
Zeit Online:
Jochen Wegner: "Wir bauen das erste Investigativ-Ressort einer deutschen Online-Redaktion auf"
Alle Möbel raus und nur einen Küchentisch rein. Jochen Wegner hat sein Büro und den Konferenzraum neu eingerichtet. Aber auch bei der eigenen Mannschaft gibt es Neuerung, etwa die Gründung eines Investigativ-Ressorts. Im ersten Interview als Zeit-Online-Chefredakteur spicht Wegner über seine Pläne für den Mobile-Auftritt, die Einführung von Pay-Modellen sowie seiner Einstellung zur Huffington Post und die Zusammenarbeit mit Giovanni di Lorenzo.
Alle Möbel raus und nur einen Küchentisch rein. Jochen Wegner hat sein Büro und den Konferenzraum neu eingerichtet. Aber auch bei der eigenen Mannschaft gibt es Neuerung, etwa die Gründung eines Investigativ-Ressorts. Im ersten Interview als Zeit Online-Chefredakteur spicht Wegner über seine Pläne für den Mobile-Auftritt, die Einführung von Pay-Modellen sowie seiner Einstellung zur Huffington Post und die Zusammenarbeit mit Giovanni di Lorenzo.
W&V: Herr Wegner, Sie arbeiten seit Mitte März für Zeit Online. Die Erwartungen sind hoch. Ihr Vorgänger Wolfgang Blau, der zum Guardian gewechselt ist, hat die Plattform sehr erfolgreich gemacht.
Wegner: Auch deshalb ist dies für mich die spannendste Aufgabe im deutschen Online-Journalismus. Meine Erwartungen waren ebenfalls hoch und wurden übertroffen. Die Kultur bei Zeit Online und bei der Zeit ist sicher einzigartig. Ich habe ein sehr kluges und offenes Team kennengelernt, das Lust an der Veränderung hat – sowohl in der Redaktion als auch in der Technik. Wir haben gemeinsam in kurzer Zeit viele Abläufe und Konzepte neu gedacht. Wir planen das eine oder andere neue Projekt und wollen uns substanziell vergrößern. Wir werden auch das erste Investigativ-Ressort einer deutschen Online-Redaktion aufbauen.
Wird sich Zeit Online grundlegend verändern?
Nicht im Kern, den wir und unsere Leser schätzen. Ich glaube auch nicht an den großen Relaunch oder große redaktionelle Revolutionen. Ein erfolgreiches Angebot entwickelt sich jede Woche weiter, sei es journalistisch, konzeptionell oder technisch. Hinter jeder kleinen Veränderung kann dennoch ein großes Ziel liegen, das manchmal Jahre entfernt ist. Eine solche agile Arbeitsweise ist uns wichtig, auch im redaktionellen Alltag.
Bei Focus Online hatten Sie damals mit Finanzen100.de und dem Gesundheitsportal Jameda.de eine Beiboot-Strategie eingeschlagen. Könnten Sie diese auch auf Zeit Online übertragen?
Ich kann mir vorstellen, dass unser Verlag in den kommenden ein, zwei Jahren in Sparten wie Bildung oder Kultur ganz neue Marken kreiert, die zu Zeit Online passen. Dort sind wir schon heute Marktführer. Andere Projekte liegen noch näher. Derzeit überlegen wir etwa gemeinsam mit den Kollegen der Print-Redaktion, wie wir ein Zeit Magazin Online gestalten können. Für uns wäre das journalistisch sinnvoll. Unsere treuen Leser schätzen klaren, einordnenden Journalismus. Emotionalere Themen könnten aber gut auf einer anderen Seite stattfinden.
Vor dem Hintergrund der steigenden Video-Advertising-Umsätze müssten Sie auch in Bereiche wie Video investieren.
Wir sind mit unserem Video-Angebot erfolgreich, vor allem mit aufwändig produzierten, nicht an Tagesereignisse gebundenen Formaten. Den aktuellen Video-Journalismus wollen wir noch in diesem Jahr ausbauen. Uns interessieren daneben inbesondere neuere multimediale Erzählformen, in denen Video nur ein Element von vielen ist. In den nächsten Monaten geht unsere erste Recherche im – intern so getauften – Feiertagslayout online. Wir arbeiten an einigen größeren Projekten mit neuen Formen des Storytellings.
Das müssen Sie erklären.
Auch wir sind inspiriert vom mittlerweile sehr bekannten Feature "Snowfall" der New York Times. Diese Geschichte hat eine ganze Branche wachgerüttelt – eben weil sie eigentlich gebräuchliche digitale Versatzstücke neu kombiniert, um auf packende Weise eine lange, facettenreiche Geschichte zu erzählen. Die Leser von Zeit Online sind für derlei "Longreads" eine perfekte Zielgruppe. Wir haben kürzlich gemessen, wie unsere Mehrseiter gelesen werden – und die Zahlen haben uns selbst überrascht. Wer erst einmal angefangen hat, die zweite Seite zu lesen, blättert mit mehr als 80 Prozent Wahrscheinlichkeit auch auf die 3. Seite, und so weiter. Der Wert sinkt nicht, sondern steigt bis zum Ende sogar leicht an. Die Flurparole, in den digitalen Medien werde nicht gelesen, stimmt schon seit Jahren nicht mehr. Das Netz verändert sich zu Gunsten des Journalismus, dank der mobilen Geräte weitet sich die Nutzung in den frühen Morgen, den späten Abend und auf die Wochenenden aus.
Mehr zu den Plänen von Jochen Wegner mit Zeit Online in den Bereich Mobile, Video und seiner Einstellung zur Huffpost und seine Zusammenarbeit mit Giovanni di Lorenzo gibt es in der aktuellen W&V (26/2013) ab Seite 40. Abo?