Bei den meisten Markenjubiläen steht leider das „Feiern“ alleine im Mittelpunkt, nämlich mit Fragen wie: Welche Events wird es geben? Welche Politiker und Prominente werden wir einladen? Welche Stars nutzen wir als Testimonial oder Markenbotschafter? Wie viel Budget werden wir dafür bereitstellen? Das ist alles wichtig. Entscheidend wäre aber folgende Frage: Wie können wir das Markenjubiläum bestmöglich im Sinne der strategischen Markenführung nutzen? Gerade Jubiläen eignen sich perfekt, um a) Marken noch stärker zu positionieren, bzw. b) um Marken wieder auf Kurs zu bringen, die im Laufe der Zeit an Profil verloren haben. Diese beiden Chancen werden leider oft fahrlässig vernachlässigt und damit auch vertan.

Welcher Marke ist es besonders gut gelungen, ein Jubiläum zu nutzen?

Perfekt machte dies sicher Nivea mit dem 100-Jahre-Jubiläum 2011. Ende 2010 kündigte man an, dass die Marke wieder auf Kurs in Richtung Pflege repositioniert wird. Man gab quasi Fehler in der Markenführung zu. Dies führte kurzfristig auch zu kritischer Berichterstattung. Nur genau diese kritische Berichterstattung ging dann perfekt in dem Thema „Nivea: 100 Jahre Pflege“ unter. Jetzt setzt Nivea diesen Kurs der Pflege-Fokussierung perfekt fort. Nivea hat so die Marke wieder auf Kurs gebracht, die eigene Pflege-Position gestärkt und fast niemand hat mitbekommen, dass man sich aus der „Schönheitspflege“ charmant zurückgezogen hat. Hier war das Timing wirklich perfekt gewählt und wurde mit dem Jubiläum auch brillant umgesetzt.

Welche Jubiläumskampagne war aus Ihrer Sicht ein Flop? Und warum?

Dazu fallen mir spontan Coca-Cola und Mercedes-Benz ein. So gingen die 125 Jahre Coca-Cola und die 125 Jahre Mercedes-Benz ziemlich spurlos an der Menschheit vorbei. Beide Marken versäumten es, im Jubiläumsjahr etwas Nachhaltiges aus Markensicht zu hinterlassen. Es waren vielleicht im Jahr selbst nette Maßnahmen, aber ohne jegliche Langfristwirkung. Dabei hätten beide Marken enormes Potenzial gehabt: Coca-Cola hätte dieses Jahr nutzen können, um a) die Original-Position mit Emotionen zu füllen und um b) den besten Coca-Cola Slogan aller Zeiten wieder einzuführen, nämlich „The real thing“. Der aktuelle Slogan „Mach Dir Freude auf“ ist maximal nett, aber er kommuniziert nicht den Kern der Marke. Mercedes-Benz wiederum führte bereits ein Jahr vor dem Jubiläum den Slogan „Das Beste oder nichts“ ein. Damit ist das in den Augen der meisten Kunden nur ein weiterer Slogan unter vielen. Mit dem Jubiläumsjahr hätte man diesem Slogan als doppelter Erfinder des Automobils eine ganz andere Historie und Glaubwürdigkeit geben können. Diese Chance wurde einfach vertan. Zusätzlich hätte Mercedes-Benz wahrscheinlich gut daran getan, in diesem Jahr bereits auch die neue S-Klasse einzuführen. Das hätte man vorplanen können und müssen. Mercedes hat es so wirklich versäumt, sich klar und sympathisch über den Marken BMW und Audi zu positionieren.

Viele Jubiläumskampagnen schwelgen in Nostalgie und betonen ihre lange Tradition. Ist der Blick in die Zukunft nicht wichtiger als der Blick zurück? Sollte eine Marke sich bei ihren Geburtstagen neu erfinden oder lieber das Erbe feiern?

Historie ist wichtig. Sie erzählt Geschichten. Sie gibt einer Marke Herkunft und Glaubwürdigkeit. Wir Menschen lieben zum Beispiel Geschichtsmuster wie „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Entscheidend ist aber, wie man dann mit dieser Historie tatsächlich umgeht. Das wiederum hängt stark mit der Marke selbst zusammen. Bei Lebensmittelmarken bzw. bei Marken, bei denen die Tradition in der Positionierung selbst eine starke Rolle spielt, sollte man massiv in Nostalgie und Tradition schwelgen, wie es etwa auch aktuell die Nürnberger Rostbratwürste mit ihrem 700-Jahre-Jubiläum machen. Hier spielt etwa „gemacht wie früher“ oder „Geschmack wie früher“ eine große Rolle.

Anders wenn Sie heute in einem Bereich tätig sind, in dem Fortschritt eine große Rolle spielt. Hier sollte man dann etwa die Meilensteine des Fortschritts im eigenen Unternehmen präsentieren, um vielleicht sogar im Jubiläumsjahr selbst einen weiteren Meilenstein zu setzen.

Wie zum Beispiel?

Geschickt machte dies etwa die Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners bei ihrem 25-Jahre-Jubiläum. Dies nutzte man a) um die Position als Weltmarktführer im Pricing historisch zu unterstreichen und b) um die neue breitere Positionierung „Smart Profit Growth“ einzuführen. Oder Porsche: Heute ist man bei Porsche dabei, das Dehnungspotenzial der Marke auszuloten. Unter Umständen könnte es auch hier dann einmal Sinn machen, falls man die Marke überdehnt, mit einem Modelljubiläum die Marke wieder zu refokussieren. Heuer sollte man das Jubiläum mit dem 911er nutzen, um den Kern der Marke generell zu stärken. Das bedeutet: Man sollte jedes Jubiläum wirklich ganzheitlich aus Sicht der Marke nutzen, das geht von der Positionierung bis hin zu allen Facetten der Marke von der Produkt-, Vertriebs über die Preis- bis hin zur Kommunikationspolitik. Vor allem aber sollte man Jubiläen auch für die Themen Internal Branding und Employer Branding nutzen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten lieber für Sieger als für Verlierer. Das gilt auch für potenzielle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Muss es immer ein runder Geburtstag sein? Oder war es eine gute Idee, dass Milka im vergangenen Jahr das 111-jährige Markenjubiläum feierte und Euronics in diesem Jahr sein 44-jähriges?  

Man sollte nicht zu viel konstruieren, denn sonst wirkt es schnell aufgesetzt und nicht wirklich authentisch. 44 Jahre würde ich nicht feiern, speziell weil 50 Jahre nicht weit weg sind. 111 Jahre ist keine schlechte Idee. Hier ist man schön in der Mitte von 100 und 125 Jahren. So sollte man etwa auch immer entscheiden, ob man 20 Jahre oder 25 Jahre groß feiert. Hier ist oft besser, wenn man wirklich glaubt, dass man ein Jubiläum für die strategische Markenführung braucht, ob es nicht einen anderen Anlass gibt, wie etwa ein spezielles Produkt oder eine spezielle Erfindung.

Viele Marken nutzen Jubiläen, um sich bei den Kunden für ihre Treue zu bedanken. Über Social Media kann man diese direkt erreichen und zur Interaktion auffordern. Wie können Marken soziale Medien bei Markenjubiläen optimal einbinden?

Social Media lebt von Nachrichten, und Jubiläen haben in der Regel echtes Nachrichtenpotenzial. Zusätzlich hat Social Media auch noch den Vorteil, dass man die Kunden direkt und interaktiv erreichen kann. Hier sollte man nur sehr genau überlegen, was man dann z. B. den Kunden auch als Dankeschön anbietet. Auf keinen Fall sollte man das Jubiläum, außer man ist eine generell sehr preisaggressive Marke, mit zu vielen Jubiläumspreisaktionen verbinden. Nur genau das passiert in vielen Fällen, hebt aber sicher nicht den Wert der Marke. Das heißt: Wenn eine preisaggressive Handelskette ein Jubiläum feiert, dann sind Preisaktionen zum Jubiläum absolut okay. Wenn die Marke einen echten Werteanspruch hat, sollte man Kundenaktionen um diese Werte aufbauen. So könnte etwa ein Automobilerzeuger, der für sportliche Autos steht, zum Jubiläum eine bestimmte Anzahl an Fahrtrainings unter seinen Fans verlosen. Das heißt: Social Media sollte ein integrativer Teil des Jubiläums sein, aber bitte immer im Sinne der Markenpositionierung.

Die "W&V" feiert ihren 50. Geburtstag mit einer so abwechslungs- wie umfangreichen Jubiläumsausgabe, die am heutigen Montag erscheint.


Autor: Frauke Schobelt

koordiniert und steuert als Newschefin der W&V den täglichen Newsdienst und schreibt selber über alles Mögliche in den Kanälen von W&V Online. Sie hat ein Faible für nationale und internationale Kampagnen, Markengeschichten, die "Kreation des Tages" und die Nordsee. Und für den Kaffeeautomaten. Seit 2000 im Verlag W&V.