Facebook und One Pass: Stern.de bohrt "die nächste Schicht des Internet" an
Stern.de integriert die Kommentar-Funktion von Facebook und experimentiert mit Googles neuem Bezahlsystem One Pass. Im Interview mit W&V Online erklärt Geschäftsführer Christian Hasselbring die Hintergründe.
Seit vergangenen Sommer suchen die Leser von Stern.de die Kommentar-Funktion vergeblich auf der Site. Das Nachrichtenportal hat diese ganz aufgegeben. Nun integriert Stern.de die Kommentarfunktion von Facebook, die seit März auch in Deutschland verfügbar ist.
Dabei werden die Kommentare, die die User auf Stern.de abgegeben, nicht automatisch mit dem gesamten Facebook-Netzwerk des Nutzers geteilt. Die User können dies jeweils individuell entscheiden.
Stern.de-Geschäftsführer Christian Hasselbring erklärt im Interview die Details zu Facebook Comments auf dem Nachrichtenportal, welche Rolle Social Media spielt und warum stern.de Google One Pass testet.
Vor ein paar Monaten haben Sie Ihre Redaktionsstruktur verändert. Seitdem gibt es auch die neue Position „Produktmanager Social Media“ bei stern.de. Welchen Stellenwert nimmt Social Media mittlerweile bei Ihnen ein?
Social Media hat in den letzten zwei bis drei Jahren eine solche Dynamik angenommen, dass man sagen kann, eine nächste Schicht des Betriebssystems Internet ist entstanden. Wenn Google bisher eher die Schicht der Maschinensprache war, also „Dokumente verweisen auf Dokumente“, dann ist jetzt eine Schicht dazu gekommen, die heißt „Menschen verweisen auf Inhalte “. Unsere Nutzer empfehlen Inhalte und führen über diese in sozialen Netzwerken wie Facebook einen lebhaften Dialog von einer solchen Qualität, die wir bei Kommentarlösungen ohne Identifizierung innerhalb von Stern.de nicht erlebt haben. Soziale Netzwerke bringen den riesigen Vorteil mit sich, dass Menschen innerhalb ihres eigenen Bekannten- und Freundeskreises, also erkennbar und zuweisbar, ihre Meinung äußern. Dann überlegen sie eben doch sorgfältiger, was sie zu welchem Thema an wen posten.
Sie haben sich im Juli 2010 zunächst einmal komplett von der Kommentar-Funktion auf Stern.de getrennt. War allein die Qualität der Kommentare der Grund hierfür?
Es war die Verbindung von Anonymität und der damaligen Technologie dahinter: Die Kommentare haben nicht der Qualität entsprochen, die wir uns auf Stern.de wünschen. Häufig gab es innerhalb einer relativ kleinen Gruppe von Usern Diskussionen, die jenseits der normalen Umgangsformen geführt wurden. Die konnten wir mit den vorhandenen Ressourcen und technologischen Möglichkeiten nicht kurzfristig unterbinden und deshalb haben wir einen radikalen Schritt gemacht. Wir haben dann gesagt, dann führen wir lieber erstmal keine Kommentarfunktion, bis wir eine bessere Lösung haben. Ob dann die Kommentarfunktion von Facebook, die wir jetzt testen, diese Lösung sein kann, das wollen wir durch diese Beta-Phase herausfinden.
Wie genau habe ich mir die Kommentarfunktion von Facebook auf Stern.de denn vorzustellen?
Von der Anmutungist es wie eine klassische Kommentarfunktion in die Seite integriert, vom Look & Feel zu hundert Prozent an Stern.de angelehnt. Als Modul ist es durch das Facebook-Logo gekennzeichnet. Wir entscheiden nach redaktionellen Kriterien, an welcher Stelle es eingesetzt wird und an welcher nicht. Weil es aus unserer Sicht einfach Themen gibt, die zum Dialog einladen und andere, da macht es relativ wenig Sinn. Das System beinhaltet außerdem Community-Management-Funktionen.
Sie testen gerade sehr viel. Stern.de ist Partner des Google-Bezahlsystems One Pass..
Auch hier arbeiten wir bewusst skalierend, nach dem Paradigma Trial & Error, wir probieren Dinge lieber erst mal im kleinen Maßstab aus und lernen durch das Umsetzen. Das ist ein Test mit einem Partner. Es wird weitere geben. Es gibt verschiedene interessante Micropayment- Systeme oder DRM-Systeme, die wir testen werden. Der Kern der Aufgabe liegt vor allem darin, herauszufinden was die Nutzer wollen und welche Systeme am besten zur Wertschöpfung beitragen.
Googles One Pass kam direkt nach Apples neuem Abo-System heraus. Ist Ihre Teilnahme an dem Test auch eine Art Protest gegen Apple und dessen Bedingungen an die Verlage?
Die zeitliche Koinzidenz lag nicht in unserer Hand, auf den Launchtermin hatten wir keinen Einfluss. Dass Google solch ein System launchen würde, ist ja schon vor über einem Jahr angekündigt worden. Google hat ein aus unserer Sicht sehr smartes und flexibles Modell geschaffen, das für den Vertrieb digitaler Inhalte sehr gut passt.