
Kommentar:
Der "Spiegel" und die WM: Ein Scoop mit viel heißer Luft
Von schwarzen Kassen rund um das "das zerstörte Sommermärchen" berichtet der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Droht dem DFB und seinen Sponsoren jetzt die große Krise? Wohl kaum. W&V-Autor Matthias Onken sorgt sich eher um den "Spiegel". Ein Kommentar.
Von schwarzen Kassen rund um das "das zerstörte Sommermärchen" berichtet der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Droht dem DFB und seinen Sponsoren jetzt die große Krise? Wohl kaum, glaubt W&V-Autor Matthias Onken. Der Kommentator kennt sich mit prallen Enthüllungsgeschichten und ihrer Inszenierung bestens aus: Er war Chefredakteur der "Hamburger Morgenpost" und Redaktionsleiter von "Bild" in Hamburg.
Seit Freitag dürfte beim "Spiegel" soviel Druck auf dem Kessel sein wie lange nicht mehr. Mit seiner Titel-Story über die angeblich schwarze WM-Kasse hat das relevanzgeschwächte Nachrichten-Magazin die Republik angezündet. Dabei tischt die Redaktion nur längst bekanntes Stückwerk und dünnbrettige Anhaltspunkte auf, die bestenfalls als Indizien durchgehen. Aber die Verpackung stimmt: schicke Schreibe, ordentlich Rumms.
Noch bevor der "Spiegel" den Artikel veröffentlichte, kam der Überraschungskonter: Freitag verbreitete der DFB die Hard Facts der Story per Presse-Info. Samt Stellungnahme, auf die der "Spiegel" noch wartete. Gemein, aber strategisch clever inszeniert von Medienanwalt Christian Schertz. Samstag folgte das Dementi im selbstgedrehten O-Ton von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Den würde der "Spiegel" gern abschießen.
Sonntag dann: "Bild".
Die Gegen-Geschichte kam reflexhaft. Der belächelte "Spiegel" nimmt sich für seinen Exklusiv-Hammer mit Beckenbauer die Gallionsfigur des Boulevard-Blatts zur Brust – da wird nicht lang gefackelt. Bei Sport 1 zitiert Alfred Draxler, Sport-Chef der "Bild"-Gruppe, aus seinem Telefonat mit Beckenbauer – und für den "Spiegel" wird die Luft noch dünner: "Franz" versichere glaubhaft, dass nichts dran sei an der Nummer. Fürs Erste reicht das.
Sonntagabend ballert der "Spiegel" ins eigene Tor: Einer der an der WM-Story beteiligten Autoren räumt bei Sky ein, dass die Redaktion Niersbachs Handschrift in einem brisanten Vermerk nicht überprüft habe. Dieser dient als roter Faden des Artikels – und wird Niersbach zugeordnet. Als Tatsachenbehauptung.
Statt des DFB steht vorerst der "Spiegel" mit dem Rücken zur Wand. Kaum einer teilt die Empörung über 6,7 Millionen, für die die "best party ever", wie ein "Bild"-Leser schreibt, eingekauft worden sein soll. Dem Magazin scheinen nicht nur solide Rechercheure, sondern auch Seismographen für Volkes Stimmung auszugehen.
Und dennoch: Der DFB muss erklären, wofür das Geld geflossen ist. Dafür darf Niersbach weder Unschuldslamm, noch Mann ohne Gedächtnis spielen: Solange die Kräfteverhältnisse so eindeutig sind, wird er auch unangenehme Eingeständnisse überleben. Also raus mit der Sprache!