
Sabbatical für Führungskräfte:
Condé Nast-Sprecherin Thomas: "Eine Auszeit bewahrt vor der Routine"
Ich bin dann mal weg. Ines Thomas, Pressesprecherin von Condé Nast Deutschland, ist für vier Monate ins Silicon Valley. Aber nicht - wie die 35-Jährige betont - um eben "einfach mal weg" zu sein. Sondern um sich weiterzubilden. Das hat auch ihren Chef überzeugt.

Foto: privat
Ines Thomas glaubt an das Konzept vom lebenslangen Lernen. Daher hat Thomas, Pressesprecherin bei Condé Nast Deutschland, vier Monate lang eine Auszeit genommen, um von September bis Dezember 2015 noch einmal zu studieren: im Silicon Valley. Was ihr der Aufenthalt gebracht hat und wie Führungskräfte die Arbeit während ihrer Abwesenheit organisieren können, erklärt sie im W&V-Interview.
Wie kam es zum Entschluss für Ihre Auszeit vom Job? Wie lang hat Sie die Idee umgetrieben und wie lange hat die Auszeit dann insgesamt gedauert?
Ich glaube an das Konzept vom lebenslangen Lernen und gerade wenn man schon eine Weile im Job ist, hilft ein Perspektivwechsel dabei, nicht in Routinen zu verfallen. Das Studienprogramm in Berkeley ging rund vier Monate, anschließend bin ich noch knapp zwei Wochen durch Kalifornien gereist, bevor es an Weihnachten nach Hause ging.
Was haben Sie sich davon erhofft - und: sind die Hoffnungen aufgegangen?
Es ging mir bei der Planung meiner Auszeit nicht ums "einfach mal weg sein", sondern darum, neue Eindrücke zu gewinnen, Neues zu lernen und meine Perspektive zu bereichern - für den Job und darüber hinaus. Dafür hat sich der Aufenthalt voll ausgezahlt. Das verbesserte Englisch und zusätzliche Erfahrungen im interkulturellen Arbeiten waren Nebeneffekte meiner Zeit in Berkeley, die mindestens genau so wertvoll wie der fachliche Input waren. Für das Programm habe ich mich entschieden, weil es mit 4-Monaten im Vergleich zu MBA-Programmen sehr kompakt aber trotzdem intensiv war. Eine längere Studienauszeit wäre sicher nicht mit meinem Job kompatibel gewesen. Die internationale Ausrichtung des Programms und das Renommee der UC Berkeley waren natürlich auch relevante Faktoren.
Wie hat der Chef, Moritz von Laffert, Geschäftsführer Condé Nast, auf Ihren Wunsch reagiert? Immerhin sind Sie Mitarbeiterverantwortung.
Moritz von Laffert hat mit großem Verständnis auf meinen Wunsch nach frischem Input und meinen inneren Antrieb zum Lernen reagiert. Wenn man aber so eng und eingespielt zusammenarbeitet, muss sich auch ein Chef erst einmal an den Gedanken gewöhnen, einen vorerst nicht mehr als Ansprechpartner zu haben. Hilfreich war, dass ich darlegen konnte, dass der Schritt auch für das Unternehmen potentiell eine Bereicherung darstellt und, dass ich die Abwesenheit gut vorbereitet habe.
Wer hat Sie während Ihrer Abwesenheit vertreten?
Nancy Bechmann, Senior PR Managerin in meinem Team, hat stellvertretend die Teamleitung übernommen, aber natürlich war es für das ganze Team eine besonders arbeitsintensive Zeit und jeder hat zusätzliche Aufgaben übernommen. Die Arbeit wurde untereinander und auf unsere Agentur umverteilt.
Konnten Sie wirklich vom Job abschalten und sich ganz auf die neue andere Welt konzentrieren - oder haben Sie schon ab und an in die Emails geguckt?
Wir hatten fest einen wöchentlichen Call, damit mein Team die Chance hat, Fragen zu klären. Vor dem Termin habe ich meine Mails überflogen, um einen Überblick zu haben, aber ansonsten galt die Abmachung, dass ich bei wichtigen Themen und Rückfragen aktiv informiert werde. Darüber hinaus gab es ein paar Themen bzw. Situationen, zu denen ich mit Kollegen aus dem Führungsteam im Austausch war, aber es gab immer wieder auch Phasen, in denen ich mehrere Tage ganz abschalten konnte.
Wie sah Ihr Alltag im "neuen Leben" aus - und wie hat sich das angefühlt?
Mein Leben wurde komplett auf den Kopf gestellt und das war toll. Neues Land, neuer Rhythmus, neue Leute. Ich war von Tag 1 an vom Uni-Leben "absorbiert" und hatte von morgens bis abends bzw. nachts Programm. In der "Welcome Week" meines Studienprogramms habe ich auf einen Schlag rund hundert Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt, die völlig unterschiedliche Studien- und Berufshintergründe hatten. Viele meiner Kommilitonen kamen aus Asien, Indien, Brasilien aber auch Europa. Der typische Alltag in meinem Studenten-Leben war nicht weniger vollgepackt als im Büro: Von neun bis 17 Uhr Seminare, danach hatten wir meistens Arbeitsgruppentreffen oder mussten Case Studies, Präsentationen bzw. Prüfungen vorbereiten und dann hieß es oft bis nachts lesen, lesen, lesen. Dazwischen habe ich so oft es ging, an einer der zahlreichen Veranstaltungen am Campus teilgenommen. Täglich war dort etwas geboten, von Konferenzen der Studentenclubs, über Vorträge mit Top-Speakern aus dem Silicon Valley oder Open-Air-Salsa-Tanzen auf dem Campus Square. Die Wochenenden haben wir dann oft in San Francisco oder anderswo in Kalifornien verbracht - San Diego, Los Angeles, Napa Valley oder Santa Barbara.
Welche Erkenntnisse und Erfahrungen hat Ihnen diese Auszeit gebracht? Wie haben Sie sich verändert?
Durch das Studienprogramm habe ich mich erstmals in der Tiefe mit Marketing-Theorie beschäftigt und auch in den Praxisseminaren ein tieferes Verständnis fürs Thema bekommen. Das war eine wertvolle Ergänzung meiner PR-Perspektive. Neben dem verbesserten Englisch und den fachlichen Insights, die mir einen ganzheitlicheren Blick auf die Kommunikation und die Rolle im Unternehmen ermöglicht haben, war das Lernen von und mit Studienkollegen aus verschiedenen Kulturkreisen sicher die wertvollste Erfahrung. Ich habe viel über mich selbst und die deutsche Kultur durch die Interaktion mit meinen Kommilitonen aus der ganzen Welt gelernt. Ein spannender Aspekt war auch die Nähe zum Silicon Valley. Fast täglich waren die großen Tech-Companies mit Veranstaltungen und Vorträgen auf dem Campus. Ich war bei Twitter und Google vor Ort und habe auch die Kollegen der US-“Wired” in San Francisco besucht.
Hatten Sie Bedenken, nach dem Wiedereinstieg in den Job eventuell Verantwortungen abtreten zu müssen?
Nein, überhaupt nicht, da es sich um einen überschaubaren Zeitraum handelte und dies klar geregelt war. Und zudem ist es ja positiv, wenn auch die Mitarbeiter in so einer Zeit an dem mehr an Verantwortung wachsen können und neue Aufgaben übernehmen.
Würden Sie anderen ebenfalls zu so einer Auszeit raten?
Perspektivwechsel sind immer zu empfehlen. Was dafür der richtige Weg ist, muss jeder selbst für sich herausfinden, aber das Gefühl, nach 10 Jahren "Uni-Abstinenz" noch einmal lernen zu "dürfen" fühlte sich an wie ein großes Privileg. Das war eine tolle Erfahrung.