
Kreative im Frankfurter Bahnhofsviertel: Standort-Marketing der besonderen Art
Die Agentur Vier für Texas hat zum Rundgang durch Frankfurts verruchtes Bahnhofsviertel eingeladen. Und zeigte die kreativen Seiten des Viertels. W&V-Korrespondent Raoul Fischer war dabei.
"Wenn Leute an das Frankfurter Bahnhofsviertel denken, denken sie an Puffs aber nicht an Bücher und Kreative." Mit diesem Satz bringt der Stadtteil-Bildhauer Oskar Mahler eines der vielen Vorurteile gegen die Main-Metropole auf den Punkt. Aber in der Tat: Das Bahnhofsviertel hat ganz andere Seiten – und die wollte die Agentur Vier für Texas einer breiten Öffentlichkeit nahebringen. Und sage und schreibe über 30 Journalisten und Gäste inklusive des Frankfurter Wirtschaftsdezernenten Markus Frank kamen zu der Führung, die im Hammermuseum begann.
Voll der Hammer: In der Münchner Straße, sonst eher für Multi-Kulti und türkischen Handy-Geschäfte bekannt, hat sich Mahler im ersten Stock der Schuhmacherei Lenz für seine Hammer-Sammlung ein eigenes Museum eingerichtet. "Das symbolische Werkzeug für die Stadt ist eben der Hammer und nicht der Fächer", wird Björn Eckerl, Geschäftsführer der Agentur Vier für Texas später sagen. Aber jetzt stehen alle dicht gedrängt in der niedrigen Etage und bestaunen die vielen Hämmer – aus Nigeria, Russland, der Lüneburger Heide, etc. Und Mahler bringt auf den Punkt, was ihn antreibt: "Es ist fast unwichtig, welchem Gegenstand man sich liebevoll zuwendet. Wenn man es nur lange und intensiv genug tut, dann erklärt er einem am Ende die Welt", sagt er. Und weiter geht es in das nächste Aushängeschild des Viertels.
Literatur meets Rotlicht
Gleich zwei bekannte Verlage haben im Frankfurter Bahnhofsviertel ihre Räumlichkeiten: der Eichborn-Verlag und der Verlag Schöffling & Co. In den Räumlichkeiten des Schöffling-Verlags gibt es eine kleine Erklärung zur Bebauung des Viertels. Die Häuser sind langgezogen mit Innenhöfen für das Licht. Dennoch ist es im so genannten Mittelbau dunkler – weshalb diese Räumlichkeiten in der Miete günstig sind. Das Viertel bietet Platz für Gewerbe, die Raum brauchen – und die Stadt fördert den Zuzug durch umfangreiche Maßnahmen und Programme. Fakt ist: Von den 280 Parzellen, die das nur einen halben Quadratkilometer große Viertel umfasst, sind nur 17 für die Prostitution frei gegeben. Der Rest sind Banken, Hotels, türkische Handy- und Gemüse-Läden – und eben inzwischen auch einige kreative Gewerke.
Wo Elvis Gitarren kaufte
Der nächste Hot-Spot ist Cream Music – früher auch unter dem Gründungsnamen "Musikhaus Hummel" bekannt. Und Cream-Music hat Geschichte geschrieben. Der Laden hat nämlich als erster in Europa die berühmte Fender-Gitarre vertrieben und später in einem Keller einen eigenen Schlagzeugraum eingerichtet – was heute gelegentlich zu Problemen mit Mitarbeitern der Deutschen Bank führt, die derzeit in Büros direkt darüber arbeiten. Aber weit früher, nämlich Weihnachten 1958, spielte sich schon Geschichtsträchtiges ab: Damals kaufte Elvis Presley für 225 Mark eine Isana-Gitarre – was der heutige Besitzer nicht ohne Stolz erzählt.
Unterirdische Tunnel verbinden die Gebäude. Auf dem Weg in die Räume von Vier für Texas, der letzten Station des Rundgangs, gibt Mahler noch einige wichtige Weisheiten preis. Zum Beispiel, dass man vom Bahnhof durch unterirdische Gänge zum Frankfurter Schauspielhaus gehen könne. Es gebe ein unermessliches Tunnelsystem, zum Teil richtig kunstfertig gemauert. Und dass es in Frankfurts ältester Animier-Bar, der Pik-Dame, regelmäßig Kultur-Veranstaltungen wie Konzerte etc. gebe, die inzwischen bis auf den letzten Platz ausgebucht seien.
"Ich liebe dieses Viertel"
Bei Vier für Texas kommt es zum Schwur: Hier bringen Wirtschaftsdezernent Markus Frank, Agentur-Chef Eckerl, eine Vertreterin des Stadtplanungsamtes und verschiedene Künstler den Zuhörern die Schönen und interessanten Seiten des Viertels nahe. Der Fotograf Ulrich Mattner bringt es auf die einfache Formel "Bettler, Banken und Bordelle" und zeigt seine Impressionen. Drogenabhängige, Prostituierte, Banker, Geschäftsleute, Deutsche und Ausländer, Studenten und Privatiers – in dem Viertel mischen sich viele Milieus und schaffen eine eigene, ganz kreative Atmosphäre. "Ein Stadtteil, der wunderbare Seiten hat“ sagt Frank – darum wolle die Stadt auch nun verstärkt in die Kommunikation investieren. "Ich liebe dieses Viertel", bekennt Fotograf Mattner während seines Vortrags – der Autor dieses Beitrags übrigens auch.
In der nachfolgenden Bildergalerie einige Impressionen vom Rundgang durchs Viertel.