
Lebensmittelkonzerne:
Nestlé, Mars, Mondelez und Kollegen wollen Ampel für Portionen
Im Streit um die Kennzeichnung von Lebensmitteln schlagen Konzerne nun eine Ampel für Portionen vor. Als Maßeinheit ist das Verbraucherschützern zu schwammig.

Foto: W&V/sh
Wer ist schuld an Übergewicht und ungesunder Ernährung? Und: Wie deutlich muss der Hersteller dem Verbraucher zeigen, ob sein Produkt gesund ist oder eher im Maßen genossen werden sollte? Der Streit um die Kennzeichnung von Lebensmitteln schwelt. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Zur Deeskalation wollen nun Unilever, Mars, Nestlé, Coca-Cola, Pepsico und Mondelez beitragen: Sie schlagen eine eigene Ampel-Kennzeichnung für Essensportionen vor und wollen damit zu besserer Ernährung und zum Kampf gegen Fettleibigkeit beitragen. Bisherige Ampel-Modelle, wie sie auch in anderen Ländern eingesetzt werden, zeigen in Rot, Gelb und Grün an, ob der Anteil weniger gesunder Bestandteile wie Zucker, Salz und Fett gering (also gesund) oder hoch (also ungesund) ist. In Großbritannien ist das Modell seit 2006 im Einsatz.
Bislang wehrte sich die Lebensmittelindustrie gegen das Ampel-Modell, die Politik setzte auf Aufklärung statt Kennzeichnungspflicht. Nun wollen die sechs großen Konzerne darauf hinarbeiten, dass künftig auf den Verpackungen Angaben zum Nährwert von Portionen prominent platziert würden. Durch gut sichtbare Informationen könnten Verbraucher in der EU besser informiert werden und schließlich eine gesündere Wahl beim Lebensmittelkauf treffen, teilten die Unternehmen mit.
Für die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch kritisiert der Verband den Ansatz. "Den VZBV freut es, dass große Lebensmittelhersteller endlich eingesehen haben, dass eine Ampelkennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmitteln Verbraucherinnen und Verbrauchern eine wichtige Hilfestellung bei ihrer Kaufentscheidung bietet", sagt VZBV-Vorstand Klaus Müller.
Aber: Nur auf den ersten Blick sei der Vorschlag ein Durchbruch. Denn: "Es gibt kein einheitliches Verständnis darüber, was 'eine Portion' ist - Menschen essen nicht immer gleich große Portionen", sagt Müller. Mit dem Vorschlag würde vielmehr "der Vergleich des Nährstoffgehalts verschiedener Lebensmittel sogar erschwert und kann in die Irre führen". Der VZBV forderte die Konzerne auf, einen einheitlichen Wert von 100 Gramm oder 100 Millilitern zu verwenden, um die Produkte besser vergleichen zu können.
Ähnlich lautet die Kritik der Grünen im Bundestag: Der Vorschlag sei zur Orientierung für die Verbraucher "leider völlig ungeeignet – schlimmer noch: Es ist Verbrauchertäuschung, wenn Zucker-, Fett- oder Salzgehalt pro Portionsgröße und nicht pro 100 g bzw. 100 ml den Ausschlag geben", weil die Unternehmen selbst festlegen, was eine Portion ist.
Der Verbraucherschutzverband Foodwatch fordert ebenfalls (und seit Jahren) Ampel-Angaben auf Basis von 100 Gramm. Denn mehr als die Hälfte der Erwachsenen und jedes fünfte Schulkind in der EU sei übergewichtig.
Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) lehnt Ampel-Kennzeichnungen bisher ab, ebenso wie das EU-Parlament. Seit Ende vergangenen Jahres müssen verpackte Lebensmittel in der EU durch eine einheitliche Nährwerttabelle gekennzeichnet werden, die Nährstoffgehalte bezogen auf 100 Gramm oder 100 Milliliter angibt. Dies gilt für den Brennwert (Kalorien), Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz. Verbraucherschützer sehen weiterhin Schwächen der Vorgaben, da sie beispielsweise nicht für Alkohol gelten. Und nicht übersichtlich sind. (sh/dpa)