
Serie: Tour de Start-ups:
Frankfurt: Vielfalt aus Rhein-Main
Teil fünf der Start-up-Serie: Hohe Mieten und Gehälter lassen viele Gründer auf das Frankfurter Umland ausweichen. Start-ups haben es nicht einfach, eine Szene auszubilden, auch weil die Banken eher Gegner als Partner sind.
Einfach ist es für Besucher nicht, ohne zu klingeln in die Räume der Agentur Vier für Texas zu gelangen. Offene Türen gibt es nicht. Huscht man anderen hinterher, wird man schnell gestoppt und befragt. Der Grund: Die Agentur sitzt im Frankfurter Bahnhofs- und damit Rotlichtviertel mit oft zweifelhaftem Publikum. Doch das Viertel lockt nicht nur Kunden für käufliche Liebe und Casino-Fans. In den Agenturräumen von Vier für Texas sitzen neben dem eigenen Team auch vier Start-ups.
Nicht wegen der Mieten ziehen die Gründer neben den Tabledance-Bars ein. "Die Preise und die Attraktivität des Standorts steigen kontinuierlich, und das Viertel wandelt sich", sagt Obertexaner Björn Eckerl. Tatsächlich lockt die Innenstadt viele Dienstleister, vor allem Kreative. Banken könnten aufgrund des Images nicht hierher ins Rotlichtviertel, Start-ups schon.
Trotzdem kann sich kaum ein Start-up die Mieten allein leisten. Neben Platz bietet Vier für Texas auch Agenturleistungen: je nach Vereinbarung für ein Honorar oder nach einem Work-for-Equity-Modell. Entwickelt die Agentur etwa Designs oder Ideen für Produkt oder Website, kann der Gründer dafür Anteile abgeben. "Für uns hat die Agentur die Marken- und Storyentwicklung übernommen", sagt Jill-Evelyn Erlach, Gründerin von Lamarchante, das unter dem Label Teefee mit Stevia gesüßten Kindertee vertreibt. "Da der Internet-Verkauf eine große Rolle spielt, können wir hier von der guten Lage Frankfurts als Logistikstandort profitieren", sagt Erlach.
Dagegen zog es Andreas Ebert mit dem Start-up GuideWriters nach Berlin. In Frankfurt wollte er lediglich den Launch vorbereiten. Doch dann fand Ebert im S. Fischer Verlag schnell einen lokalen Kunden, und so blieb er. Das Berliner Büro kam trotzdem, doch das dient eher der Kundenakquise.
Neben den Mietkosten gibt es für Gründer einen weiteren guten Grund für das Zusammenrücken: Die noch sehr überschaubare Szene entdeckt gerade erst die Vernetzung. "Aufgrund der fehlenden Events ist es für den Austausch wirklich wichtig, in so einem Hub zu sitzen", sagt Ebert. Auch der lokale Inkubator Gründertaxi sitzt selbst in den Gemeinschafträumen des CoWo-Clubs in der Nähe des Ostbahnhofs. Allein auf Frankfurter Start-ups können die Macher sich nicht konzentrieren, es sind zu wenige. "Frankfurt ist zwar der Leuchtturm, aber wir müssen hier von einer Start-up-Region sprechen, dem Großraum Rhein-Main", sagt Inkubator-Mitgründer Torsten Schreiber. Die meisten Klienten kommen aus dem Umland: Die Online-Hundesitting-Agentur Luisa & Friends aus Bad Homburg, der Direktmarketing-Dienstleister Paketbeilagenclub aus Schwalbach, der Marktplatz Kaufhaus.com aus Gießen. "Frankfurt und die Region sind eher polyzentrisch aufgebaut", erklärt Patrick Mijnals, Gründer von Bettervest, einer Crowdfunding-Plattform für Energieeffizienzprojekte.
Die Vielfalt gilt ebenso für die Geschäftsmodelle der lokalen Digitalwirtschaft. "Es gibt für die Bankenstadt Frankfurt noch kein Label, das sich analog für die Start-up-Szene durchgesetzt hätte", sagt Fabian Schebanek, Gründer der Community Flirtshare. Trotz der vielen Geldhäuser spielt etwa das Online-Payment nur eine marginale Rolle.
Die Banken hielten sich bisher auch bei Investments extrem zurück. "Langsam erkennen wir aber leichtes Interesse", sagt Schreiber vom Gründertaxi. Zuletzt hat sich der Inkubator mit der Commerzbank getroffen – ohne konkrete Ergebnisse. Die Finanzierung wird Privatpersonen überlassen. Deshalb hat sich mit "Business Angels FrankfurtRheinMain" eines der größten BA-Netzwerke in Deutschland gebildet. "Für die Banken sind wir hier eine Nummer zu klein", konstatiert Gründer Mijnals. "Außerdem verstehen sie das Geschäft nicht und zeigen wenig Begeisterung, sich reinzudenken." Auch in Sachen Personalsuche ist das Verhältnis zu Banken gespannt: "In Frankfurt gehe ich in Konkurrenz mit einer Bank und nicht mit einem anderen Start-up", sagt Ebert. Keine Berliner Verhältnisse.
Auch der Standort passt nicht zu jedem Geschäftsmodell: Frankfurt eigne sich für ein Team aus IT, Marketing- und Produktmanagement, erklärt Detlev Schäferjohann, Geschäftsführer E-domizil, Betreiber der Kreuzfahrtvermittlung E-hoi. "Weniger optimal ist der Standort für den Betrieb touristischer Servicecenter mit Callcenter-Charakter, da der Arbeitsmarkt in Frankfurt sehr eng ist."
Große Web-Player wie E-domizil mit 180 Mitarbeitern bilden die Ausnahme. "Es fehlen hier die Galionsfiguren der Gründerszene", sagt Gründerin Erlach. Die Szene muss sich beeilen, ein Netzwerk zu bilden, sonst sind die Start-ups schnell weg. Wie Michaela Krcho, Gründerin von Stiefelwunder.de. "Wenn ein Investor mich nach Berlin holen will, bin ich in zwei Wochen dort", sagt Krcho.
Auswahl lokaler vielversprechender Start-ups: Bettervest, GuideWriters, La Marchante, Livestyle-Concerts, Pickagenius, Stiefelwunder
Auswahl lokaler etablierter Start-ups: Code-No.com Inzumi, Shopgate, Pixoona, WinLocal, Yasni
Auswahl Geldgeber am Ort: Business Angels FrankfurtRheinMain, Frankfurter Gründerfonds
Auswahl von lokalen Inkubatoren: Gründertaxi, Unibator, Gründernetz Route A 66
Standortbedingungen: Vorteile: gute Infrastruktur, hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Nachteile: kaum Investoren und öffentliche Förderung, hohe Mieten und Gehälter, überschaubare Start-up-Szene
Wettbewerbe/Events: Gründergrillen, Gründerpreis