Internetbranche kritisiert massiv EU-Datenschutz-Novelle
Am Mittwoch hat die EU-Kommissarin Viviane Reding in Brüssel die von der Digitalwirtschaft mit Bangen erwartete neue Datenschutz-Verordnung vorgestellt. Die Verbände BVDW, Bitkom melden umgehend Bedenken an. Verlegerverbände BDZV und VDZ sind in puncto Leserwerbung allerdings erleichtert.
Wie angekündigt, hat EU-Grundrechtekommissarin Viviane Reding am heutigen Mittwoch in Brüssel die neue Verordnung zum Datenschutz vorgelegt. "Die Bürger haben nicht immer das Gefühl, die volle Kontrolle über ihre persönlichen Daten zu haben", sagte Reding nach dpa-Berichten. Um das zu ändern, will sie Bürgern ein "Recht auf Vergessen" einräumen. Besonders ins Visier nimmt die Kommissarin soziale Netzwerke wie Facebook. Diese müssten Daten in Zukunft auf Wunsch ihrer Nutzers wieder löschen. Zudem dürfen Unternehmen die Zustimmung zur Datenverarbeitung nicht stillschweigend voraussetzen, sie muss ausdrücklich erteilt werden.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) kritisiert den vorliegenden Entwurf: "Problematisch erscheint die offenbar vorgesehene extreme Ausweitung des Konzepts der ‚personenbezogenen Daten‘", sagt Thomas Schauf, Projektleiter Selbstkontrolle Online-Datenschutz im BVDW. Diese hatte er schon im zuletzt bekannt gewordenen Entwurf beanstandet (siehe Kontakter 04/2012). Diese führe dazu, dass zunächst grundsätzlich und faktisch jedes Datum und auch rein technische Informationen als personenbezogen gelten könnten. "Dies hätte in der Praxis eine Inflation von Einwilligungsanfragen für den Nutzer zur Folge", betont Schauf. Hierdurch würde der beabsichtigte Warneffekt für den Nutzer bei wirklich sensitiven Eingriffen unterminiert und widerspreche dem Prinzip der Datensparsamkeit.
Schlechte Noten zum vorgeschlagenen Einwilligungsprinzip kommen auch vom Hightech-Verband Bitkom: "Es ist nur auf den ersten Blick verbraucherfreundlich, für alles und jedes eine gesonderte Einwilligung zu verlangen, und sei es noch so nachrangig“, erklärte Bitkom-Präsident Dieter Kempf. "Mit einem solchen Ansatz würde das Web zu einem Hindernisparcours umgebaut.“ Zwar seien einige problematische Vorgaben aus ersten Entwürfen offenbar überarbeitet worden, insgesamt würden die Bedingungen für die Datenverarbeitung jedoch erschwert.
Als einen wichtigen "Schritt in die richtige Richtung" haben dagegen die Verlegerverbände VDZ und BDZV die Ausnahmeregelungen für die journalistische Datenverarbeitung bei der Novellierung der EU-Datenschutzrichtlinie bezeichnet. Sie begrüßen den Verzicht auf Beschränkungen der adressierten Leserwerbung für Zeitungen und Zeitschriften sowie des Frei- und Wechselversands von Fachzeitschriften. Genauer prüfen wollen sie noch, welche Auswirkungen der Entwurf auf die digitalen Geschäftsmodelle der Verlage haben könnte. "Online-Werbung, Bewerbung digitaler Abonnements, E-Commerce etc. dürften durch EU-Datenschutzrecht nicht beschädigt werden, soll die Presse die digitale Zukunft in Europa mitgestalten“, so die Verlegerverbände in einer gemeinsamen Mitteilung.
In der kommenden Ausgabe der W&V (04/2012) werden mögliche Auswirkungen der Novelle unter die Lupe genommen.
(ks/lr/dpa)