Die Erben des Alfred E. Neumann:
Medienmarke MAD: Auf der Suche nach dem alten Glanz
Was ist eigentlich aus MAD geworden? Unter dem späteren Harald-Schmidt-Sidekick Herbert Feuerstein avancierte das Satireblatt in den 70ern zur Kultmarke. Heute zehrt der Comicverlag Panini von der Strahlkraft des „intelligentesten Magazins der Welt“ - auch wenn die Verkaufszahlen überschaubar sind.....
Unter dem späteren Harald-Schmidt-Sidekick Herbert Feuerstein avancierte das deutsche MAD ab Mitte der 1970er zur Kultmarke. Heute zehrt der Comicverlag Panini von der Strahlkraft des „intelligentesten Magazins der Welt“ - auch wenn die Verkaufszahlen überschaubar sind.
Diese Zahnlücke führt ein Eigenleben. Sie grinst unter Spidermans Maske hervor und verformt selbst den Helm eines „Star Wars“-Klonkriegers. Sie ist unverwechselbar wie ein Apfel mit Biss-Spur - und genau wie der ein Markenzeichen. Denn die Zahnlücke gehört Alfred E. Neumann, Coverboy der Zeitschrift MAD.
Im Januar erschien Ausgabe Nr. 150 des neuen deutschen MAD. Desorientierte Doppel-D-Promis wie Daniela Katzenberger gratulieren da („1.000 Bussis für euch, die ihr wo bei Titanic arbeiten tut“), eine Comicstrecke verspottet die „Twilight“-Saga („Und zwar nämlich weil!“), und ein XL-Poster zeigt Alfred im Spiderman-Kostüm, hoffnungslos verheddert in den eigenen Spinnenfäden. Blödeleien, die stellenweise an MADs beste Zeiten erinnern. „In den 1970ern, 1980ern war MAD eine Institution“, erinnert sich Herbert Feuerstein. Der gebürtige Österreicher war daran nicht ganz unbeteiligt. Zwanzig Jahre, bis 1992, betreute und prägte er die deutsche Ausgabe des „vernünftigsten Magazins der Welt“ (Untertitel). Ihm sind sprachliche Hobelarbeiten wie „hechel“, „lechz“, „würg“ zu verdanken, die unter Schülern ebenso die Runde machten wie unter Linguisten (sie nennen es „Inflektive“), er entwickelte Rubriken wie den „Alfred des Monats“ (den „Preis, den keiner haben will“) und den „MAD Almanach“ („Wußten Sie schon, daß die meisten Leute älter würden, wenn sie länger lebten?“). Unter seiner Regie avancierte MAD zum bestverkauften Satireblatt Deutschlands mit Auflagen bis zu 300.000 Exemplaren. Der Nonsens war Kult. „Im Rückblick“, so Feuerstein, „sehe ich MAD als wichtigste Arbeit in meinem Leben.“
Heute nennt sich MAD immer noch das „intelligenteste Magazin der Welt“, das Innenleben ist nicht mehr schwarzweiß, sondern kunterbunt (mit Ausnahme der „MAD Classics“, die Gags der Feuerstein-Ära aufwärmen), und der Anteil, den heimische Cartoonisten und Autoren beisteuern, ist von einst 20 auf gut 50 Prozent gestiegen. Stärker als früher nimmt MAD daher Typisches aus hiesigen Gefilden aufs Korn, seien es TV-Wiedergänger wie Dieter Bohlen und Stefan Raab oder Werbungtreibende wie Bärenmarke, veralbert in Fake-Anzeigen. „Mancher fühlt sich auf den Schlips getreten“, räumt Chefredakteur Jo Löffler ein. „Andere tragen es mit Fassung und sagen sich: Wer in MAD durch den Kakao gezogen wird, ist auf der Höhe der Zeit.“
Vorausgesetzt, Verulkte bekommen das überhaupt mit. Die verkaufte Auflage liegt bei rund 20.000 Exemplaren. Und statt wie früher monatlich gibt es das Magazin nur noch sechsmal im Jahr. Das liegt zwar über den Werten von 1996 und 1997, als Deutschland MAD-freie Zone war. Aber es ist zweifellos eine übersichtliche Teilöffentlichkeit, die MAD seit dem Neustart 1998 anspricht. Zielgruppe: „Jungen zwischen 12 und 14 Jahren“, so Löffler. Damit peilt das Blatt eine jüngere Leserschaft an als zu Feuersteins Zeiten. Wohl auch, weil es besser zum übrigen Verlagsprogramm passt. Seit 2003 gibt Panini den Blödel-Titel heraus. Der Stuttgarter Verlag beherrscht hierzulande den Markt der Superhelden-Comics (vom freundlichen Netzschwinger bis Superman) und bewirbt Hefte mit ganzseitigen Anzeigen in MAD.
Eine Neuerung - und im alten MAD ein Tabu. Werbung im Magazin untersagte der Lizenzgeber aus den USA. Das hat sich geändert. Heute sichern Anzeigen das Überleben des Blatts: hier Werbung für den Kinderkanal Nickelodeon („Es ist Zeit für die Turtles!“), da für Handy-Games und -Software („Furz Alarm: Krasse Fürze für dein Handy!“). Zielgruppengerecht? Schon. Aber womöglich abtörnend für ältere Semester, denen MAD am Kiosk ins Auge fällt.
„Wir sehen es als Erfolg, wenn sich die MAD-Auflage auf dem jetzigen Niveau hält“, bekennt Steffen Volkmer, Sprecher und Senior Editor der Comic-Sparte. Das intelligenteste Magazin der Welt entschlafen zu lassen, kommt für den Verlag nicht in Frage. „MAD ist ein Prestigeprojekt“, unterstreicht Volkmer. „Der Titel ist extrem bekannt und hilft, dass Panini nicht mehr in erster Linie mit Klebebildern und Sammelalben assoziiert wird.“ Dauerlächler Alfred E. Neumann, heißt das, strolcht weiter umher, ob als grienender Klon E. Neumann oder Großer Alfred E. Ork aus „Herr der Ringe“. Die Zahnlücke lebt.