
Startup: Erotik-Autorin:
Pornoprojekt "Suzette Oh": Auch Sex braucht Content
Ingeborg Trampe alias "Suzette Oh" hat sich getraut: Die PR-Beraterin erzählt, wie man mit einem Porno-Projekt Buchautorin bei Holtzbrinck wird. Und der Facebook-Taktik, die dabei half.
Die Hamburger PR-Beraterin Ingeborg Trampe berichtet bei W&V Online von ihrem Kreativ-Abenteuer: Das Erotik-Buch "Pussy Diary" ist vor Kurzem bei der Holtzbrinck-Tochter Droemer Knaur erschienen. Diesmal beschreibt "Suzette Oh" ihre Social-Media-Strategie.
Das zweite Manuskript liegt über Wochen in meinem Schrank. Je länger ich nicht reinschaue, desto größer wird meine Unruhe, es jemanden zu zeigen. Schließlich springe ich über meinen Schatten und schicke es meiner Agentin. Tagelang höre ich nichts. Stattdessen gehen fleißig Mails zu "Pussy Diary" hin und her. Viele Details müssen mit dem Verlag abgestimmt werden, zum Beispiel, wie wir mit dem Jugendschutz umgehen, wie das Buch im Handelsmarketing positioniert werden soll usw. Ich selbst mache Ende April einen kleinen Workshop beim Grandmaster des Facebook-Marketing Lukas Adda, den ich durch frühere Jobs kenne. Meine Autorenseite hat bei Facebook lange vor sich hingeschlummert. Zusammen machen wir einen Schlachtplan, wie ich die Zeit bis zur Veröffentlichung des Buchs nutzen kann. Eins ist klar, ich muss sowohl meinen Suzette-Oh-Blog wieder bespielen als auch die Facebook-Seite ständig aktuell halten.
Nach dem Workshop laufe ich direkt in einen großen Sexshop auf der Reeperbahn, wo ich den Einkaufswagen mit allen möglichen Spielzeugen und Utensilien fülle, die ich als Fotomaterial für den Blog brauche. Obwohl mir Lukas zu einem eigenen SuzetteOh-Google-Plus-Profil rät, entscheide ich mich dagegen. Ich muss eher Komplexität reduzieren, um nicht abzusaufen zwischen Beraterjobs, Buchmarketing und dem zweitem Manuskript. Heiner Rogge gestaltet mir inzwischen weitere Illustrationen für Facebook, ich setze dort die Altersgrenze des SuzetteOh-Profils auf 18 Jahre hoch und teste zum ersten Mal eine Reichweitenkampagne über den Kanal. Ich lege mein Tagesbudget auf 20 Euro fest und kann jeden Tag dabei zusehen, wie meine Seite neue Likes generiert. Allerdings irritiert mich zunehmend, dass die Seite von Menschen im fernen Indien oder Ägypten geliked wird, obwohl ich Deutschland, Schweiz und Österreich als Zielgruppenländer festgelegt habe.
Ich grübele ein wenig, wie ich den Blog mit Content fülle, ohne mir Geschichten für das zweite Buch wegzunehmen, und entscheide mich schließlich für eine Art "Dr. Sommer"-Format für Erwachsene, mit dem ich dann auch meine SuzetteOh-Seite auf Facebook füttere. Ich nehme typische Gesprächsthemen aus meinem Bekanntenkreis als Aufhänger. Doch mit der Zeit werden mir tatsächlich auch Fragen von Lesern geschickt. Endlich meldet sich meine Agentin Sabine Langohr. Sie mag das neue Manuskript sogar noch lieber als das erste, auch wenn sie mir lachend gesteht, auf der ersten Seite noch etwas über den drastischen Einstieg in die Geschichte irritiert gewesen zu sein. Ich glaube ja stark daran, dass sich Leser nach nur einer Seite für oder gegen ein Buch entscheiden, also habe ich es beim zweiten Buch bewusst gleich krachen lassen. Obwohl ihr Urteil so positiv ist, entschließe ich mich, nochmal am Manuskript zu feilen, bevor es an den Verlag geht.
Kurz vor Veröffentlichung von "Pussy Diary" will ich erneut eine Reichweitenkampagne fahren, um über die kritische 500-Fan-Marke zu kommen. Dafür tune ich die Zielgruppe nochmal im Detail und will vor allem an Facebook-User heran, die sich für erotische Themen interessieren. Zunächst läuft alles super. Das Facebook-Targeting funktioniert beim zweiten Mal 1a. Inzwischen fangen auch die ersten Fans an, mit Suzette Oh über Facebook-Messenger zu kommunizieren. Es werden auch die ersten Muskel-Oberkörper-Bilder verschickt. Ich bleibe freundlich distanziert. Meistens erledigen sich solche Sachen eben doch von alleine. Dann allerdings liked nach drei Tagen ein Mitarbeiter von Facebook aus dem Ausland die Seite, einen Tag später wird meine Werbemaßnahme gestoppt, weil ich gegen die Werberichtlinien des Netzwerkes verstoße, das eine scharfe Grenze zu Erwachsenenprodukten zieht. Und das, obwohl ja meine Seite erst ab 18 Jahre sichtbar wird. Ich wünschte, Facebook wäre so strikt etwa bei rassistischen Inhalten.
Ich ärgere mich zwar, aber halte an meinem Plan fest, schreibe weiter den Blog und interagiere via Facebook mit anderen Seiten, die in mein thematisches Umfeld passen, wie Vice, Gofeminin, Cosmopolitan und dem Onlinemagazin von Beate Uhse, das vor wenigen Wochen meine Geschichte aus dem Kompendium "Die Literarische Sau" veröffentlicht hat.
Bei jedem Facebook-Beitrag bekomme ich unmittelbar mit, wie interessant oder uninteressant der Content für die Leser war. Besonders gut gehen Themen, die sich mit Pornografie, erotischen Fantasien von Frauen und Analsex beschäftigen. Ich lerne auch, dass Dienstage keine guten Posting-Tage sind, sich dafür aber Freitag und Samstag viele auf der SuzetteOh-Facebook-Seite tummeln. Der Verlag Droemer Knaur sucht inzwischen via Facebook mit verhülltem Buchcover nach Testlesern für "Pussy Diary". Die Resonanz ist gut. Mit der PR-Abteilung des Verlags bespreche ich den Verteiler für die Medienarbeit. Dann kommt die erste Rezension einer Testleserin. Und ich sehe rot.
Bisher erschienen:
Folge 1: Wie wird man eigentlich Erotik-Autorin?
Folge 2: Ich brauche eine Agentur
Folge 3: Von zähen Verhandlungen, harter Arbeit und großen Möpsen