Er muss versuchen, im Radiospot das gewünschte Bild eines Produktes oder der Leistung qua "Kopfkino" hervorzurufen. Das funktioniert nicht über Lautstärke, sondern über marken- und produktspezifischen Inhalt und dessen Sound. Der Apfelbiss, das Knacken des Kekses, der perlende Sekt, das Winkerblinken separat wahrgenommen, gibt dem zugehörigen Produkt eine Bühne. Das gilt für jegliche Klänge von Bedeutung. Höre ich die Tatort-Titelmusik, muss ich nicht die Bilder dazu aufnehmen, die Ohren denken mit.

Glauben Sie nicht, dass auch ein spezifischer Markensound nerven kann? Penetranz ist ja manchmal genauso schlimm wie Lautstärke.

"Jein" lautet meine Antwort und zwar wegen folgender Problematik: Etablierung von Werbe- oder Markenbotschaften ist ohne Penetranz nicht machbar. Die Form der Penetranzerreichung ist das eigentliche Problem. Konditionierung erfolgt nun einmal über ein hohes Maß an Wiederholungen. Im Idealfall werden über alle Berührungspunkte, die der Kunde mit einer Marke hat, akustische Anker etabliert, die, wenn sie kreativ und intelligent eingesetzt werden, eben nicht vordergründig nerven, sondern subtil die Markenwerte vermitteln helfen. Die Herausforderung der Zukunft wird sowieso sein, ein Markenerlebnis mit allen Sinnen zu kreieren. Einer davon ist immer auch Sound. Dennoch wird es immer ein paar Marken geben, bei denen das Nerven quasi auf der Agenda steht – ich muss hier keine Namen nennen, oder?

Was halten Sie eigentlich vom Markensound der Radiosender selbst? Gibt es da Klassiker, die man nie ändern sollte oder nutzt sich alles irgendwann ab?

Nicht ‚Sound Pretending’ sondern Sound Branding sollte zunehmend auf der Sender-Agenda der Macher stehen. Klassiker sind immer die, welche in der "Verpackung", so nennen es die Radiomacher, z.B. ihrem Senderlogo deshalb treu geblieben sind, weil es über Jahre die eigene Senderpersönlichkeit passend repräsentiert. Aber natürlich sollte sich ein Sender wie jede Marke zu gegebener Zeit fragen: "Stimmt denn mein Auftritt noch mit meinen Werten und meiner Positionierung überein?" Das heißt nicht, wegschmeißen und alles neu machen. Oft ist eine nachvollziehbare Weiterentwicklung wertvoller. Denn es geht dabei auch um den Erhalt von Markenguthaben. Wenn ich mir den neuen akustischen Auftritt von Krombacher anhöre, bin ich mir nicht so sicher, ob dort das Thema Guthaben richtig eingeschätzt wurde.

Vor kurzem wurde der deutsche Radiopreis verliehen. Welchem Sender würden Sie denn einen Preis verleihen?

Als Wahl-Berliner bin ich seit mehr als zehn Jahren der Zielgruppenansprache "Nur für Erwachsene" von RadioEins erlegen. Auch wenn mich am frühen Morgen manchmal die langen gniedelnden Gitarrensoli nerven oder die vorgetäuschten Beziehungsprobleme der Moderatorenduos. Dafür entschädigt mich das exzellente vielfältige Nischenprogramm am Abend. Allerdings erfüllt Kultur- oder Inforadio bei mir auch seinen Zweck. Zum Glück gibt es diese Formate noch. Meine kleine Tochter macht mich auch bei Berliner Privatsendern zum Mithörer. Allerdings zwingt mich manchmal deren niveaulose Wortwahl dann doch erzieherisch einzugreifen.

Es ist also eine besondere Verbindung.

Das ist ja einer der Vorteile von Radio. Die Identifikation des Zuhörers mit seiner Region und mit seinem Sender. Ein Lieblingssender ist immer auch ein Stück Heimat – für jeden von uns. "Was macht denn einen Radiosender zum Lieblingssender?“ Dies herauszufinden wäre doch eine Umfrage wert.

Wie muss sich das Radio verändern, um im digitalen Zeitalter weiterzubestehen oder glauben Sie, das Medium wird über kurz oder lang aussterben?

Das Radio befindet sich schon seit Längerem im digitalen Zeitalter und ist deshalb bereits in vielen Kanälen zu Hause – webbasiert, auf Smart-Phones, regional, national und international erreichbar. Dabei spielt nicht nur der akustische Auftritt des Senders eine wichtige Rolle. Über die konsistente Präsenz in allen relevanten Medien kann er sich als eine Marke mit unverwechselbarem Profil dem Wettbewerb überhaupt erst stellen. Ich wünsche mir, dass in Zukunft noch mehr Radiosender Haltung zeigen und sich als Medienmarken begreifen. Sie sollten ihre Chance nutzen, auf intelligente und innovative Weise kanalübergreifenden Mehrwert zu bieten. So bleiben sie für die Hörer und ebenso für Werbetreibende langfristig attraktiv.