
Kampagne für Graubünden:
Jung von Matt sorgt mit Fotografierverbot für Aufsehen
Seltsame Schilder bringen den Tourismusort Bergün in die Schlagzeilen und machen den Bürgermeister glücklich. Dahinter verbirgt sich ein Werbegag von Jung von Matt/Limmat.

Foto: Bergün Filisur Tourismus
Normalerweise lieben es Tourismusorte, wenn Besucher möglichst viele Bilder von ihren Sehenswürdigkeiten schießen und über die sozialen Netzwerken teilen. Doch im malerischen Schweizer Dorf Bergün in der Nähe von St. Moritz gibt es neuerdings Schilder mit einer durchgestrichenen Kamera. "Herzliches Fotografierverbot" ist darauf zu lesen. Das habe der Gemeinderat so beschlossen, mit 46 Ja- gegen 2 Nein-Stimmen, teilte die Gemeinde mit. Die Boulevardzeitung "Blick" regte sich am Mittwoch auf - und spielte damit der Gemeinde voll in die Karten. Denn der seltsame Erlass ist ein Werbegag von Jung von Matt/Limmat für die Tourismusregion.
Gemeindebeschluss ist echt
Den Gemeindebeschluss und die Schilder gebe es wirklich, sagte der Geschäftsführer von Bergün Filisur Tourismus, Marc-Andrea Barandun, der Deutschen Presse-Agentur. Aber Touristen brauchten keine Angst vor dem angedrohten Bußgeld in Höhe von fünf Franken beim Fotografieren zu haben. Der Gemeindebeschluss werde in der nächsten Gemeindeversammlung zurückgenommen. "Es ist eine PR-Aktion, um mehr Leute nach Bergün zu bringen", räumte er ein. Er habe viel Resonanz bekommen, so Barandun, hauptsächlich positiv. Aber es hätten sich auch verunsicherte Touristen gemeldet.
Die Gemeinde hat 500 Einwohner und zusammen mit dem Nachbardorf Filisur 200.000 Übernachtungen im Jahr. Das vermeintliche Verbot hat sie so begründet: "Fotos der pittoresken Landschaft, die auf den sozialen Medien geteilt werden, können andere Menschen unglücklich machen, weil sie selbst gerade nicht in Bergün sein können." Der "Blick" war nicht amüsiert. "Wirklich lustig findet das Verbot bisher keiner", schreibt die Zeitung, und bemühte auch einen Experten für Reiserecht, der Fotografierverbote als unzulässig bezeichnete.
Am Donnerstag meldete sich dann auch Bürgermeister Peter Nicolay in einer Videobotschaft zu Wort. Er könne den Drang, möglichst viel in seinem "wunderschönen Dorf" zu fotografieren, sehr gut verstehen. Deshalb werde die Gemeinde bis zur offiziellen Rücknahme des Fotografierverbotes jedem mit Kamera eine Sondererlaubnis erteilen. Natürlich nutzt er auch die Gelegenheit, um gleich die schönsten Fotomotive zu präsentieren.
Bergün wird Trendic Topic auf Twitter
Für Jung von Matt/Limmat geht das Kalkül also voll auf. Die Agentur hat die Tourismusregion Graubünden schon mit etlichen Kampagnenideen in die Schlagzeilen gebracht. Gegenüber Persönlich.com erklärt Kreativchef Dennis Lück, dass sich die Agentur auch jetzt kaum vor Interview-Anfragen retten könne. "Natürlich wussten wir, dass die Idee polarisieren wird", so Lück. Ziel sei es gewesen, die Fotos eines schönen Bergdorfes bekannt zu machen und so Begehrlichkeiten zu wecken. Das sei gelungen.
"Wir haben innerhalb von 24 Stunden über 50 Millionen Menschen weltweit damit erreicht. Das Fotografierverbot hat bewirkt, dass sich nun die ganze Welt Bilder von Bergün anschaut, denn jeder Artikel ist voll mit den schönsten Ecken Bergüns und oft auch noch zusätzlich mit touristischen Angeboten des Dorfes." Außerdem sei Bergün Trendic Topic auf Twitter und auch die Google-Bilder-Suche sei "explodiert. "Alles mit 0 Franken Media-Budget."
Dennis Lück lobt dabei ausdrücklich die Verantwortlichen für das Tourismusmarketing der Region. Mit ihnen waren auch Aktionen wie der Viralhit "The Great Escape" möglich und die Dorftelefon-Aktion. "Was hier in Sachen experimentellem und innovativem Marketing immer und immer wieder entsteht, das sucht – auch im Vergleich mit den großen Brands des Landes – seinesgleichen".
Kampagnen für die Tourismusregion Graubünden
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Das Dorftelefon
Auch die sprechenden Steinböcke Gian und Giachen haben eine große Fangemeinde:
fs mit dpa