Und um die Informationen auf den Lebensmittelpackungen geht es wohl im Kern. Die Verbraucherzentralen gehen davon aus, dass der "Unmut" der Verbraucher auf der Seite kanalisiert und geordnet werden kann. Die Fragen, die sie bisher an die Verbraucherzentralen richteten, werden hier gebündelt und geklärt.

Gesetzliche Regelungen

Werbung, lässt man die Abbildungen auf der Packung außen vor, macht nur einen der vier Punkte auf dem Formular aus. Doch selbst wenn es um klare Kennzeichnung geht und sonst nichts; ein Schatten bleibt, ein Aber auch: Hier greifen doch, sagt Joachim Schütz, die Verordnung zur Kennzeichnung von Lebensmitteln und die Zutatenverordnung. Der OWM-Geschäftsführer führt aus: "Der Ansatz der Verbraucherzentrale scheint zu sein, dass die gesetzlichen Regelungen falsch sind, weil der Verbraucher das anders empfindet, als es die Unternehmen deklarieren. Das ist nicht in Ordnung." Seien die Zutaten unschädlich und zugelassen und ein Konsument sehe das anders, "da kann man ja dann nicht dem Hersteller den Schwarzen Peter zuschieben."

Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) begrüßt die Initiative, fordert aber Sachlichkeit ein. "Niemand darf einen Nachteil erleiden, der sich an geltendes Recht und damit an die Regeln hält", sagt BLL-Hauptgeschäftsführer Matthias Horst in der Presseerklärung. Die Vorschriften für Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln seien nach EU-Recht vereinbart worden.

Kundendialog

Die Markenartikler verstehen teilweise nicht, welchen Nutzen das Portal überhaupt bietet: Es soll ja, heißt es auf der Webseite, "ermöglichen, sich aktiv in den Diskussionsprozess über die unklare Kennzeichnung von Lebensmitteln oder über irreführende Produktaufmachungen einzubringen".

Die großen Konzerne und viele kleinere Firmen sind aber stolz auf ihren Kundenservice, auf den Dialog mit den Verbrauchern per Facebook, Post und Telefon. Danone etwa, mit dem Joghurt Activia gern mal im Kreuzfeuer, bekommt und beantwortet nach eigenen Angaben zwischen 30- und 40-Tausend Verbraucheranfragen im Jahr rund um Danone und seine Produkte. Unternehmenssprecher Andreas Knaut gibt sich denn auch entspannt: "Wir schauen uns das am Mittwoch erst mal an", sagt er und wartet ab.

Vorteil für Lebensmittelklarheit.de: Der Dialog, der schon allerorten angelaufen ist, könnte hier gebündelt und objektiviert werden; der Konsument braucht nur eine zentrale Stelle anzulaufen, statt sich durch die Vielfalt der Herstellerangebote zu arbeiten.

Kein Grund zur Sorge

Rechtlich besteht also kein Anlass zur Unruhe, egal ob hinsichtlich Inhaltsstoffen oder "gefühlt" irreführender Werbung. Volker Nickel beschwichtigt: "Unternehmen brauchen sich nicht zu fürchten", sagt der erfahrene Werbefachmann. "Werbung, die rechtlich in Ordnung ist, ist in Ordnung." Das galt bisher - und das ändert sich auch nicht mit Lebensmittelklarheit.de.

Die Betreiber legen auf der Homepage des Portals bis zum offiziellen Start am 15. Juli ihre Position dar und erklären Ziele, Funktionsweise und Hintergründe (siehe Kasten). Stellung nehmen wollte die Verbraucherzentrale Bundesverband zu den Kritikpunkten aus der Branche noch nicht. Offene Fragen würden auf der Eröffnungspressekonferenz am Mittwoch geklärt, hieß es seitens der Pressestelle. Gegenüber "Bild" sagte Bundesverbaucherministerin Ilse Aigner: "Wir wollen mit Lebensmittelklarheit.de für mehr Transparenz sorgen und einen offenen Dialog zwischen Verbrauchern und Wirtschaft." Der Chef des Bundesverbandes Verbraucherzentralen, Gerd Billen, erklärte in der Boulevardzeitung, dass zum Portal-Start "ein paar Dutzend Produkte“ auf der Seite stehen würden. Mehr als hundert Verbraucherhinweise würden derzeit geprüft.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.