Welcher Schaden am Ende entsteht, das sieht man meist erst dann, wenn die Krise einige Zeit vorüber ist. Im Fall Adidas waren viele Journalisten und Experten sicher: Das Image von Adidas ist zerstört, zumindest habe es massiv gelitten. Die Wirtschaftswoche schrieb am 14.April online: „Im YouGov-Markenmonitor BrandIndex können wir die Auswirkungen solcher öffentlichkeitswirksamer Entscheidungen nachvollziehen. Die Reaktion vieler Verbraucher, aber auch Politiker, lässt erahnen: Adidas hat mit der Entscheidung, die Mietzahlungen einzustellen, Sympathien verloren. Der Buzz, eine Dimension des BrandIndex, die anzeigt, wie positiv oder negativ Nachrichten über eine Marke bewertet werden, macht das in Zahlen deutlich: Der Wert hat sich zeitweise auf ein Niveau verschlechtert, das Adidas seit mindestens fünf Jahren hinter sich gelassen hatte. Auch der allgemeine Eindruck hat messbar schwer gelitten.“

Die Rechnung haben bei diesem Case Journalisten und Experten komplett unter sich ausgemacht. Und haben dabei komplett vergessen: Adidas ist nicht irgendeine Marke. Das Label „Love Brand“ kann man sich nicht erkaufen, man muss es sich hart verdienen. Mit keiner anderen Marke identifiziert sich der Fan so sehr wie mit einer Love Brand. Und genau das macht diese Art von Marke so stark. Ergo: Journalisten und Experten, die schon den Untergang von Adidas prophezeit hatten, lagen falsch. Das Hamburger Mafo Institut Splendid Research hat im Juni 2020 1508 Deutsche zwischen 18 und 69 Jahren zum Thema Sneaker-Marken befragt. Untersucht wurde, welche die bekanntesten Marken sind, wie es um ihr Image steht, wie hoch die Kauf- bzw. Wiederkaufwahrscheinlichkeit ist. 

Bei dieser repräsentativen Umfrage gab es ein klares Ergebnis. And the winner is: Adidas! 

Mit einem Score von 65,1 von 100. Dazu ein hoher Bekanntheitsgrad von 90,6 Prozent. Viele Journalisten und Experten, die vor allen Dingen das Image von Adidas bereits als zerstört darstellten, sollten allerdings bei folgendem Score Nachhilfe in Markenarbeit nehmen: Die Studie bescheinigt Adidas ein tolles Gesamtmarkenimage mit einem Score von 71,8. Auf Platz zwei folgt Nike, Bronze geht an Puma. 

Keine Frage: Die Entschuldigung von Adidas war die einzig richtige Art und Weise, aus der Krise zu gelangen. Die Mieten zu bezahlen, die Enttäuschung ernst zu nehmen. Wir brauchen in Deutschland jedoch dringend eine neue und moderne Kultur der öffentlichen Debatten. Wir brauchen wieder einen Journalismus, der präzise arbeitet. Der sich nicht überhöht und in der eigenen Hybris versackt. Nicht das Image von Adidas hat gelitten. Eher das Image und die Glaubwürdigkeit all der Medien, die in Mutmaßung verfallen sind. 


Autor: Mike Kleiß

Mike Kleiß ist Gründer und CEO der Kommunikationsagentur GOODWILLRUN. Für Focus-Online schreibt der passionierte Läufer als Kolumnist, in seinen Podcasts spricht er über Hunde und Fussball. Als Kommunikations-Stratege berät er internationale Marken. Der gelernte Journalist lebt für Marken und Medien, und darüber schreibt er regelmäßig bei W&V.