
Interview mit Stephan Dirks:
Ikea als Porno-Kulisse: Was ist im Social Web erlaubt?
Das Tumblr-Blog Justanotherikeacatalog dokumentiert Sex-Videos, in denen Ikea-Produkte zu sehen sind. Nur eine schräge Idee oder ein geschmackloser Verstoß gegen Markenrecht? Und wie darf ich im Netz überhaupt mit geschützten Markennamen umgehen? W&V hat bei Social-Media-Anwalt Stephan Dirks nachgefragt.
Wohnst du noch oder lebst du schon? Unbekannte Blogger interpretieren den Claim des Möbelhauses ganz speziell und sammeln auf Tumblr Sex-Videos, in denen auch Ikea-Produkte zu erkennen sind. "Justanotherikeacatalog" heißt die Aktion. Bei Ikea ist man nach W&V-Informationen not amused und denkt über rechtliche Schritte nach. Aber wie weit geht das Markenrecht in diesem Fall eigentlich? Wie darf man im Social Web überhaupt mit Markennamen umgehen? W&V Online hat bei Stephan Dirks nachgefragt. Der Kieler Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Dirks & Diercks ist Experte für Social-Media-Recht.
Herr Dirks, Ikea ärgert sich über einen alternativen Ikea-Katalog auf Tumblr: Justanotherikeacatalog. Dort laufen Sex-Videos mit Ikea-Möbeln als Requisite. Welchen Chancen hat eine Marke, gegen so etwas vorzugehen?
In Bezug auf das (deutsche) Markenrecht gibt es ja regelmäßig das Missverständnis, dass außer dem Markenrechtsinhaber niemand berechtigt wäre, den als Marke geschützten Begriff zu verwenden. Das ist aber nicht der Fall. Das Markenrecht schützt den Markenrechtsinhaber nur davor, dass andere seine Marke - oder der Marke sehr ähnliche Begriffe - zu Bezeichnung der von der Marke umfassten Produkte - oder ähnlicher Produkte - zu verwenden. Das heißt: Dritte dürfen natürlich ansonsten die Marke grundsätzlich verwenden. Wenn wir zum Beispiel in diesem Text den Begriff "Ikea" verwenden, ist das kein Fall für das Markenrecht. Auch erlaubt wäre es, Produkte des Markenrechtsinhabers markenmäßig mit der Marke zu bezeichnen. Ich darf also den "Lack"-Tisch auf Ebay verkaufen und ihn dort "Lack" nennen (§ 23 MarkenG).
Über diesen eigentlichen Inhalt des Markenrechts hinaus wird der Markenrechtsinhaber allerdings auch vor Verunglimpfung geschützt - und diesen Gesichtspunkt berührt ein "Markenscherz" wie der Porno-Katalog auf Tumblr. Konkret sind im geschäftlichen Verkehr solche Benutzungen einer Marke verboten, die "die Wertschätzung der Marke beeinträchtigen" können, wenn es sich um eine im Inland bekannte Marke handelt (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG), was bei "Ikea" ohne weiteres der Fall sein dürfte.
Da Ikea das Image eines familienfreundlichen Unternehmens pflegt, dürfte es auf der Hand liegen, dass ein Markenscherz, der die Marke Ikea direkt mit Hardcore-Pornografie in Verbindung bringt, nicht mehr zulässig ist. Jedenfalls nach deutschem Markenrecht bestehen hier Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche.
Wie darf ich im Social Web überhaupt mit eingetragenen Markenzeichen umgehen? Wann riskiere ich eine Abmahnung?
Wie dargestellt, ist längst nicht jede Benutzung einer Marke riskant. Immer, wenn ich eine Marke aber im geschäftlichen Verkehr - das heißt im Zweifel: Außerhalb meines persönlichen Lebensbereiches, also z.B. auf einem nicht nur rein privaten Blog oder z.B. in einem öffentlich zugänglichen Youtube-Kanal markenmäßig benutze, ist die rote Linie überschritten. Natürlich kann ich mich aber zum Beispiel kritisch mit einer Marke auseinandersetzen und diese dabei auch nennen. Auch Ironisierung und Spott sind dabei erlaubt, denn auch in Bezug auf Marken gilt natürlich die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). Nur darf dabei die Grenze zur Herabwürdigung nicht überschritten werden. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ich wie im Ikea-Fall ohne weitere inhaltliche Bezüge die Marke herabsetze. Zum Beispiel könnte man bestimmte Geschäftspraktiken eines Unternehmens, welches das Unternehmen tatsächlich ausübt, auch mit beißendem Spott kritisieren. Fehlt aber ein solcher Anknüpfungspunkt, wird es kritisch.
Machen pornografische oder Gewalt verherrlichende Inhalte die Markenrechtsverletzung noch schlimmer oder spielt das in der rechtlichen Bewertung keine Rolle?
Natürlich, denn wenn Verstöße zum Beispiel gegen die Menschenwürde mit der Marke in Verbindung gebracht werden, ist das eine besonders krasse Herabsetzung.
Tumblr gilt ja ohnehin als ziemlich freizügig. Ist die Plattform eigentlich ein Fall für den deutschen Jugendschutz?
Grundsätzlich gilt nach der so genannten New-York-Times-Entscheidung: Deutsche Gerichte können deutsches Recht auch auf Inhalte anwenden, die im Ausland erstellt und gehostet werden, so lange hinreichende Bezüge zum Inland, zum Beispiel über die deutsche Sprache, hergestellt werden. Unter diesen Voraussetzungen wären also auch die Regelungen zum Beispiel des deutschen Rundfunkstaatsvertrages, des Jugenmedienschutzstaatsvertrages und des Telemediengesetzes auf Tumblr anwendbar. So sind zum Beispiel pornographische Angebote unzulässig, soweit Jugendliche und Kinder nicht zum Beispiel durch wirksame Altersverifikationssysteme vor ihnen geschützt werden. Problematisch kann dies vor allem auch werden, wenn von in Deutschland gehosteten und auf Deutsch betriebenen Seiten auf solche pornographischen Inhalte verlinkt wird: Auch derjenige, der verlinkt, haftet möglicherweise für die Inhalte der verlinkten Seite!
Mittlerweile gehört Tumblr zu Yahoo. Rechnen Sie damit, dass die Plattform jetzt stärker reglementiert wird?
Das ist schwer einzuschätzen. Aber es spricht sicherlich einiges dafür, auch bei der Foto-Plattform Flickr wurden durch den Mutterkonzern in der Vergangenheit Maßnahmen ergriffen, die dazu führten, dass zumindest von Deutschen Nutzern bestimmte, von Yahoo nach deutschem Recht als bedenklich eingestufte Inhalte nicht mehr aufgerufen werden konnten. Ähnliches wäre auch in Bezug auf Tumblr denkbar.
Was halten Sie eigentlich persönlich von Tumblr? Ist es eine potenzielle Facebook-Alternative?
Facebook ist aus meiner Sicht das niedrigschwelligere Angebot als Tumblr. Auch der Verbreitungsgrad von Facebook und die damit verbundenen Vernetzungsmöglichkeiten dürften dazu führen, dass für die meisten Nutzer Tumblr Facebook nicht "ersetzen" können wird. Allerdings ist es sicherlich für viele eine sehr spannende Möglichkeit, die Facebook-Timeline zu erweitern.