Kommentar:
Doppelmoral: Wenn Konzerne die Pressefreiheit retten wollen
DAX-Unternehmen sorgen sich um die Unabhängigkeit der deutschen Medien. Wirklich? Ein Kommentar von W&V-Redakteur Markus Weber.
W&V-Redakteur Markus Weber kommentiert den eben verabschiedeten "Kodex für die Medienarbeit von Unternehmen". Dabei handelt es sich um eine Initiative mehrerer Dax-Konzerne zum Schutz der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Medien, über welche das "Manager Magazin" als erstes berichtet hatte.
Den Konzernen reicht's. Sie sehen die Glaubwürdigkeit der Medien bedroht. Künftig soll die verdeckte Einflussnahme werbungtreibender Unternehmen auf die redaktionelle Berichterstattung der Medien unterbunden werden. Zu diesem Zweck hat der Arbeitskreis Corporate Compliance den "Kodex für die Medienarbeit von Unternehmen" verabschiedet.
Au Backe - jetzt wird knallhart durchgegriffen.
Naja, wohl nicht so wirklich. Der Kodex gibt "Empfehlungen für die Verhaltensweisen von Unternehmen dahingehend, was diese im Umgang mit den Medien erlaubterweise tun können oder zu unterlassen haben." Da stehen super-schöne Sachen drin wie "Unternehmen dürfen die Medien nicht unwahr oder irreführend informieren". Und - ganz wichtig: "Die Unternehmen dürfen einzelnen Medien nicht aufgrund erfolgter oder zu erwartender kritischer Berichterstattung mit Werbeentzug oder anderen Nachteilen drohen oder Zugang zu Informationen vorenthalten."
In der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte darüber, wie Unternehmen mittels Anzeigenentzug massiv Druck auf einzelne Medien ausübten, wie zum Beispiel im Fall des Kohlekonzerns RAG und der WAZ-Mediengruppe. Kritische Berichte in der "Süddeutschen Zeitung" über einen Lufthansa-Tarifstreit hatten vor Jahren einmal dazu geführt, dass die Airline keine "SZ"-Exemplare mehr an den Gates auslegte. Neben RAG und Lufthansa gehören dem "Arbeitskreis Corporate Compliance" noch weitere Dax-Konzerne wie Allianz, BASF, Deutsche Bank, Eon, die Deutsche Telekom und Volkswagen an.
Daran, dass all diese mächtigen Konzerne jetzt plötzlich ganz brav und bescheiden auftreten werden, glaubt wohl keiner so recht. Bei derlei Compliance-Richtlinien und Code of Conducts besteht nämlich seit jeher die Gefahr, dass es sich um reine Alibi-Initiativen handelt. Sie sind völlig unverbindlich und haben im Grunde reinen PR-Charakter. Die Botschaft lautet: Wir tun was. Und doch ist keiner gezwungen, irgendetwas zu ändern.
Das eigentliche Problem ist die grassierende Doppelmoral.