Bauer-Anwälte fahren neue Geschütze auf: EV gegen Grosso
Neue Eskalationsstufe im Grossostreit: Das Landgericht Hamburg hat eine Einstweilige Verfügung (EV) des Bauer-Verlags gegen den Grossoverband erlassen. Der Beschluss liegt W&V vor.
Das Landgericht Hamburg hat eine Einstweilige Verfügung (EV) des Bauer-Verlags gegen den Grossoverband erlassen. Der Beschluss liegt W&V vor. Danach darf der Verband vorerst nicht mehr behaupten, Bauer habe Geld für einen Rückzug aus zwei norddeutschen Grosso-Gebieten verlangt.
Zuvor hatte der Verlag vom Grossoverband verlangt, Aussagen einer Pressemitteilung vom 9.März zu widerrufen. Dort schreibt das Grosso, die Bauer Vertriebs KG habe „mindestens in einem Fall die Rückgabe des seit März 2009 laufenden Eigenvertriebs in Elmshorn und Stade an selbstständige Pressegrossisten von der Zahlung einer sechsstelligen Summe an die Konzerntochter Pressevertrieb Nord (PVN) abhängig gemacht.“ Einen Widerruf hatte der Grossoverband allerdings verweigert. „Der Inhalt der Presseerklärung ist richtig“, bekräftigte Grosso-Geschäftsführer Kai-Christian Albrecht noch Anfang der Woche gegenüber W&V.
Wegen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung ist Albrecht derzeit für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Es ist aber absehbar, dass der Verband Widerspruch gegen Bauers EV einlegen wird und es damit in einem Hauptsacheverfahren zu Zeugenbefragungen in der Auseinandersetzung kommen wird. Dort werden neben dem "text intern"-Redakteur, der die Berichterstattung ins Rollen gebracht hatte, aller Voraussicht nach die beiden Grossisten aussagen, die von möglichen Zahlungsforderungen Bauers betroffen gewesen wären.
Bauer hatte im März 2009 zwei Gebiets-Grossisten gekündigt und den Vertrieb seiner Titel an die PVN übertragen. Nun behauptet der Verlag, er habe gar nicht die Absicht, die PVN aus diesen Gebieten zurückzuziehen und bestreitet etwaige Geldforderungen für einen möglichen Rückzug. Der Branchendienst "text intern" hatte mit einem Bericht über angebliche Geldforderungen eine heftige Auseinandersetzung der Anwälte ausgelöst: Seither versucht Bauer Berichte über das mögliche Geschäftsgebahren des Verlags zu verhindern und überzieht verschiedene Fachdienste, die über die Hintergründe berichten ("text intern" "kress", "dnv") mit Unterlassungsbegehren und Widerrufsansprüchen.
Der Fall droht nun aber für Bauer zum PR-GAU zu werden. Denn auch "text intern" will seine Kernaussage (dass für Bauers Rückzug aus den Grossogebieten Gegenleistungen im Raum standen) nicht widerrufen – trotz abgegebener Unterlassungserklärungen und einer Gegendarstellung zur Betragshöhe. Redakteur Rüdiger Stettinski würde dazu in einem Hauptsacheverfahren eine eidesstattliche Versicherung abgeben.
Mit seinem Gebahren isoliert sich Bauer in der Branche zusehends - dazu mehr im Kontakter-Blog -, auch weil sich der Verlag von der "Gemeinsamen Erklärung“ der Branche zum Grossosystem distanziert hat. Dass sich Springer-Vorstand Rudolf Knepper kürzlich "ohne Wenn und Aber“ zum Grossosystem bekannte, wird als Signal an Bauer interpretiert. Es mehren sich Hinweise, dass Grosso und VDZ notfalls ohne Bauer eine gesetzliche Absicherung des Grossosystems anstreben. Das Grosso wird bereits heute in seiner außerordentlichen Mitgliederversammlung über eine Position zur gesetzlichen Absicherung des Grossosystems abstimmen. Der VDZ ringt noch um eine gemeinsame Position.
Am Donnerstag haben sich laut dnv-online auch der Vorsitzende der Medienkommission Marc-Jan Eumann und der Vize-Vorsitzende der SPD, Olaf Scholz zu Wort gemeldet. Sie kritisierten, dass Bauer von der gemeinsamen Erklärung der Branche abrücke und skizzierten bereits mögliche Regelungen zur gesetzlichen Absicherung des derzeitigen Systems. Es bestehe die Option, das Grossosystem im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unmittelbar festzuschreiben, so die SPD-Politiker. Alternativ könnten die in der Gemeinsamen Erklärung festgehaltenen Grundpfeiler per Gesetz festgeschrieben werden und Verlagsbeteiligungen am Grosso gesetzgeberisch ausgeschlossen werden.
Der Bauer-Verlag hat zwar mittlerweile fast alle gegen sich, sieht sich aber trotzdem missverstanden. Man bekenne sich "klar zum deutschen Grossosystem“, heißt es in einer Mitteilung des Verlags. Die Kündigung zweier Grossisten stelle das System keinesfalls infrage. Die aktuelle Diskussion sei eine von "wenigen Personen und verschiedenen Interessenlagen aufgeheizte Debatte, die nicht auf Tatsachen basiere“.