
Karl Anders:
Gewandhaus zu Leipzig: Die neue Corporate Identity
Das Designbüro Karl Anders gewinnt mit dem Gewandhaus zu Leipzig seinen bisher größten Kunden. Im Pitch überzeugen konnte die Agentur mit dem Workshopformat Live Layouting. 45 "Hilfsdesigner" machten mit, die Ergebnisse sind nun Basis des neuen Corporate Designs.
Ab der Spielzeit 2015/2016 präsentieren sich das Gewandhaus zu Leipzig sowie das Gewandhausorchester mit einem neuen Erscheinungsbild. Für die Markenstrategie und die neue Corporate Identity verantwortlich ist die Hamburger Designagentur Karl Anders, die mit dem Gewandhaus und dem Orchester ihren bisher größten Kunden gewonnen hat. In dieser Woche wurde der neue Markenauftritt vorgestellt.
Im Pitch überzeugen konnte die Agentur von Designerin Claudia Fischer-Appelt und Kommunikationswirt Lars Kreyenhagen mit einer speziellen Herangehensweise: Sie bezogen mit dem selbst entwickelten Workshopformat "Live Layouting" 45 Mitarbeiter des Leipziger Gewandhauses - vom Verwaltungsangestellten bis zum Musiker - in den kreativen Prozess mit ein. Die Ergebnisse dieses Workshops unter dem Motto "Kanon 2020: Tradition gemeinsam neu erzählt" bildeten die Grundlage für das neue Design.
Im Kulturbereich dürfte es einer der spannendsten Pitchs der vergangenen zwei Jahre gewesen sein. Schließlich geht es um die Neuausrichtung der Marken Gewandhaus zu Leipzig und Gewandhausorchester. Und das ist mit 185 Stellen das größte Berufsorchester der Welt und - 1742 von 16 Kaufleuten gegründet - das älteste bürgerliche Orchester. "Die Marke Gewandhausorchester ist aus vielen Gründen weltweit einzigartig und so singulär sollte auch das neue Erscheinungsbild werden", beschreibt Gewandhausdirektor Andreas Schulz die Aufgabe. Der Relaunch der Corporate Identity - seit 15 Jahren nahezu unverändert - ist Teil eines Prozesses, den Schulz unter dem Thema "2020" bereits vor zwei Jahren angestoßen hatte. So will er das Gewandhaus fit für die Zukunft machen und differenzieren. Als eines von zehn strategischen Zielen wird dabei die Neuauflage des Leitbilds definiert.
Begleitet hat die Agenturauswahl die Hamburger Beratung Cherrypicker. Im Pitch war Kreation nicht gefragt. Stattdessen sollten im Finale schließlich drei Agenturen präsentieren, wie sie den CI-Relaunch angehen und implementieren würden. Die Präsentation von Karl Anders war für Direktor Schulz die "verrückt schönste Idee."
"Man kann mit Kunden trefflich über Farben diskutieren", sagt Lars Kreyenhagen. "Sind die Leute aber Teil des Gestaltungsprozesses, werden sie zugleich Teil und Botschafter der Identität." Beim Workshop durchliefen die Mitarbeiter fünf Stationen, dabei kreiste alles um den Leitspruch Senecas "Res severa verum gaudium" (Wahre Freude ist eine ernste Sache). Professor Schulz war als Beobachter dabei und erzählt dem regionalen Marketingmagazin "Sputnika": "Es gab eine Fotostation, an der die Bildwelt definiert wurde, eine Farb- und eine Formstation, das Leitmotiv wurde aus Mitarbeitersicht definiert – was verstehen wir eigentlich unter Freude, wenn wir auf Arbeit kommen? Es war ein Tag voller fantastischer Diskussionen, bei denen wir uns unter anderem gefragt haben, ob wir den Klang des Orchesters mit einer Farbe beschreiben können. Und für Karl Anders war der Workshop, wenn man so will, ein riesiges Briefinggespräch mit fast 50 Leuten und ihren Ideen."
Das Ergebnis: Statt auf Schwarz, das die Jahreshefte vieler Konzerthäuser bestimmt, setzt das Gewandhaus lieber auf leuchtende Farben. "Diese Farben sind sehr typisch für unser Haus und besitzen hohen Wiedererkennungswert", erklärt Professor Schulz. "Das Rot der Bestuhlung, das Braun und Grün der Holzvertäfelung, das ist sehr charakteristisch und deshalb greifen wir diese Farben im Corporate Design auf." Dasselbe gilt für die Formen, die laut Agentur direkt aus der Architektur und Ausstattung des Haus abgeleitet wurden. Die neuen Farben und Formen sollen einen Gegenpol zum Logo schaffen, das mit Blick auf die Tradition des Gewandhausorchesters nur "sanft" verändert wurde.
W&V-Redakteurin Kerstin Richter hat den Workshop von Karl Anders begleitet. Ihren ausführlichen Bericht lesen Sie im Rahmen der W&V-Serie "Präsentationen" in der Ausgabe 10 der W&V. (fs,kr)