Andersrum gefragt: Hilft nicht gerade das Pendant beim Discounter, dass man sich mit Luxus-Produkten noch besser abgrenzen kann vom nennen wir es mal „Schampus-Prekariat“?

Ehrlich gesagt erfolgt die Differenzierung gar nicht so sehr über die Zielgruppen. Der hybride Verbraucher verwendet durchaus das Discount-Produkt und die Luxusmarke. Entscheidend sind die Anlässe, für welche man sich für das eine oder andere Produkt entscheidet. Zum einfachen Anstoßen tut es das No-Name Produkt, wenn es aber darum geht, einen emotionalen Moment zu krönen, sich gegenüber geschätzten Gästen großzügig zu zeigen oder einfach einen besonderen Genuss zu erleben, entscheidet man sich für eine der Marken unseres Hauses.

Wie würden Sie Luxus-Konsumenten beschreiben? Tickt da die deutsche Klientel anders?

Den Luxuskonsumenten gibt es nicht mehr. Wir sind ja in Deutschland glücklicherweise in einer Situation, in welcher sich breite Gesellschaftsschichten prinzipiell Luxusgüter leisten können und das zu unserem Glück auch gerne tun. Was aber den deutschen Konsumenten im Luxusbereich von Käufern in anderen Ländern unterscheidet, ist die Tatsache, dass rationale oder messbare Produktkriterien als Hygienefaktoren eine deutlich größere Rolle spielen. Die Markendifferenzierung jedoch findet wie auch in anderen Ländern über emotionale Aspekte statt. 

Alle reden von digitaler Transformation. Wie lässt sich so ein traditionsverhaftetes Unternehmen wie Ihres ins digitale Zeitalter überführen? Wie ist der Stand der Dinge?

Das Wort „traditionsverhaftet“ würde ich für unsere Gruppe nicht gelten lassen. Das klingt mir zu sehr nach Folklore. Selbstverständlich sind wir uns der Geschichte unserer Häuser durchaus bewusst, und auch der Erfolgsfaktoren, welche sie in der Vergangenheit stark gemacht haben und dies auch heute noch tun. Aber wir wären mit unseren Marken nicht auch heute noch in vielen Kategorien Marktführer, wenn es diesen Häusern nicht gelungen wäre, sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg immer wieder neu zu erfinden und die traditionellen Werte der einzelnen Marken an die jeweilige Zeit anzupassen. Insofern haben wir keinerlei Berührungsängste mit der digitalen Welt und wir sind bestrebt, die digitale Transformation aktiv mitzugestalten. Aber natürlich stellt auch uns die Disruption in vielen Bereichen unseres Umfelds, sei es in der Kommunikation oder im Vertrieb, sowie das sich immer schneller ändernde Verbraucherverhalten täglich vor neue Herausforderungen.  

Sie unterhalten einen exklusiven Online-Shop nur für registrierte Besucher. Wer „darf“ da einkaufen?

Grundsätzlich kann sich jeder Verbraucher bei Moethennessy-Selection.de registrieren. Allerdings treten wir auf dieser Seite nicht mit unseren Partnern im stationären oder Online-Handel in den Preiswettbewerb. Daher ist diese Seite insbesondere für Konsumenten von Interesse, welche Zugang zu besonders exklusiven Produkten in unserem Sortiment suchen, oder bestimmte Dienstleistungen, die wir im klassischen Handel üblicherweise nicht anbieten können, wie zum Beispiel die Personalisierung von ausgewählten Produkten. Aus Marketing-Sicht ist dieser Kanal für uns auch von besonderer Bedeutung, da er es uns ermöglicht, in Bezug auf die Consumer Journey den Kreis zu schließen: Dadurch können wir Konsumenten, welche wir durch bestimmte Kommunikationsmaßnahmen für unsere Marken begeistert haben auch gleich nahtlos das entsprechende Produkt in einem kontrollierten Umfeld anbieten. 

Sie sprachen von Personalisierung, gerade eines der großen Themen in der Kundenkommunikation. Wollen Luxuskonsumenten noch individueller/persönlicher angesprochen werden als der durchschnittliche Verbraucher?

Personalisierung spielt für uns in der Tat eine zentrale Rolle. Das beginnt bereits bei der Betreuung unserer Top-Accounts im Handel und in der Gastronomie, denen wir heute nicht mehr einfache Lösungen von der Stange anbieten können, sondern mit denen wir gemeinsam maßgeschneiderte Konzepte entwickeln, um ihr Business mit unseren Marken voranzubringen, sei es durch individuelle Visibilitätskonzepte im Handel, oder durch einzigartige Events und Service-Rituale in der Gastronomie. Aber auch was unsere Produkte betrifft, bieten wir seit einigen Jahren immer mehr individualisierbare Produkte an. Unser aktuellstes Beispiel ist „Belvedere Bespoke“ – hier bieten wir die Möglichkeit, sich eine Belvedere Vodka-Flasche durch eine neuartige Lasergravur-Technologie zu personalisieren. Dabei wird die silberfarbene Belvedere-Flasche individuell gelasert. Ob Name, Anlass, Logo oder kurze Nachricht, jede Botschaft wird zum Leuchten gebracht und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Flasche erstrahlt durch das eingebaute LED-Licht in der Dunkelheit.

Welche Werbekanäle stehen bei Ihnen derzeit im Fokus – und warum?

Das hängt natürlich von den jeweiligen Zielgruppen sowie den Marketing-Zielen unserer Kampagnen ab. Wenn es darum geht, Neuverwender im Alter von 25 bis 35 Jahren an unsere Marken heranzuführen, spielen alle digitalen Kanäle natürlich eine große Rolle. Insbesondere, wenn es darum geht, nicht nur Awareness aufzubauen, sondern eben auch ein weiterführendes Involvement mit der Marke zu erzeugen. Aber auch Printmedien haben für uns nach wie vor eine hohe Bedeutung. Nicht nur, um gegenüber eher traditionelleren Zielgruppen einen ausreichenden Werbedruck zu erzeugen. Das Rezeptionsverhalten von „Lean-Back“ Printmedien sowie die Haptik hochwertiger Printtitel erlaubt es uns, die Emotionalität und Sinnlichkeit unserer Produkte in einem entsprechenden redaktionellen Umfeld zu vermitteln.  

Welches Image hat Champagner denn bei der jungen Zielgruppe? 

Im Unterschied zu unseren traditionelleren Konsumenten, welche unsere Champagner eher zu besonderen Anlässen wie zum Jahresende oder besonderen Feierlichkeiten oder Erfolgen konsumieren, sind unsere Millennial-Konsumenten deutlich spontaner veranlagt. Hier geht es um das Hier und Jetzt. Der besondere Moment braucht keinen formalen Anlass, sondern er entsteht einfach und wird zelebriert. Die persönliche Belohnung und der Genuss mit Freunden steht dabei im Vordergrund. Ein Beispiel hierfür ist unsere „The Now“ Kampagne von Moët & Chandon. Hier zelebrieren wir genau diesen Spirit des spontanen Konsums im Rahmen einer 360-Grad-Kampagne, deren zentrales Element digitale Videoformate sind, welche wir über verschiedene digitale Kanäle distribuieren. Dazu kommen natürlich verschiedene Social-Kampagnen, sei es über eigene Kanäle oder Influencer. Von besonderer Bedeutung ist aber auch der Point of Sale beziehungsweise Point of Consumption, wo wir die Leitidee der Kampagne besonders gut zum Leben erwecken können.

Ein anderes Beispiel ist unsere aktuelle Hennessy-X.O-Kampagne, wo wir unter dem Claim „Don’t Wait To Experience Greatness“ Konsumenten dazu auffordern, nicht darauf zu warten, sich irgendwann in Zukunft einen besonderen Genuss zu verdienen, sondern sie dazu autorisieren, sich auch heute zu belohnen. Dies tun wir nicht nur über die üblichen digitalen Kanäle, sondern wir spielen die Kampagne auch über Print und Out-of-Home-Strecken sowie über eine Virtual Reality Experience, die den besonderen Hennessy X.O-Konsum-Moment auf einzigartige Weise zelebriert. 

Ihr Unternehmen ist Teil des Konglomerats LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton SE. Inwieweit lassen sich da Synergien nutzen? Stärken sich die Marken untereinander – oder ist die Zugehörigkeit für den Konsumenten irrelevant?

Die einzelnen Marken beziehungsweise Häuser innerhalb der LVMH Gruppe genießen eine sehr hohe Autonomie, was eine Grundvoraussetzung ist, die Vielfalt der einzelnen Marken zum Erstrahlen zu bringen und den kreativen Output zu maximieren. Die Synergien finden weitestgehend im Backoffice statt, wie zum Beispiel im Bereich der Human Resources oder im Media-Einkauf. 

Man kann auch einfach mit Sekt anstoßen, oder Mineralwasser. Dennoch hält sich hartnäckig das Gefühl, wenn es etwas Besonderes zu feiern gibt, müsse Champagner her.  Wie Sie sagen, offensichtlich auch bei jüngeren Zielgruppen. Woher kommt das? Typisch deutsch? 

Das kompromisslose Qualitätsmanagement der Champagne über Jahrhunderte ist sicherlich eine wesentliche Voraussetzung für diese Sonderstellung. Es gibt weder billigen – selbst der sogenannte Aldi-Champagner ist immer noch teurer als 97 Prozent des in Deutschland verkauften Sektes – noch schlechten Champagner. Dadurch wird der Genuss von Champagner immer eine wohlüberlegte Konsumentscheidung sein – und das Servieren von Champagner immer eine besondere Geste der Großzügigkeit. Typisch Deutsch ist in diesem Zusammenhang vielleicht die besonders ausgeprägte Anspruchshaltung der Verbraucher, sei es in Bezug auf die Produktqualität, als auch auf die Authentizität der Marken sowie den emotionalen Mehrwert. Auch hier gilt es, den Verbraucher immer wieder aufs Neue zu begeistern. 

Mehr zum Thema Luxus und Luxuskonsumenten lesen Sie der aktuellen Ausgabe der W&V 46/2016 (ET: 14.11.2016).


Autor: Irmela Schwab

ist Autorin bei W&V. Die studierte Germanistin interessiert sich besonders dafür, wie digitale Technologien Marketing und Medien verändern. Dazu reist sie regelmäßig in die USA und ist auf Events wie South by Southwest oder der CES anzutreffen. Zur Entspannung macht sie Yoga und geht an der Isar und in den Bergen spazieren.