Welche Aussagen beurteilen Sie in dieser Krisen-Kommunikation als kritisch?

Wer mit dem Rücken zur Wand steht, sollte eine solche Gelegenheit einerseits nutzen um aufzuklären, andererseits aber auch um ein Stück weit auf die Kritiker zuzugehen. Letzteres tut Herr Edathy nur mit einem einzigen Satz: "Wenn jemand sagt, ich finde das nicht gut, kann ich das verstehen." Der Rest besteht maßgeblich aus Vorwürfen gegen die Staatsanwaltschaft und seine eigene Partei. Ich sage nicht, dass diese Vorwürfe unberechtigt sind, aber die Gewichtung ist falsch. Den Kauf von Bildern nackter Kinder mit der langen Tradition von Aktmalerei zu vergleichen, halte ich darüber hinaus für sehr gewagt.

Auf der Facebook-Seite von Herrn Edathy gibt es noch jede Menge Fotos von ihm in Kindergärten/mit Jugendlichen etc. Wie sinnvoll erachten Sie es, diese Facebook-Seite noch weiter zu unterhalten? 

Ich halte es grundsätzlich für wenig sinnvoll, in einer Krise wie dieser praktisch ausschließlich auf das Instrument Facebook zu setzen. Das ist der Kardinalfehler, der in fast allen Krisenkommunikationsfällen  - von Christian Wulff über Uli Hoeneß und Alice Schwarzer bis hin zum ADAC – zu erkennen ist: Es handelt sich fast immer um erfolgreiche Menschen, Organisationen oder Unternehmen, die sich über viele Jahre positiv in den Medien vermarktet haben. In schweren Stürmen erweist sich die eigene Kommunikation aber plötzlich als größte Schwachstelle. Wären zeitnah auch professionelle Kommunikationsberater engagiert worden, wäre keiner dieser Fälle derart eskaliert.

Wie sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang auch von Herrn Edathy, eine missglückte Kommunikation mit der "Bild"-Zeitung über Facebook zu streuen?

Wichtig wäre gewesen, eine wirklich durchdachte Kommunikationsstrategie zu entwickeln, anstatt sich mit Medien und der Öffentlichkeit über Facebook auszutauschen.

Welche Lehren lassen sich prinzipiell für das Eigenmarketing in Krisensituationen daraus ziehen – muss ein Politiker/Promi wirklich immer in die Medien-Offensive gehen?

Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber für viele Menschen ist die Öffentlichkeit ja das Kapital von dem sie leben. Jeder der sich dafür entscheidet, sollte sich immer bewusst sein, dass der Aufzug bei "Bild", "Bunte" & Co. eben nicht nur nach oben, sondern sehr häufig und unerwartet auch nach unten fährt.

Handeln die Medien angemessen bei diesem Thema? Immerhin beruft sich Edathy auf sein Recht auf Privatsphäre.

Herr Edathy zieht sich immer konsequent auf die rechtliche Beurteilung seines Falls zurück. Es gibt aber auch eine moralische Dimension – und die blendet er konsequent aus. Für Prominente gilt das Recht auf den Schutz der Privatsphäre eben nur eingeschränkt - ansonsten wären Bild, Bunte, Gala und so weiter immer nur halb so dick. Dies gilt umso mehr für Politiker, die vom Volk gewählt sind und von denen die Wähler erwarten, dass sie nicht nur formaljuristisch, sondern auch moralisch in ihrem Privatleben ein Vorbild sind.


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.