Pitch-Berater John Sealey: "Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen Pitch-Honoraren und Qualität"
Gratis-Mentalität und schlechte Briefings: Die Diskussion um unprofessionelle Pitches kocht weiter. John Sealey von der internationalen Pitch-Beratung The Observatory hat dazu eine ganz spezielle Meinung.
Die öffentliche Pitch-Absage in einem Youtube-Video durch den Chef der Hamburger Kommunikationsagentur Achtung, Mirko Kaminski, hat in der vergangenen Woche in der Branche für erheblichen Wirbel gesorgt. John Sealey von der internationalen Pitch-Beratung The Observatory spricht im Interview mit W&V Online über die internationalen Pitch-Gepflogenheiten und darüber, woran es bei Wettbewerbs-Ausschreibungen am meisten hapert.
Herr Sealey, Gratis-Pitches sind ein ziemlich altes Streit-Thema. Warum hat die öffentliche Pitch-Absage durch den Achtung-Chef Mirko Kaminski auf Youtube so viel Aufsehen erregt?
Ich glaube die Aufregung war hier deshalb so groß, weil die Agenturen nicht mal ein Briefing bekommen haben. Wobei doch gerade das Briefing den Grundstein für erfolgreiche Ergebnisse legt. Das spricht Bände über den vermutlich geringen Stellenwert, den dieses Unternehmen Agenturleistungen beimisst.
Hat die Qualität der Briefings generell abgenommen?
Das kann ich nicht behaupten. Unternehmen, die gut briefen, briefen nach wie vor gut. Man soll allerdings die Briefing-Kultur selbst unter die Lupe nehmen. In der Regel führen belanglose Briefings zu suboptimalen Ergebnissen. Unternehmen, die ihr Glück nicht dem Zufall überlassen möchten, investieren besser überschaubare Ressourcen in die Gestaltung eines effizienten und wirksamen Briefing-Prozesses. Von der Zeit, die zusätzlich in Briefings investiert wird, profitieren beide Parteien erheblich.
Aber wie ist es zu erklären, dass manche Unternehmen darauf so wenig Wert legen?
Das ist mir unerklärlich. Eine Agenturausschreibung stellt für jede Marke einen schicksalhaften Moment dar. Es geht hier jedes Mal um möglicherweise entscheidende Kurskorrekturen oder Änderungen in der Markenkommunikation. Wenn das Unternehmen nicht genau weiß, was es erreichen will, verbaut es sich jede Chance. Agenturen können einen Riesen-Beitrag für die Zukunft einer Marke leisten.
Sie betreuen Agentur-Pitches nicht nur in Deutschland, sondern international. Wie sieht es denn in anderen Ländern mit Pitch-Honoraren aus?
In Deutschland werden traditionell Pitch-Honorare gezahlt. Und ich finde es gut, dass es hier diese Kultur gibt. In Großbritannien und in den USA sieht es ganz anders aus: Dort sind Pitch-Honorare überhaupt nicht gang und gäbe. Ich sehe allerdings auch keinen Zusammenhang zwischen der Zahlung von Pitch-Honoraren einerseits und der Qualität der Arbeit oder der Wertschätzung von Agenturleistungen andererseits.
An welchen Stellen hapert es sonst noch häufig im Pitch-Prozess?
Ein Problem ist oft, dass innerhalb des Unternehmens keine Einigkeit darüber herrscht, was die Erwartungen sind. Da will das internationale Marketing vielleicht etwas ganz anderes als die nationale Marketingabteilung, oder der Vertrieb etwas völlig anderes als das Marketing. Es kommt vor, dass man acht verschiedene Ansprechpartner in einem Unternehmen hat und jeder von ihnen eine ganz andere Vorstellung hat, was eine gute Kreativagentur ausmacht. Ganz entscheidend für eine gute Kunden-Agentur-Beziehung ist der menschliche Faktor. Der Auftraggeber muss das Agentur-Team, das seine Marke später betreut, vorher kennenlernen und für gut befinden wie bei der Neueinstellung von Mitarbeitern. Und auch die Agentur muss vorher ganz tief ins Unternehmen eintauchen und all dessen Besonderheiten und Eigenheiten kennenlernen. Dies wird ebenfalls häufig unterschätzt.
Interview: Markus Weber