Kaufhof und Karstadt:
Das klassische Warenhaus hat keine Existenzberechtigung mehr
Die Traditionsmarken Karstadt und Galeria Kaufhof werden sich wohl zusammenschließen. Retail-Experte Olaf Rotax erklärt, warum dieser Schritt überfällig ist.
Die Warenhäuser kämpfen mit einem angestaubten Image und allerlei Problemen. Gemeinsam wollen zwei Marken jetzt den Weg aus der Krise finden. Kaufhof-Mutter Hudson's Bay (HBC) und der österreichische Karstadt-Eigner René Benko haben laut Medienberichten eine Absichtserklärung unterzeichnet. Der Plan: ein Gemeinschaftsunternehmen bündelt Karstadt, Karstadt Sport und Kaufhof. Der Geschäftsmann aus der Alpenrepublik soll etwas mehr als die Hälfte der Firma-Anteile erhalten.
Offiziell ist der Deal noch nicht abgeschlossen - die seit Jahren angedachte "Warenhaus AG" könnte also erneut kurz vor dem Abschluss scheitern. Retail-Experte Olaf Rotax*, Gründer der dgroup (Accenture), kennt das Warenhaus-Geschäft und hält das Zusammengehen der beiden Tradtionsmarken für überfällig.
Ist die Zusammenlegung der Traditions-Warenhäuser Galeria Kaufhof und Karstadt denn eine sinnvolle Entscheidung?
Sie wird unter dem Stichwort "Warenhaus-Union" schon seit mehr als zehn Jahren diskutiert und ist somit nicht neu. Der "Warenhaus-Union"-Gedanke geht dabei sogar von einer europäischen Konsolidierungsnotwendigkeit des Marktes aus. Karstadt-Kaufhof ist also im Zweifel eher als lang erwarteter Zwischenschritt zu sehen, der zumindest aus interner Sicht Sinn ergibt, da der Markt keine zwei konkurrierenden Konzepte profitabel trägt und etwas mehr Luft zu Atmen gibt.
Ist das Warenhaus tot?
Die Frage ist so etwas zu einfach gestellt. Der Markt und der Bedarf, den Karstadt oder Galeria Kaufhof bedienen, haben sich grundlegend verändert - das klassische Warenhaus hat keine Existenzberechtigung mehr. Der Grundgedanke von Auswahl und Convenience unter "einem Dach" ist aber in keiner Weise überholt. Er wird heute nur durch Online-"Warenhäuser" - beziehungsweise wir nennen sie heute Plattformen - wie Amazon und Alibaba in vieler Weise viel erfolgreicher bedient. Daneben wird unter dem Stichwort "New Retail" gerade der Markt von hybriden Online-/Offline-/Multichannel-Konzepten neu gemischt. Es sind die traditionellen, nicht digitalen Konzepte, die aussterben und durch digitale Online- und digitale Offline-Konzepte ersetzt werden.
Unsere Großmütter haben bei Hertie eingekauft, die jüngeren Kunden shoppen bei Amazon oder Zalando. Wie schätzen Sie die Marken-Images von Karstadt und Galeria Kaufhof jeweils ein?
Beide Marken verfügen über einen starken Traditions-Markenkern, gerade bei älteren Zielgruppen. Bei jungen Zielgruppen spielen die Marken eine geringere Bedeutung. Die Marken-Images haben eine Alterperspyramiden-Herausforderung.
Welche Fehler machen Kaufhof und Karstadt?
Es steht mir nicht zu das ohne weitere Detailkenntnis zu beurteilen. Ich möchte es anders ausdrücken: Die Aufgabe auch ein gemeinschaftliches Unternehmen für die Zukunft zu stabilisieren und weiterzuentwickeln ist keine einfache und erfordert Kraft, Glück und Mut – wenn, dann wurde unter anderem die langfristige Wirkung der Marktveränderung zu lange unterschätzt und zu sehr auf kurzfristige Optimierung gesetzt.
International gelten die britische Kette Selfridges oder das italienische Unternehmen La Rinascente als Vorbild für neue Konzepte. Was könnte die deutschen Warenhäuser retten?
Eine Marktkonsolidierung alleine löst nicht die Grundherausforderung, dass das Geschäftsmodell des klassischen Warenhauses seine Bedeutung verloren hat, angepasst und verändert werden muss. Eine Konsolidierung kann aber etwas mehr Zeit schaffen, die Herausforderungen zu lösen. Dabei werden die Grenzen zwischen Warenhäusern und Malls weiter verschwimmen. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass die Konsolidierung auf europäischer Ebene weitergeht. Parallel hat Alibaba bereits angefangen eigene neue Warenhäuser der nächsten Generation zu entwickeln und auch Amazon könnte diesen Weg gehen. Der Markt wird also in Bewegung bleiben und nur die beweglichen Player werden langfristig außerhalb von schrumpfenden Nischen überleben können.
*Der gebürtige Hamburger Olaf Rotax ist Gründer und Managing Director der Spezialberatung Dgroup, die seit 2016 zu Accenture gehört. Bereits zuvor war der studierte Wirtschaftsingenieur in leitender Funktion für Unternehmen mit Digitalfokus tätig. Nach dem Studium und Traineeprogramm arbeitete er zunächst in der Tchibo Holding und hat 1999/2000 tchibo.de aufgebaut. Nach weiteren Management-Stationen bei Otto, Shopping24 und Karstadt, wo er zuletzt als Geschäftsführer den Neuaufbau von Karstadt.de verantwortete.