
Rasierer:
Challenger Brands: Wie King of Shaves das "Monster" Gillette herausfordert
King of Shaves inszeniert sich seit Jahren als lautstarker Underdog-Konkurent von Gilette und Wilkinson. Im Interview erklärt King-Manager Tim Wright, wie man damit die Verbraucher und den Handel auf seine Seite bringt.
King of Shaves ist eine Pflegemarke für Männer, hat ihren Ursprung bei Rasierutensilien und fordert seit 20 Jahren energisch und lautstark den riesigen Marktführer Gillette und die Nummer zwei, Schick/Wilkinson Sword, heraus. Obwohl schon lange auf dem Markt bleibt King of Shaves dabei seiner Herausforderer-Rolle treu - es greift den Marktführer explizit an und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf sein eigenes Nutzenversprechen: „50 Prozent mehr Packungsinhalt“, wann immer möglich.
In der Case-Sammlung "Overthrow - 10 Wege, wie man etablierte Marken herausfordert" stellen die Agenturen PHD und Eatbigfish das Geschäftsmodell von King of Shaves vor und stufen dabei die "Challenger-Brand" als Typ "Mutiger Underdog" ein.
Im Interview mit den "Overthrow"-Autoren erklärt Tim Wright, Kaufmännischer Leiter von King of Shaves, warum dieser Herausforderer-Typus eine so bedeutende Rolle für das Marketing seines Unternehmens spielt und wie man die Verbraucher und den Handel auf seine Seite bringt.
Erzählen Sie uns von King of Shaves.
Als Rasiermarke sind wir die Nummer drei in Großbritannien und Nordamerika. Wir sind in beiden Warengruppen vertreten, wir nennen sie Hardware (Nassrasierer) und Software (Pflegeprodukte). Angefangen haben wir vor 20 Jahren in Großbritannien und sind seither unaufhaltsam zu einem Unternehmen herangewachsen, das als Challenger Brand im Körperpflegemarkt wahrgenommen wird. Es gibt nicht sehr viele Challenger Brands in der Körperpflege und der Produktkategorie Health & Beauty. Bei der Frauenkosmetik, sicher, da gibt es Benefit und all die anderen Make-up-Marken. Aber bei den Männern sind es nur sehr wenige. Ich denke, das hängt damit zusammen, dass Männer Hygieneartikel sehr kopfgesteuert kaufen und der emotionale Ansatz deshalb selten verwendet wird – mit Ausnahme des Marktführers bei Düften, Axe von Unilever und früher Old Spice.
Gillette vs. King of Shaves: Die Tennisprofis Andy Murray und Roger Federer spielen mit Riesen-Rasierern.
Was ist Ihr Nutzenversprechen verglichen mit Gillette?
Wir glauben nicht, dass nur der Endpreis auf der Verpackung entscheidend ist, sondern auch der Preis einer Rasur. Deshalb ist es seit jeher unser Grundsatz, 50 Prozent mehr Packungsinhalt zu geben. Die Ersatzpackung von Gillette hat vier Klingen, unsere enthält immer sechs. Gillette verkauft seine Nassrasierer mit einer Klinge, bei uns sind es drei. Wir bieten also mehr fürs Geld.
Warum vergleichen Sie sich bei ihrer Challenger-Strategie ausdrücklich mit Gillette?
Mit Gillette sind wir einem echten ‚Monster‘ auf den Fersen. In den USA haben sie immer noch fast 85 Prozent Marktanteil bei Rasierklingen, was überragend ist, vermutlich ist es das letzte verbliebene Endverbraucher-Monopol überhaupt. Ich war immer vom Schwarz-Weiß-Gegensatz überzeugt. Wenn du schwarz sein möchtest, muss die Marke, die du angreifst, weiß sein. Der Kontrast zwischen beiden ist übersteigert und lässt sich weiter zuspitzen. Uns war sofort klar, dass, wenn es dieser Marke überhaupt an irgendetwas fehlt, dann an Humor. Kein Humor weit und breit, ganz Gillette verströmt diese Ernsthaftigkeit, bei der sich das Thema Rasieren auf den Rasiergriff-Einrastmechanismus zu beschränken scheint, rein funktional, mit Motiven aus der Fahrzeugwerbung, nach dem Motto: „Das ist richtig stark, du bist ein harter Typ, wir sind ein Hammer-Unternehmen.“ Dann kam der Trend zum Metrosexuellen und auf einmal hieß es, du musst gar kein harter Typ sein. In diesem Moment haben wir verstanden, dass wir zwei Dinge tun müssen, um erfolgreich zu werden. Erstens genau die andere Richtung einschlagen – sei lustig, respektlos und distanziere dich. Und zweitens mussten wir anerkennen, dass unser Gegner existiert. Er ist einfach zu groß – man kann ein solches Monopol nicht einfach ignorieren.
Geben Sie uns ein Beispiel, wie sie als mutiger Underdog gegen das ‚Monster‘ Gillette angetreten sind.
Wir haben eine ‚Rasier-Anleihe‘ herausgegeben und unsere Kunden gebeten, damit unsere Werbekampagne gegen Gillette zu finanzieren. Indem sie in unser Unternehmen investierten, konnten wir Werbebudgets einstellen und unser Event im Hyde Park an der Speaker’s Corner finanzieren. Dort haben wir eine große Kampagne durchgeführt mit Reden über die Monopolstellung von Marken und wie sie die Kunden abzocken. Wir haben eine Webseite mit dem Namen "The Best Your Dad Can Get" gemacht, die auf Gillette abzielt. Dann sind wir einen Schritt weitergegangen und haben eine Domain mit dem Namen "The Best Your Granddad Can Get" registriert, die Wilkinson Sword ins Visier nimmt.
Eine Million Pfund sammelte King of Shaves über die "Shaving Bonds" und finanzierte so die erste TV-Kampagne:
Wie Sie wissen, nutzen wir sehr häufig Twitter – Will King, unser Gründer, ist ebenfalls regelmäßig auf Twitter unterwegs. Das einhellige Feedback der Leute ist, dass wir uns stellvertretend für die Kunden gegen diesen Tyrannen erheben. Ein Großteil der Kunden, die überwiegende Mehrheit, möchte, dass wir damit Erfolg haben. Sie sehen, wie wir es machen und mögen unsere humorvolle Art, die über die simple Devise „Die sind teuer, wir billig.“ weit hinausgeht. Das schafft Vertrauen. Wenn man vorhat, sich zu rasieren, braucht man immer noch eine Menge Zuversicht, um sich ein rasiermesserscharfes Stück Metall gegen das Gesicht zu drücken.
Remington ist unser Partner in den USA und steht in seinem Kerngeschäft im Wettbewerb mit ziemlich bedeutenden Marken wie Philips. Sie haben auf dem dortigen Markt ein Produkt namens Remington Value Model, das sie über den Preis verkaufen, besonders, weil sie sich dabei auf Wal-Mart als Retailer stützen können. Wir und Remington sind von einigen großen Retailern in den USA gebeten worden, den Preispunkt zwischen „Im Ernst?“ und „Mal ehrlich!“ herauszustellen. „Im Ernst?“ bezieht sich auf die 22,99 Dollar für den Gillette ProGlide Power und „Mal ehrlich!“ auf die 11,99 Dollar für unser Produkt. Die Kampagne lief im amerikanischen Radio und Fernsehen und kam hervorragend an. Wie Sie wissen, sind die Gesetze für vergleichende Werbung in den USA vollkommen anders.
Parodie von Firmengründer Will King auf den Film "The King's Speech" - natürlich mit Seitenhieb in Richtung Gillette:
Welchen Einfluss hat die wirtschaftliche Situation auf diese Vergleichsstrategie?
Eingeschränkter Konsum bedeutet für uns keinen Gegenwind, sondern Rückenwind. Die Zeit knapper Haushaltskassen hat uns in die Lage versetzt zu argumentieren: „Du brauchst nicht jeden einzelnen Cent umzudrehen, schon gar nicht bei Rasierklingen.“ Für uns war die Wirtschaftskrise eher ein Glücksfall.
War der Einzelhandel immer aufgeschlossen für die Art, wie Sie sich neben Gillette präsentieren?
Das ist eines der großen Themen, wenn man einen Marktführer wie Gillette ins Visier nimmt: Kein Einzelhändler auf diesem Planeten möchte sehen, dass seine Handelsmarge mit Gillette in den Keller rauscht. Gillette stellt für jeden Einzelhandel weltweit einen wesentlichen Teil seines Non-Food-Geschäfts dar, wahrscheinlich den größten Teil überhaupt, egal ob in Europa, den USA oder Asien. Die Prozentmarge ist gering, aber die Gewinnmarge dafür riesig; die Produkte haben einen sehr hohen Preispunkt.
Wir zielen auf Marktwachstum ab und bisher ist es uns immer gelungen, Kunden an unsere höherpreisigen Produkte heranzuführen, zum Beispiel aus unserer Produktgruppe der Einwegrasierer, wo wir unter Einstandspreis verkaufen. Hier haben wir die Leute sehr erfolgreich abgeholt und Up-selling in die höheren Preispunkte betrieben, wobei wir gleichzeitig dem Handel höhere Bruttomargen gewähren. Als mutiger Underdog müssen wir immer sehr sorgfältig eine zweigleisige Kommunikationsstrategie einhalten, einmal B-to-B und dann Richtung Verbraucher. Im B-to-B müssen wir sehr vorsichtig argumentieren: „Wir wollen dein Preismodell und den Ertrag, den du mit Gillette als Lieferanten machst, nicht gefährden – sie sind zu wichtig. Wir sind hier, um den Ertrag zu erhöhen.“
Abseits der formalen Treffen gesteht der Einzelhandel aber ganz offen ein: „Wir brauchen mutige Underdogs, um die Marktführer in Schach zu halten.“ Wenn das nicht gelingt, beginnen sie, dem Einzelhandel die Bedingungen zu diktieren. Das wird dann zu einer sehr einseitigen Angelegenheit und das traditionell ausgeglichene und gute Verhältnis zwischen Hersteller und Einzelhandel gerät wegen des Monopols in eine Schieflage. Zudem sind viele Retailer absolut paranoid, dass sie zu Komplizen eines Monopolisten werden könnten. Besonders die europäische Wettbewerbsrichtlinie zwingt sie zu Sorgfalt und quasi zu einer Beweispflicht, dass sie alles tun, um andere Lieferanten und Produkte zu listen. Sie müssen zeigen, dass sie willens sind, den Wettbewerb zu fördern, wann immer das möglich ist.
Im Video für die Olympischen Spiele in Großbritannien, sang Olympia-Hoffnung James Ellington mit Will Kings Sohn und dem Team von King of Shaves "Join Our Sub":
Wie beeinflusst das alles Ihre Einstellung zu den Medien?
Auf diese Karte setzen wir natürlich ebenfalls, indem wir gegenüber dem Einzelhandel argumentieren, dass sie von uns etwas Einzigartiges erhalten, was Gillette in puncto Marke, Produktnutzen und Design nicht bietet. Die unvermeidlichen Massenmedien sind eine große Herausforderung für Challenger Brands, denn wenn man ein Monster mit einem noch monströseren Mediabudget (Gillette) jagt, hat man als Herausforderer das Gefühl, gar nichts auszugeben. Somit ist es besser, gar nichts auszugeben, als sagen wir, zehn oder 15 Millionen Pfund. Denn wenn der Marktführer 500 Millionen bereitstellt, verschwendet man buchstäblich seine Zeit. Man begibt sich in das Tal des Todes.
Welche Ergebnisse sehen Sie nach 20 Jahren?
Also, in Großbritannien haben wir Nivea und L’Oréal hinter uns gelassen und sind hinter Gillette und Lynx die Nummer drei bei Männerpflege, wir haben hier also einen großen Marktanteil. In den USA sind wir noch nicht so lange vertreten, aber wir sind bei allen großen Einzelhändlern gelistet. Als Partner auf dem US-Markt haben wir Remington. Zwar haben wir nur drei Prozent Marktanteil, aber wie schon gesagt, der Markt ist gigantisch und wir greifen einen Wettbewerber mit 85 bis 90 Prozent Marktanteil an. Ein ganzes Lebensalter voller Arbeit steht noch vor uns.