
Umfrage Designexperten:
Logo-Kritik Bahlsen: Markenhistorie "wie Krümel weggewischt"
Das Leser-Echo auf das neue Corporate Design von Bahlsen ist geteilt. Die einen loben die Reduktion auf das Wesentliche, die anderen monieren fehlende Markenhistorie und eine zu große Nähe zu einem anderen Markenklassiker. So urteilen drei Designexperten:
"Nivea" - das ist die Assoziation, die das neue Corporate Design von Bahlsen bei vielen W&V-Lesern hervorruft. Zu sehr erinnere der weiße Schriftzug auf blauem Grund an die Beiersdorf-Marke, monieren sie in Artikelkommentaren. Einigen gefällt das Konzept von Arndtteunissen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, so manchem wurde aber auch zu viel von der Markenhistorie geopfert. W&V hat Designexperten nach ihrer Meinung befragt. Auch hier ist das Echo geteilt.
Hans-Peter Hösl, Geschäftsführer Bloom, München:
"Clean, klar, reduziert, einfach - so macht man das heute. Das neue Corporate Design der Unternehmensmarke Bahlsen ist absolut "Design von heute". Mehr ist es aber auch nicht. Wie auch? Ist ja nix mehr übrig, der Keks ist fast gegessen. Nur noch eine Nivea-blaue Unendlichkeit mit der Signatur des alten Bahlsen (der seinerzeit "Cakes" aus England mitgebracht und dem alten Leibnitz als Proviant für die Armee verkauft hat).
Wir Marken-Menschen haben es ja üblicher Weise nicht so einfach, die Brands unserer Kunden mit Geschichte(n) aufzuladen, den "Purpose" herauszufinden und das dann plausibel zu visualisieren. Im Falle von Bahlsen hat man offensichtlich den gegenteiligen Ansatz verfolgt. Alles, was Idee und Story der Marke ist und war, ist weggebrochen. Die wunderbare altägyptische Hieroglyphe für "ewig dauernd", das rote TET-Zeichen wurde von den Entscheidern wie ein Krümel weggewischt. Wäre aber nicht genau dieser Krümel der Kern für einen spannenden Markenrelaunch gewesen? Ich hätte mich über mehr Mut, Mehr Geheimnis, mehr Hieroglyphe sehr gefreut."
Annika Kaltenthaler, Creative Director, Zeichen&Wunder:
"Mir gefällt es gut, sich auf die Essenz einer Marke zu konzentrieren und zu reduzieren. Die Original-Unterschrift als Logo wird beibehalten und nun puritisch eingesetzt, das spricht für eine klare Fokussierung. Die Keksform als Gestaltungselement ist sehr naheliegend und schön wäre auch eine eigens entwickelte Unternehmensschrift gewesen. Es bleibt spannend, wie das neue Design auf den Verpackungen erscheint, auch hier könnte man ja einen puristischeren, designigeren und reduzierten Weg gehen."
Sven Achatz, Geschäftsführer Kreation Art bei Supermonaco:
"Reduktion statt Revolution. Es muss nicht immer alles neu sein, um eine Marke zu verjüngen. Oft fallen gelernte schöne Logoelemente der Modernisierungswut zum Opfer. Dabei werden jahrelang aufgebaute Markenauftritte zerstört. Bahlsen baut bei seinem Redesign ganz klar auf die Heritage: der weiße Schriftzug des Gründers auf Blau. Durch das Weglassen des (erklärungsbedürftigen) TET-Zeichens auf rot und dem aus der Zeit gefallenen Logoträgers (runde Ecken), modernisiert Bahlsen seinen Markenauftritt, ohne dabei die Stammkundschaft zu vergraulen. Ich glaube aber, dass dieses Redesign den meisten Konsumenten nicht groß auffallen wird."