
Kinomarketing:
Antiheld Deadpool kapert Viacoms Werbeblöcke
Keine Werbung - außer der für den Film "Deadpool": Das machen Viacom und Filmverleiher 20th Century Fox wirklich. Wirklich gut.
Keine Werbung - außer der für den Film "Deadpool" mit Ryan Reynolds: Das machen Viacom und Filmverleiher 20th Century Fox wirklich. Und wirklich gut. Die Marketingstrategie für den Marvel-Film ist eine abseitige - ebenso wie der Superheld, Deadpool, der keiner ist: Rotzig, derb, politisch unkorrekt, nicht mal schön anzusehen, ist er der Gegenentwurf zu allzeit bereiten und recht glatten Helden wie Captain America, Superman und Batman: Bei aller Mühe, die man sich im moderneren Kino mit ihrer charakterlichen Ambivalenz und den Kratzern auf ihrem Saubermann-Image gibt, bleiben sie doch stets unsere Ritter in glänzender Rüstung. Deadpool ist da ganz anders - und das spiegelt sich im Marketing für den Film (Start in Deutschland: 11. Februar) wider: Etwa mit einem Kackhaufen-Emoji auf einem Plakat.
Entsprechend hat "Deadpool" in den USA dort das R-Rating (verboten für Unter-17-Jährige) bekommen, bei uns ist er frei ab 16 (FSK 16: "Bei 16- bis 18-jährigen kann von einer entwickelten Medienkompetenz ausgegangen werden. Problematisch bleibt die Vermittlung sozial schädigender Botschaften. Nicht freigegeben werden Filme, die Gewalt tendenziell verherrlichen, einem partnerschaftlichen Rollenverhältnis der Geschlechter entgegenstehen, einzelne Gruppen diskriminieren oder Sexualität auf ein reines Instrumentarium der Triebbefriedigung reduzieren. Auch die Werteorientierung in Bereichen wie Drogenkonsum, politischer Radikalismus oder Ausländerfeindlichkeit wird mit besonderer Sensibilität geprüft.").
Fox geht nun noch einen Schritt weiter, einen sehr weiten: Die ganze aktuelle Kalenderwoche lang übernimmt der Verleiher alle Werbeplätze von acht Programmen (etwa "Golden Girls", "Teen Mom", "Tosh 0.", "@Midnight with Chris Hardwick") auf fünf Viacom-Sendern. Allein am Montag bedeutete das drei Stunden Filmwerbung bei MTV, VH1 und Spike. Auf diesen dreien sowie Logo und Comedy Central liefen zunächst Warnhinweise zur Übernahme - die schon zeigen, in welche Richtung der Rüpel Deadpool tendiert. Für amerikanische Verhältnisse ist Deadpools Trashtalk schon recht starker Tobak.
Und eine enorme Investition, um die jungen, rebellischen Zielgruppen ins Kino zu locken. Viacom liefere genau das Zielpublikum für Deadpool, erklärte Marketing-EVP Julie Rieger von Fox bei Creativity Online.
Das "größte Übernahmekunststück, das wir je mit einem Partner umgesetzt haben", nennt das Viacom-Marketing-VP Dario Spina, der die Teaser mit der Viacom-Kreativabteilung Velocity umgesetzt hat (zitiert von The Wrap). Clever bricht das Konzept die Trennung zwischen Fernsehgerät und Publikum auf - so wie das Kevin Spacey in "House of Cards" tut, indem er den Zuschauer direkt einbezieht. Und selbst wenn es beim Publikum zum leichten Deadpool-Overkill kommen könnte, werden sich doch manche freuen, der bisweilen noch nervigeren Werbung mit Deadpools Hilfe zu entrinnen. Das nennt man dann dankbares Publikum - und das kann das Kino gebrauchen.
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