
Accenture übernimmt Sinner Schrader:
Kommentar: Matthias Schraders größte Leistung
Richtiger Verkauf zum richtigen Zweipunkt an den richtigen Partner: Warum Agenturgründer Matthias Schrader Sinner Schrader jetzt groß machen kann.

Foto: Thomas Dashuber / W&V
Von Matthias Schrader ist der Satz bekannt, dass seine Agentur eine "arschlochfreie Zone" bleiben soll. Und auch sonst gilt die Sinner Schrader AG als Ausnahme im eitlen Kommunikationsmarkt: Hier führt der Gründer seit 20 Jahren selbst, Wichtigtuer-Workaholics sind nicht gern gesehen und wer abends zu lange im Büro sitzt, dem wird angeblich der Strom abgestellt. Das scheint zu funktionieren: Sinner Schrader ist die einzige börsennotierte Agentur der New Economy, die sämtliche Krisen und Fusionswellen überlebt hat - bis heute.
Schraders größte Leistung ist trotzdem nicht die Gründung oder der Aufbau oder die sorgfältige Weiterentwicklung der Agentur. Sondern ihr Verkauf an einen Beratungskonzern wie Accenture. Er hat von drei Möglichkeiten die beste gewählt. Die Alternativen waren: Weitermachen wie bisher oder Anschluss an ein klassisches Agentur-Network.
Weitermachen wie bisher, das hätte noch jahrelang gut gehen können. Aber XXL-Jobs wie bei Audi hätten die Agentur schon bald an ihre Grenzen stoßen lassen. Hier geht es nicht mehr um einzelne Websites, Shops oder Kampagnen, sondern um die digitale Transformation eines internationalen Markenunternehmens und damit um den strategischen Großauftrag, den klassischen Werbeagenturen immer wollten und nie bekommen werden. Thjnk mag die glamourösere Audi-Agentur sein. Sinner Schrader ist die wichtigere.
Weil sich Sinner Schrader nie als "Werbeagentur" verstanden hat, wäre auch ein Network wie WPP, Publicis oder Omnicom nur die zweitbeste Lösung gewesen. Wie schwer sich die Werbe-Dinos mit der Integration von Digitalagenturen tun, können wir in der Jahresbilanz von Publicis nachlesen.
Zu einem Zusammenschluss gehören immer zwei. Accenture behauptet von sich, Agenturen nicht nur zu kaufen, sondern auch zu entwickeln und im Idealfall sogar von ihnen zu lernen. Beim 2013 akquirierten Londoner Design- und Strategiedienstleister Fjord scheint das geklappt zu haben. Die Agentur wird auch nach fast vier Accenture-Jahren immer noch von ihrem Gründer geführt und sie floriert. Aus 9 internationalen Standorten zum Zeitpunkt der Übernahme sind 23 geworden - von Atlanta über Istanbul, Hongkong und Mailand bis Sydney und Washington.
Im Fall Sinner Schrader kann es auch schlechter kommen. Aber die Chancen für die Hamburger Agentur sind größer als das Restrisiko, und Matthias Schrader hat sie erkannt.