
Word of Mouth:
Anti-Marketing-Phänomen: Wie Loom-Bänder die Kinderzimmer erobert haben
Die Rainbow Looms sind ein Hype-Phänomen und mittlerweile nahezu an jedem Kinder-Handgelenk zuhause - dabei haben sie sich nahezu ohne jegliche Marketingimpulse durchgesetzt. Ein Paradebeispiel für das Empfehlungsmarketing.
Der Sommer gehört dieses Jahr einem Gummiband. Kaum ein Handgelenk der Acht- bis 14-Jährigen ist derzeit ohne geknüpftes Loom-Armband zu sehen. Sogar der Papst wurde damit abgelichtet, Herzogin Kate, die Boygroup One Direction, Miley Cyrus und David Beckham sowieso. Und US-Starmoderator Jimmy Kimmel ließ sich aus den Gummibändern einen eigenen Anzug aus Rainbow-Loom-Bändern knüpfen. Das Kuriose daran: Die Silikon-Bänder haben ihren Siegeszug in die amerikanischen und jetzt europäischen Kinderzimmern nahezu ohne klassisches Marketing angetreten. Trotzdem: Bei Amazon Deutschland belegen die Bänder nahtlos die Plätze 1 bis 20 der bestverkauften Spielzeuge. Die Bastelanleitungen sind eigenständig zu Youtube-Hits avanciert: Fünf Millionen Klicks und mehr sind keine Seltenheit.
Allein von den Youtube-Werbeeinnahmen könnte Erfinder Cheong Choon Ng aus Michigan vermutlich gut leben. Seine Töchter hatten ihn auf die Idee gebracht, als sie Haushalts-Gummis miteinander verknüpften. Er legte 10.000 Dollar Gespartes an, um in China die ersten Silikon-Bänder produzieren zu lassen. Allerdings war das öffentliche Interesse zunächst gering, erst als eine US-Spielwarenkette testweise Looms bestellte und sie nach zwei Tagen nachordern musste, war der Trend geboren.
2013 nahm der Boom in den USA Schwung auf, die "New York Times" berichtete über den neuen Gummi-Hype in den Summer-Camps. Für einen kleinen öffentlichen Aufschrei sorgten im Oktober dann die Loom-Verbote an zwei US-Schulen, weil die Kinder nach Meinung der Lehrer zu sehr von den Bändern abgelenkt würden. Bald schwappte die erste Ladung Silkonringe über den Teich. Mittlerweile sind in Deutschland die Loom-Regale in den Spielwarengeschäften immer wieder leer geräumt. Die meistgeklickte Loom-Anleitung hat die 25-Millionen-Marke durchbrochen.
Interessant ist, dass alles ganz ohne die gewohnte professionelle Marketing-Maschinerie funktioniert. Pressearbeit? Marketing? Bislang zumindest in Deutschland offenbar völlig überflüssig. Die deutsche Rainbow-Loom-Website verweist im Pressebereich auf die österreichischen Kollegen. Aber auch nach zehn Tagen Wartezeit wartet die W&V-Redaktion immer noch vergebens auf einen Rückruf der PR-Abteilung. Weitere Kommunikation ist offenbar nicht nötig, solange die Viraleffekte anhalten und die Kinder sich gegenseitig in ihrer Begeisterung anstecken und neue Fans für das Hobby gewinnen.
Simon Wannagat, Leiter der Kundenberatung bei der auf Jugendmarketing spezialisierten Agentur Element of Arts, staunt ebenso über den Erfolg, das sei "ein Phänomen", sagt er. Kopierbar sei das aber nicht: "Wenn das so einfach wäre, würden das ja bereits alle Werbetreibenden so erfolgreich tun." Nach seiner Meinung sind verschiedene Faktoren zusammen gekommen: Kreative Bastelfreude, Attraktivität für Mädchen UND Jungen und natürlich prominente Loom-Fans wie die Boygroup One Direction und Miley Cyrus. "Das bemerken die Kinder natürlich und eifern dem Produkt noch stärker nach."
Ein weiteres Erfolgsgeheimnis sei auch der "Sammelfaktor, der bei dieser Zielgruppe sehr hoch im Kurs steht und die einfache Möglichkeit, die Bänder miteinander zu teilen und zu verschenken". Damit erhalte das Produkt auch "einen wichtigen sozialen und kommunikativen Aspekt." Das Wichtigste aber sind die Empfehlungen von außen - für Jugend-Marketer die beste Erfolgsgarantie. Aus eigenen Erhebungen wisse man: Ohne Hinweise von Kindern und Eltern geht bei Kindern im Grundschulalter kaum etwas.
Die Eltern jedenfalls müssen sich wohl mit der neuen Bastel-Wut ihrer Kinder arrangiert haben - sonst hätten sich die bunten Bändchen nicht so durchgesetzt. Allerdings könnte die Sympathie vielleicht bald ein wenig leiden: Umweltschützer warnen mittlerweile von der Müllberg-Flut, die die nicht abzubauenden Silikon-Produkte nach sich ziehen könnten. Aber bis die Stimmung kippt, kann sich Erfinder Choong Ng auch noch getrost weiterhin billig-verwackeltes Smartphone-Marketing via Youtube leisten: