
Eklat beim Henri-Nannen-Preis: SZ-Redakteure nehmen Henri nicht an
Buh-Rufe im Publikum: Das erste Mal seit dem achtjährigen Bestehen sollte die "Bild"-Zeitung einen Henri-Nannen-Preis erhalten und gleich war sie Mittelpunkt eines Eklats: Die SZ-Autoren, die ebenso den Preis für investigative Recherche erhalten sollten, lehnten dankend ab.
Buh-Rufe im Publikum: Das erste Mal seit dem achtjährigen Bestehen sollte die "Bild"-Zeitung einen Henri-Nannen-Preis erhalten und gleich war sie Mittelpunkt eines Eklats: Die "Süddeutsche Zeitung"-Autoren, die ebenso den Preis für investigative Recherche erhalten sollten, lehnten dankend ab. Sie wollten sich den Preis nicht teilen. Die "Bild"-Zeitung hatte es zu den Ehren mit ihrem Beitrag zur Wulff-Affäre geschafft, die "SZ" mit ihren Recherchen zu den Verquickungen von BayernLB und Formel1. Jury-Mitglied und Ex-"Focus"-Chef Helmut Markwort begründete den Doppel-Preis damit, dass noch keine Sitzung des Gremiums so lange gedauert habe, wie die zur Entscheidung für die Investigativ-Kategorie. Drei Mal habe es ein Abstimmungspatt gegeben. Deshalb sei die Doppel-Entscheidung gefallen.
"Ich freue mich sehr, dass die gute journalistische Arbeit unserer Redaktion von der Jury des Henri-Nannen-Preises entsprechendgewürdigt wurde", ließ "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann verlauten. SZ-Autor Hans Leyendecker, der mit Nicholas Richter und Klaus Ott ausgezeichnet werden sollte, bezeichnete diese Jury-Entscheidung als "Kulturbruch" und lehnte den Bronze-Henri für die "Beste investigative Leistung" ab. Die Jury-Entscheidung für die "Bild" sei völlig in Ordnung, so Leyendecker. Aber man wolle nicht in der gleichen Kategorie mit der "Bild" geehrt werden. Nun hat sich zu der Diskussion auch das Netzwerk Recherche eingeklinkt und dafür plädiert, die Jury anders zu besetzen - mit Fachleuten wie etwa beim Pulitzer-Preis. "Dieses Verfahren führt dazu, dass beim Pulitzer-Preis Fachleute entscheiden und nicht Generalisten nach Gefühlslage oder Proporzdenken wie viel zu oft beim Henri-Nannen-Preis", kritisierte die Vereinigung.
Auch im letzten Jahr hagelte es Kritik bei dem Preis: Im Vorjahr war der Reportage-Preis in die Kritik geraten und nachträglich einem "Spiegel"-Redakteur aberkannt worden. Er hatte den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an seiner Modelleisenbahn beschrieben, ohne dies selbst gesehen zu haben. Im Vorfeld hatte außerdem die Initiative ProQuote moniert, dass die Nominierten größtenteils männlich waren. "Überraschend auch, wie deutlich die Jury entschied: Preiswürdige Qualität ist männlich, und zwar zu 100 Prozent," so die Initiative in einer Mitteilung.
Weitere Preisträger sind: In der Kategorie Reportage Stefan Willeke ("Zeit") mit einem Porträt zu RWE-Chef Jürgen Großmann vor, ein zwölfköpfiges Autorenteam "(Spiegel") mit der Doku "Eine Bombenidee" zum Elend des Euro sowie Niklas Maak ("FAZ") mit einem Essay zur Hamburgs Hafencity. Die beste Fotoreportage lieferte Kai Löffelbein online bei "stern.de". Der britische Journalist Nick Davies ("The Guardian") erhielt den Preis für seinen Einsatz für die Pressefreiheit wegen seiner Aufdeckung des Abhörskandals bei Murdochs "News of the World". Der 85 Jahre alte Fotograf, Kurator und Stifter F.C. Gundlach wurde für sein Lebenswerk geehrt. Der Preis wird gemeinsam vom "Stern" und Gruner + Jahr vergeben. dpa/aj