aufgeladen.
Die Wucht war so stark, dass sich Adidas kurz darauf entschuldigte, und die Mieten zahlte. Und das war gut so. Denn in der Sache gibt es selbstverständlich keine zwei Meinungen: Ein Konzern, der Gewinne auf Gewinne feiert, kann und darf sich so nicht verhalten.
Als Krisen-Berater erleben KollegInnen und ich immer wieder ähnliche Mechaniken. Man kann sich deshalb gut auf die Abfolgen einstellen. Auch weiß man, was solch eine Medien-Kampagne mit den Menschen macht, die an der Spitze von Love-Brands stehen, die die Marke vertreten müssen. Fehler werden gemacht, jeden Tag. Aber wehe, eine bekannte Marke begeht welche. Und wehe die Marke macht über Jahre Hinweg große Gewinne. Deutschland bleibt das Land der Neider, nur so erklärt sich die Wucht des öffentlichen Shitstorms. Anstatt in die direkte Kommunikation zu gehen, anstatt Lösungen zu suchen, geht der Trend mehr und mehr in Richtung Eskalation. Der Verdacht liegt nahe: Die Fehler von Unternehmen und Marken werden zum Turbo der Online-Klicks. Fakt: Nahezu alle Online-News-Plattformen sind die großen Gewinner der Corona-Krise.
Welcher Schaden am Ende entsteht, das sieht man meist erst dann, wenn die Krise einige Zeit vorüber ist. Im Fall Adidas waren viele Journalisten und Experten sicher: Das Image von Adidas ist zerstört, zumindest habe es massiv gelitten. Die Wirtschaftswoche schrieb am 14.April online: „Im YouGov-Markenmonitor BrandIndex können wir die Auswirkungen solcher öffentlichkeitswirksamer Entscheidungen nachvollziehen. Die Reaktion vieler Verbraucher, aber auch Politiker, lässt erahnen: Adidas hat mit der Entscheidung, die Mietzahlungen einzustellen, Sympathien verloren. Der Buzz, eine Dimension des BrandIndex, die anzeigt, wie positiv oder negativ Nachrichten über eine Marke bewertet werden, macht das in Zahlen deutlich: Der Wert hat sich zeitweise auf ein Niveau verschlechtert, das Adidas seit mindestens fünf Jahren hinter sich gelassen hatte. Auch der allgemeine Eindruck hat messbar schwer gelitten.“
Die Rechnung haben bei diesem Case Journalisten und Experten komplett unter sich ausgemacht. Und haben dabei komplett vergessen: Adidas ist nicht irgendeine Marke. Das Label „Love Brand“ kann man sich nicht erkaufen, man muss es sich hart verdienen. Mit keiner anderen Marke identifiziert sich der Fan so sehr wie mit einer Love Brand. Und genau das macht diese Art von Marke so stark. Ergo: Journalisten und Experten, die schon den Untergang von Adidas prophezeit hatten, lagen falsch. Das Hamburger Mafo Institut Splendid Research hat im Juni 2020 1508 Deutsche zwischen 18 und 69 Jahren zum Thema Sneaker-Marken befragt. Untersucht wurde, welche die bekanntesten Marken sind, wie es um ihr Image steht, wie hoch die Kauf- bzw. Wiederkaufwahrscheinlichkeit ist.
Bei dieser repräsentativen Umfrage gab es ein klares Ergebnis. And the winner is: Adidas!
Mit einem Score von 65,1 von 100. Dazu ein hoher Bekanntheitsgrad von 90,6 Prozent. Viele Journalisten und Experten, die vor allen Dingen das Image von Adidas bereits als zerstört darstellten, sollten allerdings bei folgendem Score Nachhilfe in Markenarbeit nehmen: Die Studie bescheinigt Adidas ein tolles Gesamtmarkenimage mit einem Score von 71,8. Auf Platz zwei folgt Nike, Bronze geht an Puma.
Keine Frage: Die Entschuldigung von Adidas war die einzig richtige Art und Weise, aus der Krise zu gelangen. Die Mieten zu bezahlen, die Enttäuschung ernst zu nehmen. Wir brauchen in Deutschland jedoch dringend eine neue und moderne Kultur der öffentlichen Debatten. Wir brauchen wieder einen Journalismus, der präzise arbeitet. Der sich nicht überhöht und in der eigenen Hybris versackt. Nicht das Image von Adidas hat gelitten. Eher das Image und die Glaubwürdigkeit all der Medien, die in Mutmaßung verfallen sind.