Profitiert jede Marke von der Einführung eines „Corporate Scents“ oder trifft dies nur auf bestimmte zu?

Grundsätzlich kann jede Marke vom Dufteinsatz profitieren, jedoch wird der Aufwand dafür unterschiedlich hoch sein. Der Aufwand wächst, wenn das Unternehmen oder eine bestimmte Marke bislang noch keinen direkten Duftbezug hatte wie zum Beispiel Optiker und die Finanzbranche, oder wenn man sich aus Differenzierungsgründen für einen einzigartigen Brand Scent anstelle eines besonders produktaffinen Dufts entscheidet. In diesen Fällen muss der Duft erst als neues Markenelement von den Konsumenten gelernt werden. Produktaffine Düfte werden von den Verbrauchern hingegen schnell verstanden und können die Produktwahl beeinflussen. Jedoch stehen diese Düfte eher für eine Produktkategorie und weniger für eine konkrete Marke, weshalb sie weniger zur Markendifferenzierung geeignet sind.

Was muss man auf jeden Fall beachten, wenn man einen Duft am Point-of-Sale einsetzt?

Wird der Duft vom Händler als dezenter Hintergrundreiz eingesetzt, um eine angenehme Einkaufsatmosphäre zu schaffen, sollte die Duftintensität eher gering sein. Denn ähnlich wie zu grelles Licht oder zu laute Musik kann auch ein zu intensiver Duft als unangenehm erlebt werden. Darüber hinaus sollte man natürlich unangenehme Gerüche im Geschäft vermeiden, weil sich dadurch die Aufenthaltsdauer stark verkürzen kann.

Was schätzen Sie: Um bis zu wie viel Prozent lässt sich der Anteil von Spontankäufen steigern?

Mit allgemeinen Angaben bin ich immer vorsichtig, da solche Daten von der Produktkategorie und dem konkret eingesetzten Duft abhängen. In einigen Studien konnten wir aber wenigstens eine tendenziell gestiegene Spontankaufrate feststellen, z.B. in einem Buchgeschäft mit einem Sandelholzduft oder in einem Blumengeschäft mit einem wässrig-frischen Duft.

Welche weiteren Effekte kann der Einsatz eines Corporate Scents am POS haben und wo liegen dessen Grenzen?

Relativ gut untersucht sind soziale Duftwirkungen. Bei der Freisetzung eines Blumendufts in einem Gartencenter konnten wir gegenüber dem Kontrollzeitraum feststellen, dass die Verkäufer auf die Kunden kompetenter wirkten. Eine US-Studie zeigte sogar, dass in einem Einkaufscenter die Hilfsbereitschaft in den Bereichen stieg, in denen es angenehm roch. Häufig konnten wir auch einen Rückgang negativer Markenassoziationen messen, was letztlich zu einem positiveren Image führt. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis kann als vorteilhafter empfunden werden. Für Duftwirkungen muss man übrigens nicht gleich den ganzen Verkaufsraum beduften. Einen positiven ersten und letzten Eindruck kann man schon erzielen, wenn man im Eingangsbereich einen „Welcome“-Duft freisetzt. Sie werden aber teilweise von den alltäglichen Einkaufserfahrungen der Konsumenten limitiert. Wenn Kunden sich die Herkunft eines Dufts nicht implizit erklären können, kann dies unter Umständen auch verwirrend wirken.

Mit Hilfe eines Dufts lässt sich die Aufmerksamkeit des Kunden auf ein bestimmtes Produkt lenken. Ist das schon Manipulation?

Manipulation kann man bei Düften ausschließen, da ein angenehmer Duft im Raum aus Kunden keine willenlosen Konsumzombies macht. Aber wie auch bei anderen Marketingmaßnahmen ist eine Beeinflussung durchaus gewollt, beispielsweise indem der Kunde sich im Geschäft besonders wohlfühlt, dadurch länger verweilt, mehr Gelegenheiten bekommt sich umzusehen und Produkte für sich zu entdecken.

Dass sich Kunden aber nicht beliebig an der Nase herumführen lassen, zeigte eine andere Studie. Vor einigen Jahren untersuchten wir die Hypothese, dass sich der Abverkauf von Tafelschokolade aus einer Zweitplatzierung erhöht, wenn es dort angenehm nach Schokolade riecht. Das Gegenteil war aber der Fall: es wurde weniger gekauft. Bei der Interpretation der Ergebnisse wurde uns bewusst, dass der Schokoladenduft eigentlich erst beim Öffnen der Verpackung wahrzunehmen ist, während die geschlossene Verpackung keinen Duft abgibt. Offenbar haben viele Kunden implizit vermutet, dass sich in dem Stapel beschädigte Ware befindet, weshalb sie vom Kauf Abstand nahmen. Die Kauferfahrungen der Konsumenten boten in diesem Fall also einen unterbewussten Schutz gegen den Beeinflussungsversuch.

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Autor: Christa Catharina Müller

Christa Catharina Müller ist Teil des Teams Digital Storytelling, der Entwicklungsredaktion des Verlags Werben und Verkaufen. Sie ist verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung von Podcasts. Daneben experimentiert sie regelmäßig mit anderen Erzählformaten. Bevor sie zu W&V kam, war sie als freie Autorin mit den Schwerpunkten Mode und Digital tätig.