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Medientage München: Kann Print wie Spotify funktionieren?
Zeitungen müssten viel technischer werden, war ein Argument beim Publishing-Gipfel der Medientage München. Kann Spotify Vorbild sein?
Den meisten Zeitungen in Deutschland geht es schlecht - ihre Auflagen sinken und sinken. Bezahlmodelle im Internet funktionieren nicht so gut wie erhofft. Bei den Medientagen München hat die Branche nun über die Frage diskutiert: Kann das Modell Spotify eine Lösung sein? Der Geschäftsführer der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Laurence Mehl, sieht einen großen technischen Nachholbedarf bei Regionalzeitungen. "Wir müssen viel technischer werden", so Mehl beim "Publishing-Gipfel". "Die Hälfte der Mitarbeiter müssen wahrscheinlich Techniker sein." Denn neben den Inhalten komme es zunehmend darauf an, den Lesern ein maßgeschneidertes, leicht bedienbares Produkt anzubieten.
Zustimmung kam vom Geschäftsführer des Musikinternetdienstes Spotify Deutschland, Stefan Zilch. "Algorithmus schlägt Redaktion", sagte er. "Spotify ist deshalb so erfolgreich, weil das Produkt besser ist als die Piraterie." Den Printmedien fehle die "Produkt-Denke". Nicht die Inhalte seien entscheidend. "Content ist mittlerweile überall." Je nach Tageszeit, Wetter und persönlicher Situation zu Hause oder unterwegs höre ein Mensch unterschiedliche Musik, betonte Zilch. Auch eine Zeitung müsse ihren Leser ein situationsbezogenes Produkt anbieten und die Ressortgrenzen überwinden. "Wie kann es sein, dass Google oder Facebook mehr über meine Lesegewohnheiten weiß als der Spiegel, wenn ich doch den Spiegel lese?"
Die Chefredakteurin der "Frankfurter Rundschau", Bascha Mika, hielt dagegen: "Wenn es um digitalen Imperialismus geht, sollten wir den nun nicht als gutes Beispiel nehmen. Dass Verlage ihre Leser nicht so ausforschen wie Google und Facebook das tun, ist ja eher eine Qualität." Auch der Verleger des "Straubinger Tagblatts", Martin Balle, meinte: "Ich möchte als Medium nicht mitmachen, dass Bedürfnisse immer messbarer werden. Das kann man ja auch manipulieren." Das Leben beginne dort, wo es sich einem Algorithmus entziehe. "Ich hoffe nicht, dass meine Redakteure so funktionieren, dass sie erahnen, was das Bedürfnis des Lesers ist, und darauf eingehen. Das wäre eine billige Beziehung." Er hat in diesem Jahr die insolvente Münchner "Abendzeitung" übernommen und verkündete nun auf den Medientagen erneut, das Blatt sei nun wieder im grünen Bereich. Nur noch ein Viertel der einstigen Mitarbeiter wirken bei der Zeitung.
Ein Spotify für Zeitungen hält Mehl aus anderen Gründen für schwer machbar. Den Lesern gegen eine monatliche Grundgebühr eine Auswahl aus allen Zeitungstiteln zu ermöglichen – das sei teuer und technisch sehr schwierig. Außerdem gäben die Zeitungen dann ihre Kundenbeziehungen an den Aggregator ab. Und: "Wir müssten uns mal alle zusammenfinden. Das ist so eine Hürde, die ist bisher ganz selten genommen worden."
Bei einem Diskussionsforum der Medientage München zum "Roboterjournalismus" sagte Verleger Dirk Ippen ("tz"): "Mit klassischem Journalismus hat das Sammeln von Daten und Fakten im Netz nichts zu tun." Der Journalismus werde auch künftig die den kreativen Menschen brauchen. Ihm widersprach Sebastian Matthes, Chefredakteur der "Huffington Post" in Deutschland, die sich als eine große Plattform für Journalisten, Leser und Expertenmeinungen versteht. Mattes: "Die Nutzung des Roboters macht den Journalismus besser." Ein großer Kurssprung am Aktienmarkt könne von einem Roboter beobachtet, die Geschichte dazu könne vom Menschen beigesteuert werden.
Ohne den Computer als Hilfsmittel werde der Redakteur nicht auskommen, meinte auch Christoph Dernbach, Geschäftsführer der dpa-infocom. Als ein Beispiel nannte er die Sportgrafiken, die samstags gegen 17.20 Uhr gleich nach Spielschluss der Bundesliga in die Dienste gingen. "Ein massiver IT-Einsatz" sei ein Hilfsmittel. Gleichwohl bleibe der Journalismus weiterhin "geprägt von Menschen, die Geschichten mit persönlicher Einschätzung erzählten".
Unzufrieden sind die Zeitungsverleger mit der Sonderregelung beim Mindestlohn. "Die Privilegierung, die wir beim Mindestlohn erhalten sollten, läuft so, wie sie ausgeführt ist, komplett ins Leere", sagte der Erste Vorsitzende des Verbands Bayerischer Zeitungsverleger, Andreas Scherer. Die Regelung gelte nur für reine Zeitungszusteller, die es aber kaum noch gebe. Die meisten Austräger verteilten auch Prospekte und Briefe. "So kommen für uns bundesweit Kosten von zusätzlich 220 Millionen Euro auf uns zu."
Übrigens: Print muss weiter tapfer sein. Während Onlinemedien in Deutschland ihre Gesamterlöse einer Studie zufolge in den anstehenden Jahren weiter steigern werden, müssen Zeitungen und Zeitschriften noch einmal mit Rückgängen rechnen. Solide schlagen sich demnach künftig die Branchen Film und Fernsehen, wie aus einer Auswertung des Wirtschaftsprüfungshauses PricewaterhouseCoopers zur künftigen Umsatzentwicklung der Unterhaltungs- und Medienwirtschaft für den Zeitraum bis 2018 hervorgeht.
Der jährliche Zuwachs bei der Online-Werbung beträgt demnach 6,4 Prozent. Sie soll im Jahr 2018 ein Volumen von rund 7,0 Milliarden Euro erreichen - im laufenden Jahr sollen es gut 5,5 Milliarden sein. Die Einnahmen der Zeitschriften aus Vertrieb und Anzeigen werden der Studie zufolge von etwa 5,5 Milliarden in diesem Jahr auf 5,3 Milliarden in vier Jahren sinken, bei den Zeitungen wird ein Rückgang um rund 500 Millionen auf knapp 7,3 Milliarden im Jahr 2018 erwartet. Weiter ordentlich wird das Segment Film funktionieren. Hier ist laut PricewaterhouseCoopers mit einem jährlich Umsatzplus von 2,6 Prozent (2018: 3,25 Milliarden) zu rechnen. Die Umsätze im Fernsehen steigen jährlich um 2,0 Prozent bis auf 14,3 Milliarden Euro nach rund 13,45 Milliarden im laufenden Jahr - das Beitragsaufkommen für den öffentlich-rechtlichen Funk ist in der Summe mit eingerechnet.
dpa/ps