
Haarige Angelegenheit: American Apparel schockt mal wieder
So sauber das Image als Ausbeutungsfreier Betrieb, so schmuddlig die Werbung: Die amerikanische Textilmarke American Apparel setzt in Anzeigen auf freizügige Bilder. Schlimmer noch für die Amis: Die halbnackten Mädchen sind schlecht rasiert.
Das kann es nur im Land der unbegrenzten scheinheiligen Möglichkeiten geben: Seit ein paar Tagen läuft die neue Kampagne von American Apparel und in den USA schwappt die Woge der Empörung über. Wie schon oft in der Vergangenheit zeigt die Textilfirma leicht bekleidete Mädchen in teils anzüglichen Posen. Pobacken blitzen, Brustwarzen schimmern durch dünne Leibchen oder locken ganz unbedeckt den Betrachter.
Die größere Entrüstung aber löst nicht diese ungenierte Nacktheit aus. "Bush is back!", befürchten die Amerikaner. "American Apparel's Bush Administration" (American Apparels Bush-Regierung) nennen Blogger die Rige der Laienmodelle, die für American Apparel vor der Kamera stehen und durch knappe Höschen Schamhaar schimmern lassen. Eine Ballerina wagt es gar, die Arme zu heben - obwohl sie ein ärmelloses Oberteil trägt und die Achseln mindestens seit zwei Tagen nicht mehr rasiert hat! Skandalös ist das.
Allerdings nur in einem Land, das den Anschein erweckt, alles drehe sich allein um das perfekte Äußere. Immer noch gelten hier Körbchengröße A, Stoppeln an Frauenbeinen und Koffein im Kaffee als nicht regelkonform. Verdächtig, mindestens aber anstößig ist alles, was entfernt die Macht der Natur über jede Domestizierung andeutet. Weil schon Achselhaare als unagepasst, aufmüpfig, zügellos wahrgenommen werden und damit als Provokation. Das genügt in den Vereinigten Staaten offenbar, wenn man einige Diskussionsbeiträge verfolgt. Vielleicht erreicht die Haar-Hysterie ja sogar bald unsere Seite vom großen Teich.
Provozieren und authentisch daherkommen ist jedenfalls genau das, was American Apparel mit seiner Werbung erreichen möchte. Ersteres ist, scheint es, wieder gelungen. Wie die Kleidung rüberkommt, ist eine andere Geschichte. Die vielleicht nur Europäer interessiert. Wer es nicht weiß, erfährt außerdem nirgends, dass die Baumwolle für die Hemdchen und Höschen ohne Pestizide angebaut wird und dass American Apparel die gesamte Produktion im eigenen Haus abwickelt, um Ausbeutung in Drittweltländern auszuschließen. So sieht die Ö-korrekte Mode wieder mal nur aus wie aus dem Container gefischt. Und dank der pornofotografierten Mädchen kommt hier sowieso kaum jemand auf die Idee, die Verpackung könnte im Mindesten interessant sein. Oder geht die Taktik am Ende auf?