
NDR installiert Martin Munz als Recherchechef
Mit der Gründung neuer Investigativ-Teams versuchen immer mehr Redaktionen, im heftiger gewordenen Wettbewerb um Exklusivmeldungen und gesellschaftliche relevante Geschichten Profil zugewinnen.
Das NDR-Fernsehen hat Martin Munz zum "Teamchef Recherche“ berufen. Munz steuerte zuvor das Ressourcenmanagement in der Programmdirektion Fernsehen des NDR. Er soll im Auftrag von Programmdirektor Frank Beckmann die investigativen Recherchen der Magazine Zapp, Panorama und Plusminus sowie der Bereiche Sport, Dokumentationen und Dokumentarfilm koordinieren.
"Es geht darum, dass wir unsere Mittel gebündelt einsetzen und noch schlagkräftiger werden,“ sagt Munz. Das bedeutet einerseits, die innerbetriebliche Konkurrenz zwischen den Magazinen aufzulösen und voneinander unabhängige Doppelrecherchen besser aufeinander abzustimmen. Andererseits sollen Rechercheprojekte von vorneherein gezielt unterschiedliche Aspekte eines Themas für die verschiedenen TV-Magazine beleuchten.
Munz verfügt jährlich zusätzlich über einen sechsstelligen Etat, um konzertierte Rechercheprojekte anzuschieben. Ob das Geld zusätzlich investiert wird oder woanders abgezogen wurde, ist W&V nicht bekannt. Neben der Recherche werden beim NDR auch die Programmbereiche "Humor“ und "Ratgeber“ in Zukunft stärker aufeinander abgestimmt.
Als Ansporn für die Koordination der TV-Rechercheure dürften nicht zuletzt die Erfolge des Reporterteams im hauseigenen Radiosender NDR-Info gewirkt haben. Der Sender hat mit Recherchen zur HSH Nordbank-Affäre, der Hamburger Sparkasse oder dem AWD-Datenskandal beachtliche Erfolge erzielt und damit das Markenprofil des Senders geschärft. Das Team um Jens-Peter Marquardt (sechs festangestellte Reporter, sechs freie) hat für seine Arbeit im vergangenen Jahr vom Netzwerk Recherche den "Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ bekommen. Insgesamt versucht der NDR, die Recherchen von Radio, Fernsehen und Internet über alle Kanäle hinweg stärker zu vernetzen.
Um im Wettbewerb um Aufmerksamkeit Profil zu gewinnen, kündigten kürzlich auch Printmedien wie "Stern“, "Welt“, "WAZ“, "Focus“ und die Nachrichtenagentur DAPD an, mehr in investigative Recherche investieren zu wollen. Fraglich ist allerdings, ob es sich dabei um Symbolik handelt oder um ernstgemeintes Engagement -- oder ob mit der Konzentration auf Rechercheteams gar die Struktur für weitere Rationalisierungsmaßahmen in den Ressorts geschaffen wird.
Hans Leyendecker, Leiter des Ressorts investigative Recherche bei der "Süddeutschen Zeitung" glaubt, dass die Konzentration investigativer Kräfte in einer Redaktion grundsätzlich "inspirierend auf andere Ressorts wirken" kann. Allerdings müsse man abwarten, ob es sich bei der ein oder anderen Aktion "nicht um reines Marketing" handle.
W&V hat die PR-wirksam angekündigten Investigativteams unter die Lupe genommen. Wie sich die Teams zusammensetzen, ob tatsächlich investiert oder nur umorganisiert wird, und wo die Risiken solcher Redaktions-Elitetruppen liegen, welche der angekündigten Konstellationen Sinn macht und wohinter sich womöglich nur PR-Geklingel verbirgt,
lesen Sie in der aktuellen W&V (EVT: 29.07.2010).