
Becel pro activ:
Foodwatch gegen Unilever: Der Margarine-Krieg
Sie sind so etwas wie Lieblingsfeinde: Der Lebensmittel-Gigant Unilever und die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Markenschau-Bloggerin Anja Janotta hat mit beiden Seiten gesprochen.
Sie sind so etwas wie Lieblingsfeinde: Der Lebensmittel-Gigant Unilever und die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Ihren Streit tragen sie auch vor Gericht aus. Für die Foodwatch-Aktivisten, die seit November 2011 gegen die Gesundheitsversprechen bei der Unilever-Margarine Becel pro activ klagen, bedeutete dies bislang eher Niederlage: Das Landgericht Hamburg hatte Ende 2012 die umstrittene Unilever-Aussage, wonach es "aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen der cholesterinsenkenden Margarine gebe, als zulässige "Meinungsäußerung" durchgewunken. Derzeit läuft das Berufungsverfahren.
Das hätte Foodwatch gern anders: Lebensmittel mit medizinischem Zusatznutzen sollen nicht "im Supermarkt freiverkäuflich sein", fordert Foodwatch-Pressesprecher Andreas Winkler gegenüber W&V. Seine Organisation hat das Inkrafttreten einer EU-Verodnung genutzt, um noch einmal bei Unilever Druck zu machen. Die EU schreibt seit dem 15. Februar Warnhinweise auf den Verpackungen vor: Lebensmittel mit Pflanzensterinen (wie sie auch Becel pro activ verwendet) sind für Menschen ohne Cholesterinprobleme gar nicht empfehlenswert. Denn sie stehen ähnlich wie Cholesterin im Verdacht, Blutgefäße zu verstopfen. Foodwatch fährt in der Kommunikation schwere Geschütze auf, um die Gefährlichkeit zu demonstrieren: "Sogar Kinder doktern damit ohne Not unkontrolliert an ihren Blutwerten rum."
Der Organisation sind die Vorschriften der EU zu lasch: Der Warnhinweis könne von den Herstellern auf der Packungsrückseite versteckt werden. Die EU müsse deutlichere Kennzeichnungen einfordern. Und am allerbesten sei es sowieso, diese Lebensmittel ganz aus den Supermarktregalen zu verbannen. Denn schließlich habe es keine klinische Erprobung gegeben und der medizinische Nutzen sei nicht zweifelsfrei belegt, sagt Winkler.
Egal warum, derzeit leidet der Margarinemarkt. Die Agrarmarkt Informationsgesellschaft sieht Butter im Vergleich zur Margarine auf dem Vormarsch. Zwischen 2006 und 2012 sei 1,5 Prozent mehr Butter gekauft worden, die Margarine hingegen verlor zehn Prozent.
Grund genug für Unilever, um das Image der Margarine wieder aufzupolieren. Seit 1962 betreibt der Lebensmittelhersteller gemeinsam mit weiteren Partnern das Margarine Institut, das den Markt mit Studien ausstattet, die beispielsweise beweisen, "dass alleine der Austausch von Butter gegen Diät-Margarine zu einer durchschnittlichen LDL-Cholesterinsenkung von 11 Prozent führt". Und die Konsumenten werden neuerdings auf der Website www.margarine-geniessen.de mit schönen Bildern und vertrauenserweckenden Informationen gefüttert. Die strittigen Pflanzensterine werden allerdings dort mit keinem Wort erwähnt.
Unilever-Sprecher Konstantin Bark wiegelt gegenüber W&V ab: In einer Markterhebung habe man festgestellt, dass ohnehin nur ein Prozent der Becel pro activ-Esser nicht Personen sind, für die das Produkt nicht gedacht ist. Die Kampagne von Foodwatch habe dem Umsatz der Anti-Cholesterin-Margarine "sicher nicht gut getan", aber er sei auch nicht gerade "total eingebrochen", so dass die Marke an sich nicht gefährdet sei. Generell leide der Markt unter Absatzschwächen. Unilever-Mann Bark erklärt sich das unter anderem mit dem geänderten Essverhalten der Deutschen, die heute viel mehr außer Haus verzehren und weniger frühstückten also noch vor ein paar Jahren. Nur Melangeprodukte mit Butter und Margarine sowie Flüssigmargarine seien im Aufwind.
Die weitere Auseinandersetzung mit Foodwatch und die Berufungsverhandlung sieht Bark nach eigener Aussage "ausnahmsweise tiefenentspannt", denn in erster Instanz habe man klar gewonnen. Die EU-Hinweisänderung, an der Foodwatch den Protest noch einmal aufgehängt hat, sei marginal gewesen: Man hätte nur ein bisschen am Wording feilen müssen.
Noch steht kein Verhandlungstermin für das Berufungsgericht, dem Hanseatischen Oberlandesgericht, fest, aber eines darf sicher sein: Bis dahin werden noch einige scharfe Pressemitteilungen, in denen jeder Kontrahent sein Fett abbekommt, zu erwarten sein.