
Auto News Medien:
Blattkritik "Top Gear": Über den Ärmelkanal gehen PS verloren
Die deutsche Erstausgabe des Printmagazins "Top Gear" wirkt wie ein Abklatsch der UK-Variante, die auf dem Weg über den Ärmelkanal etwas an Power eingebüßt hat - meinen die W&V-Kollegen Jan-Philipp Schlecht und Christof Wadlinger.
"Top Gear". Das ist die medienübergreifende britische BBC-Antwort auf die deutsche Übermacht am PS-Himmel. Ab sofort ist sie hierzulande auch in gedruckter Form erhältlich: Nachdem bereits seit zehn Jahren die gleichnamige Fernsehsendung bei verschiedenen deutschen Sendern läuft, ist nun für fünf Euro die Erstausgabe einer deutschen Autozeitschrift unter diesem Namen zu haben. Im UK verkauft der Monatstitel rund 155.000 Exemplare pro Ausgabe. Herausgeber der hiesigen Lizenzausgabe, die auch Österreich und die Schweiz abdeckt, ist der Verlag Auto News Medien, Tochter der Heise Medien Gruppe.
Zum Vorbild im TV: Was die "Top Gear"-Macher Jeremy Clarkson, Richard Hammond und James May wöchentlich auf der Mattscheibe abfeiern, ist (gelinde gesagt) der Wahnsinn. Die drei schweißen einen Raketenantrieb an einen historischen Mini Cooper und lassen ihn eine Skischanze runterdüsen. Oder tuckern mit selbst gebauten Flößen durch den vietnamesischen Ozean. Oder veranstalten ein Wettrennen zwischen einem Bugatti Veyron und einem Kampfjet. Oder oder oder. Eine vergleichbare Sendung muss man in Deutschland mit der Lupe suchen. Und wird trotzdem keine finden. Allerdings läuft "Top Gear" weder zur besten Sendezeit, noch auf einem richtig reichweitenstarken Sender - das Ganze in einer gekürzten Version.
Wer am Kiosk fünf Euro ausgibt, erhält von Chefredakteur Peter Hofmann nun immerhin stattliche 210 Seiten serviert. Gefühlt sind es jedoch 170 Seiten zu viel, allein schon, weil rund 50 Seiten des Heftes aus Tabellen mit Autopreisen und -leistungen von Alfa Romeo bis Volvo gefüllt sind. Dafür greift man aber besser zu diversen Autokatalogen, die Tabellen in etwas größerer Schrift abdrucken. Ansonsten protzt das Heft durchaus mit opulenter Optik und aufgeblasenen Geschichten. Zum Beispiel die: Auf zehn Seiten liefert sich Autor Tom Ford im Bentley V8 ein Wettrennen durch die USA mit einem Zug. Nette Idee - aber zehn Seiten?
Die deutsche Erstausgabe von "Top Gear" wirkt eher wie ein Abklatsch der UK-Variante, die auf dem Weg über den Ärmelkanal etwas an Power eingebüßt hat. Während die englischen Macher den Geschmack ihrer Leser treffen, brettern die Deutschen mit quietschenden Reifen wohl auch deshalb daran vorbei, weil ein Großteil des Heftes aus übersetzten Geschichten aus England besteht. Inwieweit die Übersetzung der britisch-charmanten Ausgeflipptheit, die den Reiz des Originaltitels ausmacht, reicht, um deutsche Leser zu überzeugen, bleibt abzuwarten. Automagazine gibt es hierzulande schließlich jede Menge, und längst nicht nur nüchterne Klassik-Allrounder wie "Auto-Bild" und "Auto Motor und Sport".
"Top Gear" erscheint in Deutschland zunächst in einer Druckauflage von 100.000 Exemplaren. Die Erstausgabe wird über den Sommer am Kiosk ausliegen, eine weitere soll dieses Jahr folgen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist ein zweimonatlicher Rhythmus geplant.
jps/cw